Was auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher, leicht heruntergekommener Hof in der mexikanischen Region Jalisco erscheint, entpuppte sich im Frühjahr des Jahres 2025 als einer der grausamsten Tatorte des mexikanischen Drogenkrieges seit 2006. Auf der "Rancho Izaguirre" in der Nähe der Stadt Teuchitlán wurden nicht nur Massengräber, sondern auch mutmaßlich geheime Verbrennungsanlagen gefunden.
Aber auch Spuren systematischer Gewalt, die das Ausmaß des Terrors erschütternd deutlich machen, kamen zum Vorschein. Besonders der Terror des mittlerweile mächtigsten mexikanischen Drogenkartells. Der Name ist aber nicht der des "Sinola-Kartells" oder das "Medellín-Kartell". Es ist das "Cártel de Jalisco Nueva Generación (CJNG)". Und sein Anführer Nemesio Oseguera, genannt El Mencho, kennt keine Gnade.
Ein Ort des Schreckens – zwischen Lager und Exekutionsstätte
Was auf dem Gelände der "Rancho Izaguirre" entdeckt wurde, übertrifft das Vorstellbare: Leichenteile, verbrannte Körper, Kleidung, Schuhe, persönliche Gegenstände – ein Bild systematischer Vernichtung. Wie der US-amerikanische Nachrichtensender CNN in einem Artikel berichtete, handele es sich um einen der größten Funde dieser Art im mexikanischen Bundesstaat Jalisco. Die Ermittler sollen dabei drei mutmaßlich improvisierte Öfen zur Verbrennung von Leichen gefunden haben. In Interviews mit Angehörigen von Vermissten sowie mit den Suchgruppen sei deutlich geworden, dass das Gelände seit Jahren im Verdacht stand, als Massengrab zu dienen.
Auch die Vereinten Nationen (UNO) reagierten auf den Fund. Die Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros, Liz Throssell, sprach in einer Pressemitteilung von einem "erschütternden Beweis für das Versagen staatlicher Schutzmechanismen" in Mexiko. Die hohe Zahl Verschwundener – laut offiziellen Zahlen mehr als 110.000 – zeuge von einer tiefen humanitären Krise, die durch Entdeckungen wie jene auf der Rancho Izaguirre greifbar werde.
Der Anfang: Ein Fund durch Suchende, nicht durch Behörden
Die grausamen Entdeckungen gehen jedoch erstaunlicherweise nicht auf eine gezielte Ermittlung staatlicher Behörden zurück. Es war die Suchgruppe der "Guerreros Buscadores de Jalisco", die den entscheidenden Hinweis lieferte. Laut dem argentinischen Portal "Infobae" sei das Gelände der Rancho Izaguirre bereits 2024 durch die Guardia Nacional gesichert worden, allerdings ohne dass die Öffentlichkeit umfassend informiert wurde. In sozialen Netzwerken wurde zwar auf die erste Beschlagnahmung hingewiesen, aber konkrete Maßnahmen zur Aufklärung der Vorfälle blieben wohl aus.
Erst Monate später, im März 2025, haben die Suchenden furchtbare Entdeckungen auf dem Gelände gemacht; Anlass soll gemäß den Angaben der Gruppe ein anonymer Anruf gewesen sein: Gefunden wurden drei provisorische Öfen zur Verbrennung menschlicher Körper, verbrannte Überreste, hunderte Kleidungsstücke, Schuhe und persönliche Dokumente. Das Gelände soll zudem als Trainingslager für Kartellmitglieder gedient haben, so ein anderer Bericht von "Infobae".
Die Stimme der Überlebenden – "María" erhebt Anklage
Besonders eindrücklich ist der Bericht einer Überlebenden mit dem Namen "María", die in spanischsprachigen Medien wie "La Nota" und "Guillermo Ortega" über ihre dreijährige Gefangenschaft auf der "Rancho Izaguirre" spricht. Laut ihrer Aussage seien dort systematisch Menschen getötet, Leichen verbrannt und Frauen wie sie gefoltert worden. Sie beschreibt unter anderem, wie man sie gezwungen habe, Gräber auszuheben, und spricht von über 1.500 Personen, die sie in ihrer Zeit dort gesehen haben will.
Ihre Berichte stehen jedoch in einem klarem Widerspruch zur Darstellung der mexikanischen Behörden. Einem Artikel von "Reuters" zufolge, betonte Sicherheitsminister Omar García Harfuch, es habe sich bei der Anlage nicht um ein Vernichtungslager, sondern um ein Ausbildungslager gehandelt. Der Diskurs zeige womöglich einmal mehr die tiefen Gräben zwischen staatlicher Kommunikation und zivilgesellschaftlicher Aufklärung.
Sie sollen verantwortlich sein: Das CJNG als Terrororganisation
Die Vorgehensweise des CJNG, das die Ranch laut verschiedenen Berichten kontrolliert haben soll, erinnert in grausamer Weise an Praktiken dschihadistischer Gruppen im nahen Osten. Erneut zeigte "Infobae" bereits 2020 die erschreckenden Parallelen zwischen dem Kartell und dem sogenannten Islamischen Staat – etwa in der Art der Rekrutierung, öffentlichen Exekutionen und gezielter Einschüchterung durch medienwirksame Gewalt auf.
Die Vergangenheit zeigt zudem, dass das CJNG auch in militärisch extreme Auseinandersetzungen mit dem Staat verwickelt war. Ein Bericht der "Zeit" erinnert an den großangelegten Angriff auf Sicherheitskräfte im Jahr 2015, dasselbe Jahr in welchem sogar ein Militärhubschrauber abgeschossen wurde. Acht Soldaten kamen dabei ums Leben. Diese Details dazu lieferte "Proceso", wobei hier von neun Todesopfern dieses Vorfalls die Rede ist, nämlich einem zusätzlichen Bundespolizisten.
Die Folgen: Politische Versäumnisse, tote Suchende, unsichtbare Täter
Die Besitzverhältnisse der Rancho Izaguirre sind bis heute ungeklärt geblieben, wie "Milenio" berichtet. Weder der Eigentümer noch die Ketten der Komplizenschaft wurden bislang vollständig ermittelt.
Besonders tragisch: Nach den Funden wurde eine als „buscadora“ aktive Mutter ermordet, die ihren Sohn suchte – womöglich in direktem Zusammenhang mit den Entdeckungen. Insgesamt wurden nach Angaben von "El Occidental" mit heutigem Stand 15 Personen in Zusammenhang mit dem Fall verhaftet.
Wandel durch Reform? Der Staat reagiert – allerdings zu spät
Im Internet zeugen die Kommentare vieler Menschen auf der Maps-Seite "Izaguirre ranch" (2,5 Sterne-Bewertung) von der Wut auf die mexikanische Regierung. So schrieb ein User: "Rancho Izaguirre – Symbol des moralischen Zusammenbruchs des mexikanischen Staates. Die organisierte Kriminalität operierte hier ungestraft, während die Regierung sie ignorierte, zuließ oder vertuschte. Unter der Politik „Umarmungen statt Kugeln“ wurden der Staat und die Drogenhändler nicht mehr zu unterscheiden".
Im Zusammenhang mit dem Fund in Teuchitlán versicherte die mexikanische Präsidentin Sheinbaum, dass umgehend die nationale Suchkommission und die Generalstaatsanwaltschaft (FGR) eingeschaltet worden seien. Ziel sei eine tiefgehende, transparente Aufklärung des Falls. Des Weiteren habe Sheinbaum einem umfassenden Beitrag des Finanzmagazins "EL ECONOMISTA" zufolge in einer nationalen Ansprache neue Maßnahmen vorgestellt, um die "Krise der Verschwundenen" und der somit noch nicht aufgefundenen Personen in Mexiko wirksam bekämpfen zu können. Sie bezeichnete das Thema als "nationale Priorität" und versprach dabei Wahrheit, Gerechtigkeit und umfassende Unterstützung für die Opfer und ihre Angehörigen.
Kernpunkte der Reformen sollen sein:
- Stärkung der Nationalen Suchkommission durch mehr technische Mittel und Kapazitäten, inkl. besserer Kontextanalysen mittels neuer Technologien.
- Einheitliches Personenregister (CURP): Als zentrale Datenquelle zur Identifikation von Personen – auch zur besseren Lokalisierung von Vermissten.
- Zentrale forensische Datenbank: Einrichtung eines nationalen Systems zur Sammlung und Auswertung forensischer Daten.
- Zentrum für menschliche Identifikation: Ausbau der Plattform für Identifikationstechniken wie DNA-Analyse – in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen und Staatsanwaltschaften.
- Wegfall der 72-Stunden-Regel: Sofortige Ermittlungen bei Vermisstenfällen statt bisheriger Wartezeit.
- Angleichung des Tatbestands "Verschwindenlassen" an Entführung: Einheitliche Strafverfolgung und härtere Sanktionen in allen Bundesstaaten.
- Regelmäßige Transparenzberichte: Monatliche Veröffentlichung der offiziellen Zahlen zu laufenden Ermittlungen.
- Stärkung der Opferhilfestelle (CEAV): Mehr rechtliche und psychologische Unterstützung für Angehörige von Vermissten.
Die Opfer werden immer jünger
Nach einer Recherche der "Tagesschau" vor Ort kommt eine weitere Tragödie ans Licht. So würden immer mehr junge Menschen in der Gewaltspirale der Drogenkartelle Mexikos landen. Ein Beispiel ist die Geschichte von Karim, einer jungen Frau aus Guadalajara. Ihr Bruder hätte zunächst als Fahrer für das CJNG angefangen und sei später zum Auftragskiller aufgestiegen. Karim beschreibt weiter im Beitrag, wie sie in einem Umfeld aufwuchs, in dem die Präsenz des Kartells allgegenwärtig war: "Du wächst in diesem System auf. Du hast keine Angst, du siehst darin auch kein Problem. Dich überrascht nichts".
Die Kartelle nutzen hierzu gezielt soziale Medien wie TikTok, Facebook und Twitter, um Jugendliche mit Versprechungen von Wohlstand und Zugehörigkeit zu ködern. Laut einer in der Zeitschrift "Science" veröffentlichten Studie aus dem September des Jahres 2023 zählen die mexikanischen Kartelle mit schätzungsweise 160.000 bis 185.000 Mitgliedern zu den größten "Arbeitgebern" des Landes. Wöchentlich werden etwa 370 neue Mitglieder rekrutiert, viele davon Jugendliche ohne Perspektive.
Drogenkriminalität auch in der Region ein Thema
Die internationalen Netzwerke der Drogenkartelle und Mafia reichen erstaunlicherweise bis nach Braunschweig. Hier wurde im Juli des Jahres 2024 ein 33-jähriger Deutsch-Türke festgenommen, die Staatsanwaltschaft drohte mit bis zu 12 Jahren Haft. Der "Braunschweiger Zeitung" nach habe der Mann kiloweise Stoff aus dem europäischen Ausland bezogen und als Zwischenhändler an andere Verkäufer der Substanz in Braunschweig und dem Umland verkauft. Damals wurden vom Landgericht Braunschweig nur zwei Prozesstage zur Verkündigung der harten Strafe benötigt.