Mainz. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sieht die Demokratie in Deutschland in Gefahr. In der Corona-Pandemie habe sich ein "Mix aus Ermüdung, Frust und Aggression und auch Angst" in Teilen der Gesellschaft herausgebildet, der sich durch den Ukraine-Krieg, steigende Energiepreise, Inflation, wachsende Flüchtlingszahlen und zuletzt den Terrorangriff der Hamas verfestigt habe, sagte sie der Wochenzeitung "Die Zeit".
"Die Verbindung aus gesellschaftlichem Frust und politischem Extremismus greift jetzt die Demokratie an", so Dreyer weiter. Der Raum für Kompromisse sei kleiner geworden, es gebe fast nur noch Schwarz und Weiß: "Die Sehnsucht nach einfachen Antworten bedienen die Rechten mit Falschaussagen, die oft verfangen." Derartige Desinformation werde hochprofessionell zum Schaden der Demokratie betrieben. Dreyer, eine der - laut Umfragen - beliebtesten Ministerpräsidenten im Land, spürt die veränderte Stimmung auch im persönlichen Umgang mit den Bürgern.
Zwar begegneten ihr die Menschen meist aufgeschlossen, freundlich und interessiert, "aber die Zahl der Krawallmacher ist größer geworden, die bei öffentlichen Auftritten systematisch stören", so Dreyer. "Vor Corona kam ich auch problemlos mit Menschen ins Gespräch, die eine ganz andere politische Haltung haben als ich. Heute geht das kaum noch." Warum der Coronakrise eine so entscheidende Rolle zukommt, begründet Dreyer mit der Rolle des Staates.
Die meisten Menschen hätten im Alltag wenig mit dem Staat zu tun, sie lebten ihr Leben, "und plötzlich kommt dieser Staat und sagt ihnen, dass sie Masken tragen müssen, nicht mehr feiern dürfen und sich impfen lassen sollen", so Dreyer. Solche Eingriffe in die Grundrechte seien zwar gut begründet gewesen, trotzdem hätten "nicht wenige den Staat als übergriffig empfunden". Auch "weil Corona so verdammt lang angehalten hat", sei die Krise mit keiner anderen vergleichbar. Dreyer: "Und dass dies Frust, Ermüdung, auch Wut mit sich bringt, ist nachvollziehbar."
Die Politik habe damals auch Fehler gemacht, der größte sei die Schließung von Schulen und Kitas gewesen. Kinder aus weniger privilegierten Verhältnissen hätten im Distanz-Unterricht besonders gelitten. Es gehe nicht nur um schulische Leistungen, sondern auch um soziale Kontakte. "Viele Kinder und Jugendliche haben schlicht eine ganz wichtige Lebensphase verpasst. Und auch das trägt zum Unmut bei", so Dreyer.
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