Berlin. Wegen Engpässen und Materialknappheit während der Coronakrise wollen deutsche Unternehmen ihre Abhängigkeit von Lieferungen aus einzelnen Ländern reduzieren - doch diese Diversifizierung ihrer Lieferketten fällt der Wirtschaft schwer, wie eine neue Auswertung zeigt.
Die Deutsche Industrie - und Handelskammer (DIHK) will am Dienstag in Berlin den "AHK World Business Outlook" vorstellen. Den aktuellen Daten des noch unveröffentlichten Reports zufolge sehen sich 85 Prozent der deutschen Firmen bei der Diversifizierung vor Herausforderungen gestellt, melden die Zeitungen der "Funke-Mediengruppe". Gut die Hälfte der Firmen nennt die Suche nach passenden Lieferanten oder Geschäftspartnern als Hürde. Zusätzlich klagt mehr als ein Drittel der Unternehmen, die auf der Suche nach neuen Lieferanten sind, über hohe betriebswirtschaftliche Kosten.
Vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen und vermehrt auftretender Störungen in den internationalen Logistikwegen würden robustere Lieferketten und flexiblere Abläufe dringlicher denn je, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier den Funke-Zeitungen. "Die deutsche Wirtschaft ist vor allem von bestimmten Schlüsselproduktionen und Handelspartnern abhängig. Hier müssen wir uns mit unterschiedlichen Beschaffungsquellen und Absatzmärkten breiter aufstellen als bisher", forderte er. Risiken müssten besser gestreut werden. Es gelte, Resilienz in der Beschaffung aufzubauen, so Treier weiter.
Laut dem DIHK-Papier kostet besonders die Umstellung auf Strategien wie "Multi-Sourcing" und damit einhergehende Marktanalysen und Qualitätskontrollen neuer Lieferanten Unternehmen aber nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Insbesondere mögliche Mengenrabatte fielen durch sinkende Bestellmengen niedriger aus. Auch das Verteilen auf mehrere Lieferanten erhöhe oftmals die Kosten, heißt es. Gleichzeitig sehen sich viele deutsche Firmen bei dem Bestreben, ihre Abhängigkeiten von einem bestimmten Liefergebiet oder Handelspartner zu reduzieren, mit Rechts- und Regulierungsproblemen konfrontiert. Weil der Planungsaufwand steige, nennen rund 40 Prozent der Firmen solche nicht-tarifären Handelshemmnisse, wie zum Beispiel lokale Zertifizierungen, als Herausforderung. Sorgen bereiten aber auch europäische und deutsche Regulierungen.
Schon länger klagt die Wirtschaft über das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Einige Unternehmen ziehen deshalb sogar einen Rückzug aus Märkten und das Ende von Handelsbeziehungen mit Risikoländern in Betracht, so die Kammer. Während der Corona-Pandemie hatten Lieferengpässe bei der deutschen Industrie zu Materialknappheit und für Verbraucher zu steigenden Preisen geführt. In der Folge sorgte die Krise auch zu einem Umdenken innerhalb der Wirtschaft hin zu mehreren Lieferanten für ein Produkt. Mit Blick auf China seien nun viele deutsche Firmen daran interessiert, zusätzliche Standorte außerhalb Chinas zu eröffnen, so die Kammer.
DIHK-Daten zufolge liegt zwar der Anteil keines deutschen Handelspartners bei über zehn Prozent. Laut EU-Kommission weisen jedoch sechs Prozent (137 Produkte) der EU-Importe strategische Abhängigkeiten auf. Bei 34 Schlüsselprodukten, wie Seltene Erden, Elektronikprodukten, Halbleitern und Chemikalien, wird die Abhängigkeit als besonders kritisch eingestuft. Die DIHK fordert nun unter anderem den Ausbau sogenannter Rohstoffpartnerschaften, weniger Bürokratie und zusätzliche Anreize für die Unternehmen. Unter anderem sei es wichtig, die Exportkreditgarantien - sogenannte Hermesbürgschaften - für mehr Unternehmen zu öffnen.
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