Berlin. Die westlichen Sanktionen haben der russischen Volkswirtschaft nach Auffassung der Wirtschaftsexpertin Alexandra Prokopenko bisher nur wenig geschadet. "Die russische Wirtschaft hat sich als ziemlich widerstandsfähig erwiesen, und die westlichen Staaten haben das unterschätzt", sagte Prokopenko dem Magazin "Capital".
"Vor allem die Ausgaben für die Rüstungsindustrie" hätten ein Wachstum befördert, für das der Internationale Währungsfonds für das Jahr 2024 eine Rate von 2,6 Prozent vorhersagt. "Man muss aber auch ehrlich sagen, dass es nach wie vor westliche Unternehmen gibt, die mit Russland Handel treiben, indem sie ihre Geschäfte über Länder wie Kasachstan, Kirgistan oder die Türkei abwickeln."
Ihrer Ansicht nach haben westliche Sanktionen wie der Ölpreisdeckel, der Russland weniger Rohstoffeinnahmen bescheren sollte, nur unzureichend funktioniert. "Wir sehen, dass Russland ziemlich schnell Wege gefunden hat, die Ölpreisobergrenze zu umgehen", sagte sie. "Die Regierung in Moskau hat also innerhalb von sechs Monaten die Infrastruktur aufgebaut, um dieses Instrument auszuhebeln, was dafür spricht, dass es schlecht konzipiert war."
Allerdings geht die Expertin auch davon aus, dass Russland sein vor allem auf höheren Militärausgaben basierendes Wachstumsmodell nicht auf Dauer durchhalten kann. "Russlands Wirtschaft wird schrumpfen, aber das wird erst allmählich passieren", sagte sie. "Wir werden sehen, dass die Lebensqualität allmählich abnimmt."
Vor allem die Importsanktionen für technologische Güter fügen laut Prokopenko den Unternehmen des Landes einen Schaden zu, der sich auf Dauer nicht wettmachen lässt. "Das Militär kann sich immer noch Halbleiter mit Tricks auf verschlungenen Wegen besorgen", sagte sie. "Aber das ist keine institutionelle Lösung für die gesamte Wirtschaft." Prokopenko hatte Russland nach Beginn des Angriffskriegs verlassen und arbeitet seitdem als Gastwissenschaftlerin für die Carnegie-Stiftung und die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.
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