Frankfurt/Main. Der Dax ist am Freitag nach einem bereits schwächeren Start in den Handelstag bis zum Mittag weiter im Minus geblieben. Gegen 12:30 Uhr wurde der Leitindex mit rund 18.665 Punkten berechnet, 0,4 Prozent unter dem Schlussniveau vom Vortag.
"Noch zu Beginn des Jahres gingen Notenbanken und Anleger gleichermaßen von einer ganzen Serie an Zinssenkungen im Jahresverlauf aus", sagte Konstantin Oldenburger, Marktanalyst bei CMC Markets. "Aber es kam anders und die Inflation vor allem in den USA erwies sich als hartnäckiger als gedacht. Das geldpolitische Inflationsziel von zwei Prozent ist im April von den aktuellen 3,4 Prozent noch weit entfernt."
"Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell signalisierte deshalb bereits, dass die politischen Entscheidungsträger zwar keine Zinserhöhungen in diesem Jahr mehr planen, jedoch länger warten würden, bevor man die Zinswende einleitet." Grundsätzlich sei diese Entwicklung keine Anomalie in der Geschichte. "Es gab bereits Phasen mit ähnlichen oder höheren Zinsen. Man kann die Situation als Rückkehr zur Normalität beschreiben." Geld habe einen Preis und dieser sei durch Zinsen gekennzeichnet.
Viel wichtiger sei die Frage, ob die Notenbanken den richtigen Zeitpunkt erkennen, die Zinsen wieder zu senken, ohne dass es vorher zu einer schweren Rezession komme. Denn das Thema sei noch nicht vom Tisch, die Verschiebung des Konjunkturzyklus lasse sich bereits erahnen. "Zwar könnte man in einem solchen Fall auf den Werkzeugkasten und das Repertoire aus den vergangenen Jahren zurückgreifen, doch die aktuell höheren Schuldenständen bergen das Risiko einer Vertrauenskrise."
"Die Europäische Zentralbank dürfte im Juni der Fed mit einer Zinssenkung zuvorkommen, denn der geldpolitische Handlungsspielraum von Christine Lagarde ist durch die wirtschaftliche Schwäche der Eurozone höher. Zudem liegt die Inflationsrate in der Eurozone bereits sehr nahe am Zwei-Prozent-Ziel." Es gebe auch keine Anzeichen dafür, dass die EZB auf die Fed warten werde, sollte sie es vorziehen, noch länger warten zu wollen.
"Diesmal ist alles anders. Es wäre ein geldpolitisches Novum. Die Fed hat in der Vergangenheit in der Regel vor der EZB gehandelt. Während des Dot-Com-Crashs im Jahr 2000 senkte sie die Zinsen fünf Monate vor der EZB, kurz vor der Finanzkrise 2008 sogar mehr als ein Jahr früher als ihr europäisches Pendant. Auch im März 2022 handelte die Fed vor der EZB und begann mit Zinserhöhungen, um die Inflation nach der Pandemie zu bekämpfen." Diesmal sprächen Faktoren wie die niedrigere Inflation und die Konjunkturabschwächung in Deutschland aber für eine frühere und aggressivere Zinssenkung durch die EZB als durch die Fed.
"Da dieser Fall in den vergangenen 25 Jahren aus der Praxis aber verschwunden ist, könnte es zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kommen, wenn Geldströme in ungewöhnliche Richtungen fließen." Die US-Wirtschaft benötige möglicherweise keine sofortige Zinssenkung, was sich am Futures-Markt widerspiegele. Die Markterwartungen hätten sich von sechs Zinssenkungen durch die Fed im Jahr 2024 auf nur noch eine oder zwei verschoben. "Allerdings sollte man einen plötzlichen Umschwung oder Geschenke vor der Präsidentenwahl im November auch nicht ausschließen", so Oldenburger.
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