Region. Am Montag machten die Landwirte ihrem Ärger Luft. Mit Straßenblockaden, Trecker-Korso und Parolen protestierten sie gegen die geplanten Kürzungen der Bundesregierung. An ihrer Seite viele Spediteure und andere Unterstützer. Um auf die für sie dramatische Situation hinzuweisen, bedienten sich einige der Protestler allerdings einer sehr drastischen Symbolik. Man sah Galgen und Särge - das sorgte im Nachgang für scharfe Kritik. Ist das noch erlaubt? regionalHeute.de hat ein paar politische Reaktionen gesammelt und auch bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt.
Besonders für Aufsehen sorgte ein großer aufgestellter Galgen auf dem Marktplatz in Gifhorn. Um ihn herum versammelten sich die Demonstranten, sangen die Nationalhymne. Die Politik fand das gar nicht lustig, eher geschmacklos.
Stimmen aus der Politik
Sandra Zecchino, Mandatsträgerin für die Linke im Rat der Stadt Gifhorn und Vorsitzende von die Fraktion:
"Vorweg möchte ich klarstellen, dass es mir nicht um die Demonstrationen der Landwirte im Allgemeinen geht. Egal ob von Landwirten mit ihren Treckern oder von den Aktivist:innen der letzten Generation, der Prostet und die Demonstrationsfreiheit ist eine der Grundsäulen unsere Demokratie, die auch dann geschützt werden muss, wenn wir alle etwas länger im Stau stehen.
Doch eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten bzw. politische Straftaten im Allgemeinen haben auf einer solchen Kundgebung nichts verloren. Es reicht nicht aus, sich von Symbolen, wie dem Galgen mit der Ampel zu distanzieren, wie das Landvolk Niedersachsen oder der Deutsche Bauernverband gemacht haben. Es muss auch dafür gesorgt werden, dass diese Distanzierung umgesetzt wird.
Leider ist in Gifhorn genau das Gegenteil geschehen. Der Galgen füllte den Großteil der Fläche des Kundgebungs-Fahrzeuges. Nun muss geklärt werden, wie es zum einen dazu gekommen ist und warum es während der Kundgebung nicht unterbunden wurde."
Eine entsprechende Anfrage hat die Fraktion bereits an die Verwaltung gestellt.
Martin Neuhäuser (SPD):
"Die Proteste haben sich seit längerer Zeit angekündigt und niemand kann unseren Landwirten das Recht absprechen, für ihre Anliegen lautstark einzutreten. Dabei spielt es keine Rolle ob man die Anliegen teilt oder eine andere Auffassung vertritt. Die Landwirten haben das Recht ihren Unmut zu äußern und Änderungen zu fordern. Was aber für Befremden sorgt ist, wenn auf dem Marktplatz unserer Stadt mehrere hundert Menschen vor einem Galgen stehen und die deutsche Nationalhymne (versuchen) zu singen. Ganz gleich, mit welchen Worten man versuchen möchte diesen Galgen mit gehängter Ampel zu erklären, eines steht fest. Wenn ein Kind fragt was ein Galgen ist, kann die Antwort nur lauten: ein solches Gestell wird gebaut um Menschen zu erhängen, um Menschen zu töten.
Einen solchen Galgen im Rahmen einer Demonstration zu nutzen, ist nicht nur mehr als ein schlechter Scherz. Es ist niveaulos. Als SPD in Gifhorn möchten wir alle Beteiligten dazu aufrufen auf derlei Konstruktionen zu verzichten. Nicht allein um der Reputation Willen. Es geht um Anstand.
Die bisherigen Proteste liefen friedlich und niemand muss Angst haben mit den Landwirten ins Gespräch zu gehen. Das sollte so bleiben. Damit es so bleibt, sollten die Landwirte auf gewalttätige Symbole wie den Galgen verzichten."
Anke Klitzke (Grüne):
"Auf einer Protestaktion in Gifhorn wird das Podium für die Redner*innen mit einem Galgen „geschmückt“, an dem eine Ampel hängt. Zuletzt hatten die Deutschen während des faschistischen Terrors in der Endphase des Zweiten Weltkriegs öffentlich Galgen errichtet.
Protestaktionen und Demonstrationen sind ein hohes Gut unserer Demokratie, sie mit einer solchen Symbolik zu missbrauchen ist wiederum eine Überschreitung demokratischer Grenzen, die wir GRÜNE scharf verurteilen. Wir sind froh, dass sich bereits viele Organisationen, Bäuerinnen und Bauern von den extremistischen Kräften distanziert haben, hier darf nichts aus dem Ruder laufen. Wir alle müssen für unsere Demokratie einstehen."
Das sagt die Staatsanwaltschaft
Zu den Protesten in und um Braunschweig fragte regionalHeute.de bei der Staatsanwaltschaft an, inwiefern die verwendete Symbolik auch juristisch relevant sein könnte. So seien andernorts bereits Ermittlungen aufgenommen worden, da bei Protesten Särge und Galgen gezeigt worden sind.
Wie die Staatsanwaltschaft Braunschweig mitteilt, seien bislang noch keine Sachverhalte gemeldet worden. Auch bei der für Gifhorn zuständigen Staatsanwaltschaft Hildesheim seien keine Verfahren eingegangen. Sollten entsprechende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat bestehen, werden diese noch von der Polizei in Form eines Ermittlungsverfahrens übergeben.
Grundsätzlich sei eine pauschale Einschätzung nicht möglich. Hier müsste jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob tatsächlich ein Straftatbestand vorliegt. Allerdings: Zu dem Beispiel mit dem Galgen könne, "je nach konkreter Ausgestaltung, durchaus ein strafbares Verhalten gemäß Paragraph 111 StGB oder auch Beleidigung gemäß Paragraph 185 StGB in Betracht kommen", so die Staatsanwaltschaft Braunschweig.
Ob die Aktion der Landwirte also Konsequenzen haben wird, hängt auch davon ab, ob seitens der Polizei ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. Zumindest in Gifhorn war dies bislang nicht der Fall, wie die Polizei am heutigen Mittwoch auf Anfrage von regionalHeute.de bestätigte.
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