Berlin. Altbundespräsident Joachim Gauck plädiert im Ringen um Lösungen in der Flüchtlingskrise für "Entschlossenheit" und "mitunter auch Härte". "Einwanderung kann nicht unbegrenzt erfolgen, wir haben die unkontrollierte Einwanderung einzuhegen", sagte er der "Bild" (Montagsausgabe).
Die Politik habe unter dem "Druck der Realität" einlenken müssen, allerdings viel zu spät: "Vor einem halben Jahr wäre das in Teilen der Grünen Partei oder der Sozialdemokratie überhaupt nicht zu vermitteln gewesen." Gauck machte auch klar, dass es beim Thema illegaler Migration ein Wunschdenken gebe: Im Grunde sei es etwas Gutes, aufnahmebereit für Flüchtlinge zu sein, "und deshalb fürchtet sich die Politik dann vor Entscheidungen, wie sie nun doch vor Weihnachten fällig wurden". Dabei hätte die Regierung in dieser Frage die Mehrheit der Bevölkerung sogar auf ihrer Seite gehabt. Der Altbundespräsident warnte auch vor einem laschen Umgang mit radikalen Strömungen in der Gesellschaft und "Andersartigkeit automatisch mit Anerkennung und Respekt zu begleiten".
Gauck: "Manches muss kritisiert, unter Umständen sogar bestraft werden. Warum hat es beispielsweise so lange gedauert, bis die ersten islamistischen Organisationen verboten wurden, die Migranten in Distanz zu den Werten der offenen Gesellschaft halten und diese Werte gar als verachtenswert darstellen und bekämpfen?" Gauck erteilte möglichen Koalitionen mit der AfD eine scharfe Absage: "Mit der derzeitigen AfD und ihrer Feindschaft gegenüber der liberalen Gesellschaft wird es keine Koalition geben können." Gefragt nach dem richtigen Umgang mit der AfD antwortete der Altbundespräsident: "Die richtige Form ist, Nazis Nazis zu nennen, Rechtsbrecher zu bestrafen und in den Knast zu bringen. Doch mit Leuten, die Angst haben, wohin die Demokratie driftet, weil es zu viel Veränderung gibt, gilt es, anders zu reden als mit richtigen Demokratiefeinden. Mit ihnen muss eine inhaltliche Auseinandersetzung geführt werden: Wollen wir wirklich raus aus der EU? Wollen wir wirklich einen putinfreundlichen Kurs? Wollen wir uns abkoppeln von Amerika?" In der Debatte um härtere Sanktionen für arbeitsfähige Stütze-Empfänger verteidigte Gauck den erhöhten Druck: "Fördern und Fordern beschreibt die Verbindung von bürgerlichen Rechten und Pflichten, eigentlich eine Form, gemeinsam miteinander zu leben, die sich immer als hilfreich erwiesen hat. Für den Einzelnen, aber auch für das Gemeinwesen. Wenn wir anfangen, Arbeit ausschließlich als Last für Menschen zu definieren, dann stimmt etwas nicht im öffentlichen Bewusstsein. Wir tun Menschen nichts Böses, wenn wir etwas von ihnen fordern."
Das wisse auch jede Mutter und jeder Vater aus Erfahrung mit ihren Kindern: "Jedes Elternpaar erlebt es, wenn es sein Kind an ein Musikinstrument heranführt, jeder Fußball-Übungsleiter erlebt es in der Dorfmannschaft mit seinen Jungs oder Mädels: Wenn wir nichts fordern von den Kids, dann gibt es keine Entwicklung." Trotz der vielen Krisen blickt Gauck optimistisch aufs neue Jahr: "Ich bin nicht zuständig in Deutschland fürs Bange sein und Angst haben. Ich bin überzeugt, wir haben viele gute Gründe, um auch das neue Jahr mit Zuversicht zu beginnen. Wir leben in einem Raum der Freiheit, des Friedens und des Rechts. Er ist zwar bedroht durch äußere und innere Feinde. Aber wir, die Bürger, sind ja auch da. Mit offenen Augen und dem festen Willen, das zu bewahren und zu verteidigen, was wir errungen haben und was uns ans Herz gewachsen ist."
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