Braunschweig. "Es war der richtige Besuch zum richtigen Zeitpunkt", befand Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil am heutigen Freitag im Anschluss an seinen Besuch im Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Gemeinsam mit Wissenschaftsminister Björn Thümler war er gekommen, um sich auf den neuesten Stand der aktuellen Forschungsprojekte zur Eindämmung der Corona-Pandemie bringen zu lassen. Und nach eigener Aussage habe Weil dieser Besuch geholfen, seine Aufgaben in der Corona-Krise künftig besser zu bewältigen.
Man befinde sich gerade an einem Punkt des Strategiewechsels von allgemeinen zu gezielten Maßnahmen. "Die Zeit der Warnschüsse ist vorbei, jetzt benötigen wir Blattschüsse", verdeutlichte der Ministerpräsident. Dass nun die Bundesländer und auch die Kommunen mehr Verantwortung bekämen, habe nichts mit "abwälzen" zu tun, sondern sei nun genau der richtige Schritt. Denn die Lösungen müssten sich den Problemen vor Ort anpassen.
Helfen könnten dem Ministerpräsidenten einige Projekte des HZI, die im Rahmen des Besuches kurz vorgestellt wurden. So arbeitet Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung System Immunologie, an einem Modell zur regionalen Datenanalyse. Anhand von Faktoren wie zum Beispiel der Arbeitsplatzstruktur, der Auslastung der Supermärkte oder dem Angebot an Kitas sollen dann auf Kreisebene das Risiko oder die Erfolgsaussichten geplanter Maßnahmen errechnet werden können.
Markus Cornberg, Klinischer Direktor des HZI, erläuterte die Möglichkeiten einer individualisierten Infektionsmedizin. Gerade bei Corona verlaufe die Krankheit sehr unterschiedlich und entsprechend müsse auch mit verschiedenen Therapien reagiert werden. Daher würden Blutproben von Coronakranken mit den unterschiedlichen Verläufen analysiert und ausgewertet. Das Ziel sei es, an den Punkt zu kommen, dass man einer Person nur Blut abnehmen müsse, um zu sehen, wie groß das Risiko an Corona zu erkranken ist und welche Therapie gegebenenfalls hilft, so Cornberg.
Erfolgsmodell SORMAS?
Besonders interessiert zeigte sich Stephan Weil an dem Epidemie-Management-System SORMAS (regionalHeute.de berichtete). Das System hilft auf digitalem Weg Infektionsketten zu ermitteln und kann auch einem überregionalen Austausch dienen. Das System wurde bereits erfolgreich in Afrika bei der Ebola-Bekämpfung eingesetzt. In Deutschland sei es derzeit in 16 von 400 Gesundheitsämtern eingeführt worden, berichtete Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemologie. Die Bundesländer Baden-Württemberg und Berlin hätten gerade eine flächendeckende Einführung beschlossen. Weil kündigte an prüfen zu wollen, ob dies auch in Niedersachsen in Frage komme.
Silke Tannapfel, Administrative Geschäftführerin des HZI, mit Björn Thümler, Stephan Weil und Dirk Heinz (v. li.). Foto: Alexander Dontscheff
Auch an der Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen COVID-19 ist das HZI beteiligt. Neben der erfolgversprechenden Kooperation mit YUMAB und der TU Braunschweig bei der Suche nach einem Antikörper-gestützten Wirkstoff (regionalHeute.de berichtete), sucht man unter anderem auch nach einem Breitbandwirkstoff, der auch gegen künftige Generationen des Coronavirus eingesetzt werden könnte.
Nach einer Führung über das HZI-Gelände betonte Stephan Weil noch einmal, wie wichtig es sei, die Menschen in der Krise mitzunehmen und die Gesellschaft zusammenzuhalten. Derzeit gebe es auf der einen Seite die Leute, die möglichst bald möglichst weit zur Normalität zurückkehren wollen, und auf der anderen Seite diejenigen, denen dies zu schnell geht und die sich große Sorgen machen. Hier einen Ausgleich zwischen den Lagern zu finden, sei seine Aufgabe. Weil betonte aber auch, dass die Bevölkerung ein gewisses Vertrauen verdient habe. Die bisherigen Erfolge in Deutschland bei der Corona-Bekämpfung beruhten zum Großteil auf der Einsicht der Menschen, sich an die Regeln zu halten.
Auf die Mitarbeiter im Labor durfte nur ein Blick durchs Fenster geworfen werden... Foto: Alexander Dontscheff
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