Domkantor gegen Landeskirche: Arbeitsgericht hat entschieden

Die Landeskirche hatte dem Geistlichen fristlos gekündigt, da dieser in Erwägung gezogen habe, für sich und seinen Ehemann Kinder im Wege der Leihmutterschaft in Kolumbien austragen zu lassen. Gegen die Kündigung legte der Domkantor Rechtsmittel ein.

Der Braunschweiger Dom. Archivbild
Der Braunschweiger Dom. Archivbild | Foto: Robert Braumann

Braunschweig. Der Braunschweiger Domkantor war aufgrund seiner Überlegungen, eine Leihmutter in Kolumbien zu beauftragen, bei seinem Arbeitgeber, der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, in Ungnade gefallen und fristlos entlassen worden. Dagegen hatte sich der Geistliche mit rechtlichen Mittel zur Wehr gesetzt. Am heutigen Donnerstag sprach das Arbeitsgericht diesbezüglich ein Urteil. Wie das Gericht in einer Pressemitteilung berichtet, fiel dieses zu Gunsten des Domkantors aus.



Der Kläger habe sich mit seiner Kündigungsschutzklage gegen eine außerordentlich fristlose Kündigung vom 22. März beziehungsweise eine hilfsweise außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31. Oktober 2022 gewehrt.

"Erheblicher Loyalitätsverstoß"


Die Landeskirche habe die Kündigung im Wesentlichen damit begründet, der Kläger habe sich Pläne offen gehalten, für sich und seinen Ehemann Kinder im Wege der Leihmutterschaft in Kolumbien austragen zu lassen. Hierin liege ein erheblicher Loyalitätsverstoß, der eine weitere Zusammenarbeit auch unter Berücksichtigung der exponierten Position des Klägers als Domkantor mit bundesweitem Bekanntheitsgrad unzumutbar mache. Zudem hätten die Diskussionen um die privaten Planungen des Klägers zu Zerwürfnissen unter Mitarbeitern, die in weiten Teilen eine weitere Zusammenarbeit ablehnten, geführt.

"Wirtschaftlich schwer geschädigt"


Die Klägerseite habe dem unter anderem entgegengehalten, dass zu keinem Zeitpunkt eine kommerzielle Leihmutterschaft geplant gewesen sei und dass die Landeskirche versuche, durch die Kündigung einen bloßen Gedankenprozess zu unterbinden. Ferner habe die Kirchengemeinde selbst für die Verbreitung des Sachverhalts gesorgt. Der Kläger sei in seiner Reputation und möglicherweise auch wirtschaftlich schwer geschädigt.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und sowohl die außerordentliche Kündigung als auch die hilfsweise erklärte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist für unwirksam erklärt. Weiterhin hat das Gericht die Landeskirche zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Klägers als Domkantor bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verurteilt und einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen. Diesbezüglich hatten die Parteien im Rahmen der Verhandlung über Prozesserklärungen eine Übereinkunft getroffen, um eine (zwangsweise) Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs zu vermeiden.

Kein direkter Verstoß erkennbar


Das Gericht begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass ein an sich wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht gegeben sei, da in dem sanktionierten Verhalten des Klägers kein direkter Verstoß gegen eine vertragliche Loyalitätspflicht gegenüber der Landeskirche zu erkennen sei. Indem der Kläger gegenüber der Landeskirche erklärt habe, sich die Möglichkeit einer Leihmutterschaft offen zu halten, habe er nicht gegen eine konkrete, aus dem Selbstverständnis der Kirche folgende Loyalitätsanforderung verstoßen.

Auch überwiege im Wege der gebotenen Abwägung der Interessen der Parteien im Einzelfall nicht das Interesse der Kirche an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Dabei berücksichtigt die Kammer - neben dem Umstand, dass ein direkter Verstoß des Klägers gegen Loyalitätspflichten nicht erkannt werden kann - insbesondere, dass die mit der Kündigung sanktionierte Äußerung keinen provokativen Charakter aufweise, sondern dem Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit unterliege. Der bloße Abwägungsprozess des Klägers sei nicht mittels Kündigung zu sanktionieren. Ferner bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass die öffentliche Verbreitung der Problematik auf einem Verhalten des Klägers beruhe. Das Gericht erkennt hierbei einen erheblichen Eigenanteil der Landeskirche und ein Mitverschulden.


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