Moskau. Interne Dokumente aus dem russischen Auslandsgeheimdienst SWR zeigen Deutschland als Ziel von Moskaus Einflusskampagnen. Laut einem Strategiepapier eines erfahrenen SWR-Abteilungsleiters, das er vom Frühjahr 2022 an erarbeitete, gehe es vor allem darum, in Europa "Angst" zu erzeugen, berichten der "Spiegel" und die Investigativplattform "The Insider" unter Berufung auf die Unterlagen.
Das Unterbewusstsein des Zielpublikums müsse durch "kognitive Attacken" mit "Panik und Horror überwältigt werden", heißt es darin. Russland müsse sich darauf konzentrieren, einen Keil zwischen die Ukraine und seine Unterstützer zu treiben - um die westlichen Gesellschaften zu spalten.
"Das dankbarste Thema ist im Moment das der ukrainischen Flüchtlinge, die aktiv die europäischen Sozialsysteme in Anspruch nehmen", schreibt der Geheimdienst-Stratege weiter. Die "zunehmenden Ansprüche ukrainischer Migranten und die dadurch hervorgerufenen Irritationen der lokalen Bevölkerungen" seien nach seiner Einschätzung "ein hocheffizientes Thema für die Netzkriegsführung in der EU". Generell brauche es künftig "zielgerichtetes, aktives und offensives" Vorgehen. In den Zielländern müsse man Konflikte betonen sowie Proteste schüren und "eskalieren".
Auslöser der SWR-Überlegungen war eine aus russischer Sicht ernüchternde Bestandsaufnahme nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022. Die Strategie, auf eigene Propagandasender wie "Sputnik" und "RT" zu setzen, zeige "seit Jahrzehnten eine Effektivität nahe null", heißt es in dem Dokument. Auch der "vergleichsweise frische Trend, loyale Telegram-Kanäle zu unterstützen", erfülle nicht die Erwartungen.
Das Papier sieht nicht nur geheime Einflussoperationen im Netz vor, sondern propagiert auch inszenierte Protestaktionen. "Über die Organisation von Massenprotest-Events in der EU", ist ein Abschnitt überschrieben. Die ideale Teilnehmerzahl dafür wird auf bis zu 100 Leute taxiert. Die angeheuerten Demonstranten seien mit jeweils 100 Euro zu vergüten. Es gehe nicht nur um den Straßenprotest selbst, sondern um die dabei entstehenden Fotos und Videos, also Material für spätere Internet-Kampagnen.
Tatsächlich gab es Proteste in europäischen Ländern, die zu dieser Handlungsanleitung passen: In Paris, Brüssel, Den Haag und Madrid waren 2023 teils dieselben Männer aufgetaucht, um gegen die Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine zu protestieren.
Die russische Botschaft in Berlin reagierte nicht auf eine Anfrage des "Spiegels", auch der SWR-Abteilungsleiter äußerte sich nicht zu den Dokumenten.
mehr News aus der Region