Fluch und Segen: Wie Pilze unser Leben beeinflussen

Die Braunschweiger Pilzforscherin Dr. Christiane Baschien informiert über Gefahren und Vorteile von Pilzen im Alltag.

Die Welt der Pilze ist vielschichtig.
Die Welt der Pilze ist vielschichtig. | Foto: DSMZ / Christiane Baschien bzw. Stefan Stümpel (Steinpilz)

Braunschweig. Pilze sind überall auf unserem Planten. Sie sind keine Pflanzen oder Tiere und dem Menschen näher verwandt als Pflanzen. Sie können selbst keine Energie erzeugen, sondern ernähren sich, indem sie organisches Material wie Laub abbauen oder als Parasiten auf Pflanzen, Tieren oder auch anderen Pilzen leben. Dadurch erfüllen sie wichtige Aufgaben in Ökosystemen. Das berichtet das Leibniz-Institut DSMZ in einer Pressemitteilung.



Aber Pilze wachsen nicht nur im Wald, sondern auch im Kühlschrank oder an Hauswänden. Sie tragen zur Herstellung einiger Lebensmittel und sogar von Arzneimitteln bei. Andere Pilze machen uns krank, erläutert Dr. Christiane Baschien. Die Pilzforscherin verrät, warum Pilze Fluch und Segen gleichermaßen sein können und warum der Mensch ohne sie nicht auskommt. Christiane Baschien ist Kuratorin am Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung für Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH und leitet die Arbeitsgruppe Gesundheitsrelevante Pilze. Außerdem ist sie Lehrbeauftragte für Mikrobiologie an der Technischen Universität Braunschweig.

Pilzforscherin und Privatdozentin Dr. Christiane Baschien.
Pilzforscherin und Privatdozentin Dr. Christiane Baschien. Foto: DSMZ


Viele Menschen denken bei Pilzen entweder an Champignons oder an gefährliche Schimmelpilze. Aber Pilze gibt es in vielfältiger Form. Wo finden wir überall Pilze? "Pilze finden wir wirklich überall. Was wir als Pilz auf dem Waldboden sehen, ist oft nur der Fruchtkörper des Pilzes, den er bildet, wenn es im Herbst kälter wird und die Feuchtigkeit steigt", erläutert Christiane Baschien. Pilze, mit Ausnahme der Hefen, seien eigentlich alle fadenförmig, und das Geflecht ihrer Fäden, das Myzel, liegt beispielsweise im Wald unter der Erde.

Symbiose mit Pflanzen


80 Prozent aller Landpflanzen leben über ihre Wurzeln in Symbiose mit diesen unterirdischen Pilzen. Diese Symbiose, Mykorrhiza genannt, erfülle eine sehr wichtige Funktion: Die Pilze helfen den Pflanzen bei der Wasserversorgung und erleichtern ihnen die Aufnahme von Nährstoffen. Im Gegenzug erhalten die Pilze von der Pflanze Zucker aus der Photosynthese. Die Mykorrhiza sei eine wichtige Symbiose, die Pflanzen widerstandsfähiger mache, zum Beispiel gegen Schädlinge und eine sich verändernde Umwelt.

Pilze seien nicht nur überall vorhanden, sondern auch vielfältig: Es gebe Schimmelpilze auf dem Brot, an der Wand, aber es gebe auch Schimmelpilze, die in der Lebensmittelindustrie von Nutzen seien. Schimmelpilze können zum Beispiel Zitronensäure produzieren oder sind Teil verschiedener Fermentationsprozesse. "Pilze sind auch die Destruenten unserer Welt. Sie bauen also organisches Material ab, auch komplexes organisches Material wie Holz oder Laub. Hätten wir die Pilze nicht, würden die Stoffkreisläufe in unseren Wäldern und Gewässern nicht funktionieren", so die Wissenschaftlerin. Denn die Pilze seien die Basis: Mit ihrem speziellen Enzymbesteck zerkleinerten sie das organische Material, bevor die Energie in der Nahrungskette zum Beispiel an Bakterien und andere Mikroorganismen weitergegeben werden kann.

Gefahr für die Gesundheit


Schimmelpilze können dagegen gesundheitsschädlich sein. Sie kommen in schlecht sanierten Wohnungen oder auf Lebensmitteln vor. Es gibt auch Hautpilze, die bei etwa 30 Grad Celsius wachsen. Und wenn es ganz schlimm kommt und das eigene Immunsystem geschwächt ist, können Pilze den Menschen besiedeln. Pilze können nicht nur den Menschen, sondern auch Pflanzen „befallen“ und verursachen weltweit jedes Jahr Milliardenschäden an Nutzpflanzen und erschweren damit die Nahrungsmittelproduktion, berichtet die Wissenschaftlerin von der Schattenseite.

"Andererseits stellen wir aus bestimmten Pilzen auch Antibiotika her, die uns helfen, Krankheiten zu bekämpfen, beispielsweise Penicillin. Aus unserem Alltag sind Pilze nicht wegzudenken: Unsere `Lieblingshefe´ heißt Saccharomyces cerevisiae und liefert uns CO2 als Treibmittel beim Backen von Brot und Kuchen oder vergärt für uns den Alkohol in Bier und Wein", stellt Christiane Baschien klar. Auch bei der Käseherstellung kämen Pilze zum Einsatz. Berühmt sei der Camembert, bei dem Penicillium camemberti nach der Reifung sozusagen die Schutzschicht um den Käse bilde. Diese Schutzschicht verhindere, dass andere Mikroorganismen in den Käse eindringen können und mache ihn haltbarer.

Pilze zum Essen


Natürlich könne man Pilze auch einfach essen. Sie seien eine gute Proteinquelle und eine Alternative, wenn man auf Fleisch verzichten möchte. Es gebe eine Vielzahl von Speisepilzen, die auch gezüchtet werden können. Außerdem werden Sekundärmetabolite von Pilzen untersucht, die als Nahrungsergänzungsmittel nützlich sein könnten. "Dazu gibt es wenig Forschung und viel Scharlatanerie und Unsinn diesbezüglich im Internet. Da wäre ich sehr vorsichtig. Es gibt aber viel wichtigere Forschungsprojekte, in denen Sekundärmetabolite von Pilzen untersucht werden, die beispielsweise in der Krebstherapie eingesetzt werden könnten", erklärt die Forscherin.

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