Niedersachsen. Exotische Schildkröten erfreuen sich als Haustiere schon seit langem einer großen Beleibtheit. Doch offenbar werden einige der angeblichen Tierfreunde ihrer Reptilien überdrüssig und setzen diese einfach in der Natur aus. Dies ist gesetzlich verboten, denn die nicht heimischen Tiere können in unseren Gewässern und der Natur durchaus Schaden anrichten. Auf Anfrage der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag äußerte sich jetzt das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz zu diesem Thema.
In den letzten Jahren seien in niedersächsischen Binnengewässern Medienberichten zufolge wiederholt Schmuckschildkröten entdeckt worden, die hier nicht heimisch seien, heißt es in der Anfrage des CDU-Abgeordneten Lukas Reinken. Experten zufolge könnten sie eine Gefahr für Flora und Fauna darstellen, unter anderem weil sie sich von Jungfischen und Amphibien-Brut ernährten. Doch welche Erkenntnisse hat die Niedersächsische Landesregierung hierzu?
Schildkröte ist nicht gleich Schildkröte
Zunächst macht das Umweltministerium darauf aufmerksam, dass sich die Bezeichnung „Schmuckschildkröte“ auf verschiedene Arten von in Deutschland nicht heimischen Schildkröten beziehen könne, deren rechtlicher Status nicht einheitlich sei. Konkrete Aussagen könne man nur zur Buchstaben-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta) mit ihren diversen Unterarten machen. Denn diese gelte laut Bundesnaturschutzgesetz als invasive, gebietsfremde Art, da sie auf der entsprechenden Liste der EU (Unionsliste) aufgeführt sei.
Die anderen nicht heimischen Schildkrötenarten würden rechtlich nicht als invasive Arten gelten. Das Bundesamt für Naturschutz habe jedoch eine naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung für einige weitere Schildkrötenarten erstellt und stufe die Schnappschildkröte (Chelydra serpentina), die Zierschildkröte (Chrysemys picta) und die Geierschildkröte (Macrochelys temminckii) als potenziell invasiv ein. Aus dieser Einstufung würden sich jedoch grundsätzlich keine rechtlichen Verpflichtungen ergeben.
Braunschweig und Wolfsburg als Schwerpunkte
Buchstaben-Schmuckschildkröten kommen in vielen niedersächsischen Binnengewässern vor, heißt es in der Antwort des Ministeriums weiter. Dabei ließen sich Schwerpunkte in Gewässern in Siedlungsnähe und insbesondere in Ballungsräumen identifizieren: zum Beispiel in der Region Hannover, um die Städte Oldenburg, Braunschweig, Wolfsburg, Göttingen und deren weiteres Umland. Dies könne man dadurch erklären, dass die Schildkröten keiner natürlichen Population entstammen, sondern allesamt von ihren Haltern illegaler Weise ausgesetzt worden seien.
Zu kalt zum Vermehren
In Niedersachsen ließen die klimatischen Bedingungen (noch) keine natürliche Vermehrung der Schmuckschildkröten zu. Im Südwesten Deutschlands wie zum Beispiel am Oberrhein in Baden-Württemberg ändere sich dies bereits, da die Auswirkungen des Klimawandels zu erhöhten Temperaturen führten, die die Voraussetzungen für eine Reproduktion begünstigen.
Im Zeitraum von Anfang 2019 bis Ende 2024 wurden in Niedersachsen mehr als 270 Buchstaben-Schmuckschildkröten der Natur entnommen. Bis zum Ende ihres Lebens werden sie dann unter Verschluss gehalten. Das bedeute, dass die Tiere gegebenenfalls kurz- bis mittelfristig bei anerkannten Betreuungsstationen untergebracht und langfristig an zoologische Einrichtungen oder zuverlässige Privathalter vermittelt werden, die eine Haltung unter Verschluss gewährleisten können.
Was kann man tun?
Doch was können Land und Kommunen gegen die Ausbreitung der Schildkröten tun? Die Unteren Naturschutzbehörden können für Projekte im Umgang mit invasiven, gebietsfremden Arten Fördermittel über die „Landesprioritätenliste Invasive Arten“ beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Klima- und Naturschutz (NLWKN) beantragen, erklärt das Ministerium. Der Fokus der Förderung liege dabei auf dem Management invasiver Arten der Unionsliste in Schutzgebieten und für den Natur- und Artenschutz wertvollen Lebensräumen beziehungsweise in Habitaten mit Vorkommen geschützter oder gefährdeter heimischer Arten.
Zudem können sich die Unteren Naturschutzbehörden - aber auch Kommunen - direkt an den NLWKN als Fachbehörde für Naturschutz wenden und dort Beratung zum Beispiel zu geeigneten Managementmaßnahmen erhalten. Dafür werden vom NLWKN auf der Internetpräsenz zu invasiven Arten auch Management- und Maßnahmenblätter bereitgestellt, welche Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Arten der Unionsliste enthalten (https://www.nlwkn.niedersachsen.de/download/130943).
Hier kann man Funde melden
Beobachtungen zu Buchstaben-Schmuckschildkröten können (wie solche zu allen anderen Arten der Unionsliste auch) über die niedersächsische Meldeplattform für invasive gebietsfremde Arten dem NLWKN gemeldet werden. Zudem können Sichtungen auch per E-Mail an den NLWKN oder die jeweils zuständige Untere Naturschutzbehörde übermittelt werden.
Viele Fundtiere würden auch direkt bei Tierheimen oder Betreuungsstationen abgegeben. Der NLWKN erfragt dort die Herkunft der bei den Stationen untergekommenen Tiere und fügt diese Fundinformationen zusätzlich zu seinen eigenen Datenquellen mit weiteren frei verfügbaren Verbreitungsdaten zu einem Gesamtbild zusammen.
Populationsschätzung schwer möglich
Eine Populationsschätzung sei aber schwer möglich, da es keine natürliche Reproduktion der Buchstaben-Schmuckschildkröte in Niedersachsen gebe und es sich damit nicht um eine Population im biologischen Sinne einer Fortpflanzungsgemeinschaft handele und zudem unvorhersehbar sei, wie viele Privathalter ihre Tiere noch aussetzen oder ausgesetzt haben beziehungsweise wie viele dieser ausgesetzten Tiere in der freien Natur überleben.
Das Hauptproblem bei den invasiven Schildkröten sei nicht die Ausbreitung, sondern war und ist das illegale Aussetzen der Tiere. Dadurch, dass es für die Buchstaben-Schmuckschildkröte mittlerweile Handels- und Zuchtverbote gebe, sei nun von einer nicht mehr ansteigenden Anzahl in Haltung auszugehen. Allerdings werde es noch einige Zeit dauern, bis die Bestände in Haltung und in der Natur abnehmen.
Problem nur verlagert?
Der Handel weiche auf andere nicht heimische Zierschildkröten aus, die noch keinen Handels- und Besitzverboten unterliegen. Durch Aussetzungen könnten auch diese Arten zum Problem für heimische Arten werden. Hier wäre insbesondere der Handel gefragt, auf das Verbot des Aussetzens von Heimtieren und die negativen Auswirkungen auf die Umwelt schon beim Erwerb hinzuweisen.
Ein fachlicher regelmäßiger Austausch zu wissenschaftlichen und verwaltungsrechtlichen Fragen nicht nur mit Bezug zur Buchstaben-Schmuckschildkröte, sondern zu allen Arten der Unionsliste werde durch eine Expertengruppe zu invasiven Arten gewährleistet, die sich aus Vertretern der Naturschutzverwaltungen der Bundesländer und des Bundes zusammensetzt. Bei Bedarf werde durch diesen Arbeitskreis auch die Expertise weiterer Fachverwaltungen, von Naturkundemuseen, Universitäten oder einzelner Expertinnen und Experten eingeholt.