Entschärfung von Weltkriegsbomben eingeschränkt während der Corona-Krise

Durch die sozialen Kontaktbeschränkungen sei eine Kampfmittelbeseitigung wie in den letzten beiden Jahren nicht möglich, erklärt der Jahresbericht des Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Niedersachsen.

Das ist der Zünder einer 500 Kilogramm schweren Bombe aus Braunschweig. Dieses Bild dient als Symbolbild.
Das ist der Zünder einer 500 Kilogramm schweren Bombe aus Braunschweig. Dieses Bild dient als Symbolbild. | Foto: Robert Braumann

Region. 2019 wurden in Niedersachsen rund 133 Tonnen Kampfmittel aus der Zeit der beiden Weltkriege in mehr als 900 Einsätzen geborgen und entsorgt. Das geht aus dem jetzt vorliegenden Jahresbericht des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KBD) des Landes Niedersachsen hervor. 2018 waren es rund 145 Tonnen in knapp 1.000 Einsätzen gewesen. In der Corona-Krise ist die Arbeit des KBD nur eingeschränkt möglich. Das niedersächsische Innenministerium hat Handlungsempfehlungen für den KBD in der Corona-Pandemie erlassen. Demnach wird die gezielte Bombensuche zunächst eingestellt und Verdachtspunkte von Bombenblindgängern zwar noch eingemessen, aber nicht mehr geborgen. In einem Radius von 1.000 Metern um medizinische Versorgungseinrichtungen sollen ebenfalls bis auf Weiteres grundsätzlich keine Kampfmittelräumarbeiten mehr durchgeführt werden, um in diesem sensiblen Bereich zusätzliche Absperrmaßnahmen mit Evakuierungen zu vermeiden. Die Beseitigung und Entschärfung von Weltkriegsbomben geht immer mit einer Gefahr für Einsatzkräfte und Bevölkerung einher, daran erinnert Minister Pistorius, wie aus einer Pressemitteilung des Innenministeriums hervorgeht.


„Auch 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden in Niedersachsen nach wie vor Kampfmittel gefunden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sorgen zuverlässig und unter großem persönlichem Einsatz dafür, dass diese gefährlichen Sprengkörper entschärft und beseitigt werden", sagt Niedersachsens Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius. „Jeder Munitionsfund und die damit verbundene Entschärfung stellt sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes als auch für die Bürgerinnen und Bürger immer eine besondere Gefahr dar. Dass es in den vergangenen Jahren keinen einzigen Unfall oder Verletzte gegeben hat, ist ein eindrucksvoller Beleg für die Expertise und die herausragende Arbeit aller Beteiligten. Dafür möchte ich mich besonders bei den Expertinnen und Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes bedanken."

Aktuell ist die Arbeit des KBD aufgrund der Corona-Pandemie nur eingeschränkt möglich. Bereits am 27. März wurden durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport und den KBD Handlungsempfehlungen zur Vermeidung von Evakuierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Kampfmittelfunden an die zuständigen Gefahrenabwehrbehörden herausgegeben.

Mehrere niedersächsische Kommunen, die in besonderem Maße von den Kriegshandlungen des Zweiten Weltkriegs betroffen waren, wie zum Beispiel die Region Hannover und die Städte Braunschweig und Osnabrück, haben zwischenzeitlich eigene Allgemeinverfügungen erlassen. Darin sind die Handlungsempfehlungen für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich weiter konkretisiert und den kommunalen Besonderheiten angepasst worden.

Kind findet Phosphorklumpen


Ein Ereignis steht 2019 exemplarisch für die Gefährlichkeit der Kampfstoffe in der Natur: Ein Kind hat beim Spielen an einem See in der Region Hannover einen Phosphorklumpen gefunden und diesen mit einem Stein verwechselt. Nachdem es sich den vermeintlichen Stein in die Kleidung gesteckt hatte, entzündete sich dieser aufgrund der Wärmezufuhr, wodurch das Kind leichte Verbrennungen erlitt.

„Dieser Vorfall zeigt deutlich, wie gefährlich diese vermeintlich alten Kampfmittel - auch nach so langer Zeit im Boden - immer noch sind. Deshalb möchte ich dringend an alle Bürgerinnen und Bürger appellieren, sich beim Fund von Kampfmitteln sofort mit der zuständigen Gemeinde oder der Polizei in Verbindung zu setzen. Denn das unsachgemäße Hantieren mit diesen unbekannten Stoffen gefährdet neben dem eigenen Leben häufig auch das Leben anderer", so Minister Pistorius.

Nordsee im Fokus der Kampfmittelbeseitigung


Der Jahresbericht 2019 weist vor allem in einem Bereich abweichende Zahlen auf: Im Unterschied zur relativ geringen Anzahl der entdeckten Blindgänger 2018, die nicht mehr transportfähig waren, musste 2019 wieder vermehrt alte Munition direkt vor Ort gesprengt werden (2019: 219 Einsätze, 2018: 138 Einsätze). In den vergangenen Jahren ist dabei auch die niedersächsische Nordsee vor allem durch den Bau von Offshore-Windparks und dem Ausbau von Kabeltrassen verstärkt in den Fokus gerückt. So wurden dort im letzten Jahr rund 0,76 Tonnen Weltkriegsmunition entdeckt (2018: rund 1,65 Tonnen), darunter auch eine Seemine.

Auf sehr hohem Niveau bewegen sich inzwischen die auf Kampfmittelfreiheit überprüften Grundstücke bei beabsichtigten Bauvorhaben. Etwa 3.600 Anträge (2018: knapp 2.600 Anträge) wurden im vergangenen Jahr ausgewertet.

Durch Korrosion werden Kampfmittel gefährlicher


Alte Munition wird im Laufe der Zeit nicht ungefährlicher, im Gegenteil: Alterungsprozesse und Korrosionseinwirkungen erhöhen oft die Gefahr einer plötzlichen Explosion. Gefunden wird Munition vielfach durch die Auswertung von Luftbildern oder auch zufällig, etwa bei Neu- oder Umbaumaßnahmen. Gefährdet sind dabei immer wieder auch Kinder, Sammler und Schatzsucher oder das Personal aus Land- und Forstwirtschaft sowie von Tiefbau- und Metallrecyclingfirmen.

Die Beseitigung von Weltkriegsmunition ist oft mit großen Einschränkungen und hohem Aufwand für die unmittelbar Betroffenen, aber auch die übrigen Beteiligten, wie beispielsweise die Hilfsorganisationen und die Sicherheitskräfte, verbunden.


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