Desaströses Weihnachtsgeschäft: Ist 2G schuld?

Der Einzelhandelsverband auf Bundesebene macht die 2G-Regelung im Einzelhandel für das Scheitern des Weihnachtsgeschäftes verantwortlich. In Niedersachsen wurde diese Regel jedoch gekippt - dennoch sieht das Ergebnis nicht besser aus.

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Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: regionalHeute.de

Region. Der Einzelhandel in Niedersachsen verzeichnet bis zu 40 Prozent weniger Kundenfrequenz und bis zu 30 Prozent weniger Umsatz im diesjährigen Weihnachtsgeschäft im Gegensatz zu den Jahren vor der Pandemie. Das berichtet Hauptgeschäftsführer Mark Alexander Krack vom Handelsverband Niedersachsen-Bremen im Gespräch mit regionalHeute.de. Diese Zahlen decken sich mit jenen vom Handelsverband auf Bundesebene. Auffällig ist das vor allem, weil man in Berlin 2G im Einzelhandel für diese Entwicklung verantwortlich macht. Eine Regelung, die in Niedersachsen aber nach nur vier Tagen Bestand vom Oberverwaltungsgericht gekippt wurde.


"Das diesjährige Weihnachtsgeschäft lief für große Teile des deutschen Handels dramatisch schlecht", sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Deutschland (HDE), dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Bis November konnten wir noch einiges aufholen von den Lockdown-Monaten im Frühjahr. Aber der positive Trend wurde durch die Einführung der 2G-Regeln abrupt gestoppt." Genths Bilanz: "Im Schnitt sprechen wir von einem Drittel weniger Umsatz bei 40 Prozent weniger Kunden. Und manche Einzelhändler gerade aus dem Textilbereich hat es natürlich sogar noch weit härter erwischt, wenn man bedenkt, dass zugleich der Online-Handel mit einem erneuten Plus von 20 Prozent weiter boomt und der Lebensmittelbereich ebenfalls weiter gut funktioniert. Gerade die Innenstädte hat es erneut besonders hart getroffen."


2G ist schuld?


HDE-Mann Genth macht gegenüber "Focus" auch einen klaren Schuldigen aus: "2G ist keine medizinisch sinnvolle Maßnahme, sondern wurde von der Politik vor allem dazu genutzt, Druck auf die Ungeimpften auszuüben. Dabei ist längst klar, dass die Geschäfte in keiner Weise zum Infektionsgeschehen beitragen." Er erinnerte daran, dass die 2G-Regel "deshalb in Niedersachsen jüngst gekippt wurde. Da reicht nun wieder eine normale Maskenpflicht." Alles andere sei "auch nicht nachvollziehbar und stellt eine klare Ungleichbehandlung dar, gegen die viele unserer Mitglieder gerichtlich vorgehen. Es gibt zudem ja bislang keinerlei Plan für Entschädigungsleistungen", so Genth gegenüber dem "Focus"-Magazin.

Mark Alexander Krack, Geschäftsführer Handelsverbandes Harz und Heide. Archivbild
Mark Alexander Krack, Geschäftsführer Handelsverbandes Harz und Heide. Archivbild Foto: regionalHeute.de


Die gekippte 2G-Regel hat dem Einzelhandel in Niedersachsen allerdings nach Angaben von Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Niedersachsen-Bremen, auch nichts gebracht. "So etwas mehr Vergnüglichkeit hat das Weihnachtsgeschäft im Grunde genommen nur in der Zeit vom vierten Adventssamstag bis Heiligabend gebracht. Die Wochen davor waren tatsächlich eher Trübsal." Krack spricht von 40 Prozent weniger Kundenfrequenz und etwa 25 bis 30 Prozent weniger Umsatz als in den Jahren vor der Pandemie. Die Verbesserung der Frequenz in der letzten Woche vor Weihnachten begründet der Hauptgeschäftsführer allerdings vielmehr mit Torschlusspanik: "Ich glaube tatsächlich nicht so sehr, dass der Wegfall der 2G-Regel in Niedersachsen dazu mit beigetragen hat." Es sei nur ein "Stück weit Erleichterung" für die Händler gewesen, habe aber nicht maßgeblich zur Rettung des Weihnachtsgeschäftes beigetragen.


Werte bei Zufriedenheit noch desaströser


Noch mehr als auf die Zahlen drückt der Misserfolg des Weihnachtsgeschäftes bei den Einzelhändlern in Niedersachsen aufs Gemüt. Auf die Frage, wie zufrieden sie mit dem Weihnachtsgeschäft seien, antworteten im Schnitt 58 Prozent der Einzelhändler, dass sie unzufrieden oder sehr unzufrieden sind. Im Nicht-Lebensmittelbereich steigen die Werte bei dieser Antwort sogar auf bis zu 75 Prozent. "Das zeigt, wie groß die Frustration ist", bedauert Krack.


Massive Zuwächse beim Online-Handel


Bereits vor der Pandemie hat der Online-Handel jährlich 9 bis 12 Prozent Zuwachs verzeichnet. In den zwei Jahren Pandemie lagen die Zuwachsraten jährlich bei über 20 Prozent. "In der Größenordnung rechnet man auch in diesem Jahr", meint Krack und verortet dort auch viele Gründe für das Scheitern des stationären Einzelhandels. "Fakt ist nun mal, online gibt es eben keine Kontaktbeschränkungen. Er hatte schlichtweg keine Restriktionen zu verzeichnen." Die Pandemie beschleunigt also eine Entwicklung, die schon vorher stattgefunden hat.

Sterben die Innenstädte aus?


Kahlschlag bei Karstadt und Real, leere Ladenzeilen, das Ende von Burgpassage und Welfenhof in Braunschweig. Würden ein Ende der Maskenpflicht und der Hygieneregelungen dem Einzelhandel wieder zu alter Größe verhelfen? Krack glaubt das nicht und unterstützt damit die Ansicht von Gerold Leppa, Wirtschaftsdezernent der Stadt Braunschweig. Dieser äußerte in einer Pressekonferenz, dass es weniger zum Aussterben und mehr zu einer Umnutzung der vorhandenen Immobilien käme. Krack dazu: "Wenn man mal versucht zu prognostizieren, wie die Innenstädte in zehn Jahren aussehen, glaube ich, wir werden weniger Einzelhandel haben. Stattdessen wird es mehr Wohnen, auch sicherlich mehr Dienstleistungsangebote und wahrscheinlich auch mehr Gastronomie geben. Da haben wir ja auch in den letzten Jahren schon eine Entwicklung in die Richtung gesehen. Vielleicht kommen auch Handwerksbetriebe wieder mehr in die Stadt."


Wünsche an die Politik


Klagen gegen die bestehenden Regeln hält Krack für aussichtslos. Ihm sei auch nicht bekannt, dass Einzelhandelsvertreter hier etwas planen würden. Von der Politik wünscht er sich vor allem eine Verstetigung der Regeln vor allem für den Einzelhandel, hier habe es zu viel hin- und her gegeben. Gleichermaßen brauche es auf EU- und Bundesebene Neuregelungen der Wirtschaftshilfen: "Wir haben im Moment die Schwierigkeit, dass wir an die Wirtschaftshilfen nur dann rankommen, wenn 30 Prozent weniger Umsatz generiert worden sind. Etliche der Händler liegen relativ knapp zwischen 25 und 28 Prozent." Für den Einzelhandel seien 25 bis 28 Prozent aber bereits ziemlich heftig. Gerade Familienbetriebe hätten zu kämpfen. "Da muss die Bundesrepublik auch nochmal auf europäischer Ebene Gespräche führen, ob es da nicht möglich ist, da den Schwellenwert etwas nach unten zu senken", so Krack abschließend.


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