Berlin. In Deutschland haben im vergangenen Jahr 12.300 Migranten einen Schutztitel erhalten, die zuvor bereits nachweislich in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt worden waren. Das berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf).
Die Behörde entschied demnach 2023 insgesamt über 16.500 Asylanträge von Zuwanderern, denen in Griechenland bereits ein Schutzstatus zuerkannt wurde, bei 1.900 erledigte sich das Verfahren, etwa weil sie in ein anderes Land weiterzogen und 2.300 von ihnen erhielten eine Ablehnung, teilte das Amt der Zeitung mit. Die wichtigsten Herkunftsnationalitäten waren Afghanistan und Syrien.
Dass in Griechenland bereits anerkannte Asylbewerber, die weiterziehen und in Deutschland einen neuen Antrag stellen, nicht zurückgeschickt werden, ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Wichtigster Grund für die seit Jahren verschwindend geringen Rücküberstellungen sind mehrere Verwaltungsgerichtsurteile, die wegen zu geringer Sozialversorgung in Griechenland die Abschiebung als menschenunwürdig beurteilten.
In den Behörden sorgt außerdem für Unmut, dass die Bundesregierung beziehungsweise das dafür zuständige Innenministerium von Nancy Faeser (SPD) die Urteile weitreichend auslege. "Dass die Überstellungen nach Griechenland nicht nur für jene, die dort mit einer erheblichen Wahrscheinlichkeit von Sozialleistungen abhängig wären, ausgesetzt sind, sondern auch für junge, gesunde Männer, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dort Arbeit finden würden und gar nicht die als zu niedrig beurteilten Sozialleistungen benötigen, liegt nicht an den Gerichten, sondern im Entscheidungsspielraum des Bundesinnenministeriums", heißt es aus damit befassten Behörden. Faesers Behörde antwortet zu diesem Vorwurf, die Gerichte stützten ihre Urteile "auch auf Erkenntnisse, wonach diese Personen de facto keinen Zugang zu Arbeit haben".
Mit der anstehenden EU-Asylreform könnte die Weiterwanderung einer großen Gruppe von Asylzuwanderern nach Deutschland sogar erleichtert werden. Künftig sollen Migranten mit geringer Aussicht auf eine Anerkennung per Grenzverfahren in den Ersteinreisestaaten geprüft werden. Für die dort abgelehnten Asylbewerber sollen die Länder aber nur 15 Monate zuständig bleiben.
In der bisher nicht veröffentlichten, aktuellsten Fassung der Asylmanagementverordnung vom 2. Februar heißt es laut der "Welt am Sonntag" in Artikel 27: Die Zuständigkeit für einen Asylsuchenden "endet 15 Monate nach einer rechtskräftig ablehnenden Entscheidung". Sobald ein "Antrag nach diesem Zeitraum" in einem anderen EU-Staat gestellt werde, gelte "dieser als neuer Antrag". Aus Kreisen der EU-Kommission heißt es zu dieser 15-Monatsfrist: "Dieses Zugeständnis musste den Ersteinreisestaaten in den Verhandlungen gemacht werden."
Alexander Throm, innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, kritisiert: "Das ist eine Kapitulationserklärung des EU-Asylsystems vor dem hunderttausendfachen Rechtsmissbrauch, den wir schon heute erleben. Kein Wunder, dass andere EU-Staaten zustimmen, wenn sie nach 15 Monaten die Verantwortung für abgelehnte Asylbewerber loswerden."
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