Essen. Der Spezialchemiekonzern Evonik hat scharfe Kritik an der Chinapolitik der Bundesregierung geübt und vor einem übereilten Rückzug der deutschen Wirtschaft aus dem Land gewarnt. "Das wäre das Ende von Work-Life-Balance in Deutschland", sagte Evonik-Chef Christian Kullmann der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Das könne man sich schlicht nicht leisten. Kullmann kritisierte vor allem die Pläne aus dem Außenministerium für eine schärfere Gangart gegenüber dem Reich der Mitte. "Der Entwurf der Chinastrategie von Frau Baerbock ist von einem Ethnozentrismus geleitet, den ich ablehne", sagte der Manager. "Wir sind nicht die Moralweltmeister."
Man könne durchaus mit einem autokratischen System gute Geschäfte machen und dabei versuchen, durch das Vorleben eigener Ideale die anderen zu gewinnen: "Aber wir sind nicht dazu aufgerufen, die Welt zu belehren, was richtig und falsch ist." Auch mit Blick auf die Energiepolitik forderte Kullmann ein Umdenken in Berlin. In der aktuellen Situation müssten alle heimischen Potentiale genutzt werden. "Wir müssen hierzulande viel mehr Gas fördern, in der Nordsee und auch per Fracking", forderte Kullmann.
Zudem müssten selbstverständlich auch die Kernkraftwerke weiterlaufen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) komme ihm vor wie ein "biblischer Prophet" mit der Aussage, dass Deutschland ab Ostern keine Kernkraftwerke mehr benötige. Das gleich gelte derzeit für die Laufzeit von Kohlekraftwerken. Evonik selbst lasse seinen Kohlemeiler bis Mitte 2024 weiterlaufen, auch wenn dadurch CO2 entstehe.
Die schrillen Warnungen im Sommer aus der Chemiebranche vor den Folgen eines Embargos gegen russisches Erdgas verteidigte Kullmann, der bis vor Kurzem auch den Branchenverband VCI führte. "Offensichtlich hat die Bundesregierung erkannt, was passiert wäre, wenn es ein Gasembargo gegeben hätte. Dann wären hier überall die Lichter ausgegangen."
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