Direkter Weg in den Polizeistaat? Rechtsstreit um Dokumentationspflicht bei Demos beigelegt

Die im Mai von der Stadt viermal verhängte Auflage für politische Versammlungen, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes unverhältnismäßig.

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Bei späteren Veranstaltungen des Bündnisses gegen Rechts wurde die Dokumentationspflicht nicht mehr angewendet.
Bei späteren Veranstaltungen des Bündnisses gegen Rechts wurde die Dokumentationspflicht nicht mehr angewendet. | Foto: Alexander Dontscheff

Braunschweig. Am 8. Mai hatte es eine Kundgebung des Bündnisses gegen Rechts anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus gegeben. Eine Auflage der Stadt war damals gewesen, die Namen und Anschriften der Versammlungsteilnehmer zu erfassen und vier Wochen lang aufzubewahren. Das Bündnis hatte sich zwar daran gehalten, aber gleichzeitig gegen die Maßnahme vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Wie das Bündnis in einer Pressemitteilung berichtet, habe man die "juristische Auseinandersetzung gewonnen".


„Natürlich ist der Schutz der Gesundheit ein hohes Gut und das Bündnis gegen Rechts hat bei seinen Veranstaltungen die behördlichen Auflagen hinsichtlich Mund-Nasenbedeckung und Abstand nicht nur erfüllt, sondern ist noch darüber hinaus gegangen. Das ist in der heutigen Zeit selbstverständlich“, betont Udo Sommerfeld für das Braunschweiger Bündnis gegen Rechts. Doch es gehe gar nicht, dass die Corona-Pandemie dazu benutzt werde, das Versammlungsrecht mit schikanösen Auflagen auszuhöhlen. „Die Registrierung von Versammlungsteilnehmerinnen und Teilnehmern stellt unter anderem einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar. Gerade erst wurde durch eine Anfrage im Niedersächsischen Landtag bestätigt, dass auch die Niedersächsische Polizei bereits mehrfach auf ‚Corona Listen‘ zugegriffen hat. Diese Gefahr bestand auch bei den Listen, die wir führen mussten, und ist bei einer politischen Veranstaltung absolut nicht hinnehmbar. Dieser Weg führt direkt in den Polizeistaat und hat mit Gesundheitsschutz nichts zu tun“, bewertet Sommerfeld die Problematik der Auflage.

"Die Anordnung war rechtswidrig"


Sommerfeld war Anmelder und Leiter der Gedenkveranstaltung am 8. Mai in der Gedenkstätte Braunschweig-Schillstraße. Nach Ansicht der juristischen Vertretung des Bündnisses, Rechtsanwalt Dr. Prigge aus Düsseldorf, sei die Anordnung der Stadt rechtswidrig gewesen. Eine Meinung, die die Stadtverwaltung im Nachhinein auch teile, so Sommerfeld. Sie habe in einem Schreiben die Rechtsauffassung des Bündnisses gegen Rechts akzeptiert, die Auflage nicht mehr verfügt und die Kosten des Verfahrens übernommen.

Die Stadt bestätigt dies auf Anfrage teilweise. "Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist eingestellt worden, nachdem der Kläger und Stadt Braunschweig die Sache für erledigt erklärt haben. Die streitige Frage war bereits in einem früheren Verfahren mit einer anderen Klägerin geklärt worden", berichtet Sabrina Willer vom Referat Kommunikation der Stadt. Diese Auflage sei Anfang Mai 2020 bei insgesamt vier Versammlungen verfügt worden. Vor dem Hintergrund der damals hohen Infektionszahlen und der Wichtigkeit der Möglichkeit der Kontaktnachverfolgung im Falle von Infektionen, habe die Auflage, die Daten von Versammlungsteilnehmenden durch den Versammlungsleiter zu erfassen und bei Bedarf dem Gesundheitsamt zugänglich zu machen, nach damaliger Auffassung der Stadt ein angemessenes und geeignetes Mittel dargestellt, die Infektionsgefahren durch große Menschenansammlungen bei Versammlungen zu begrenzen. Diese Rechtsauffassung sei noch im April auch von verschiedenen Verwaltungsgerichten (zum Beispiel Gelsenkirchen und Schwerin) bestätigt worden.

Stadt distanziert sich von Bewertungen des Bündnisses


Nachdem das Verwaltungsgericht Braunschweig in einem anderen Eilverfahren mit Beschluss vom 8. Mai die Auflage als voraussichtlich rechtswidrig, weil unverhältnismäßig, eingestuft hatte, habe sich die Stadt Braunschweig als Versammlungsbehörde diese Auffassung zu eigen gemacht und diese Auflage bei keinen weiteren Versammlungen mehr verfügt. Ob es erneut zur Anordnung einer Dokumentationspflicht für Versammlungsteilnehmer komme, hänge von der Entwicklung der Rechts- und Infektionslage ab. Die Ansicht des Bündnisses gegen Rechts, dass die Maßnahme eine „schikanöse Auflage“ sei und zu einer Aushöhlung des Versammlungsrechts führe sowie einen Weg „direkt in den Polizeistaat“ darstelle, weist die Stadt ausdrücklich zurück.


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