Artenschutzzentrum in Not: Keine Einnahmen, immer mehr Tiere

Die Einnahmen fallen weg – aber immer mehr Tiere werden gebracht. Dabei braucht nicht jedes Tier zwingend Hilfe.

Die meisten kleinen Häschen brauchen die menschliche Hilfe nicht. Dennoch werden sie von übereifrigen Tierschützern oftmals aufgelesen. Symbolbild.
Die meisten kleinen Häschen brauchen die menschliche Hilfe nicht. Dennoch werden sie von übereifrigen Tierschützern oftmals aufgelesen. Symbolbild. | Foto: Pixabay

Leiferde. Die Corona-Krise trifft das NABU-Artenschutzzentrum in Leiferde mit voller Wucht, und das gleich doppelt: Das Zentrum, das seit Jahrzehnten sowohl als Aufnahmestation für Wildtiere, die nach ihrer Genesung wieder in die Natur ausgewildert werden – tausende in jedem Jahr – als auch für beschlagnahmte Exoten von Papagei bis Schlange dient, ist in großer Not. Durch die Pandemie streifen immer mehr Menschen durch die freie Natur und bringen somit auch mehr Tiere zum Schutzzentrum. Zeitgleich fallen jedoch Veranstaltungen weg und die Einnahmen durch Spendengelder bleiben aus, wie der NABU in einer Pressemitteilung berichtet.


Leiterin Bärbel Rogoschik umreißt die Situation: „Wir haben seit Jahren steigende Anzahlen bei uns eingelieferter Tiere festzustellen, oft bis an den Rand des noch Handhabbaren. Nun mussten wir unsere Praktikanten, FÖJler und Bundesfreiwilligen aufgrund der Pandemie nach Hause schicken – wir stehen arbeitsmäßig mit dem Rücken zur Wand, weil die Tiere natürlich weiter versorgt werden müssen“, berichtet Rogoschik. „Und bei uns kann niemand ins Homeoffice – man kann ja nicht mal eben 50 Tiere mit nach Hause nehmen!“ Nur eine kleine Stammbesetzung müsse jetzt die Station am Laufen halten – mit angespannten Nerven.

Nun komme jedoch ein bedrohlicher Umstand der Krise hinzu: „Die Veranstaltungen, allen voran das bei den Menschen der Region und darüber hinaus beliebte Storchenfest mit seinen 5.000 Besucherinnen und Besuchern, aber auch Führungen fallen weg – und damit auch die Spenden, die wir als feste Einnahmen dringend brauchen. Wir müssen schon jetzt davon ausgehen, dass uns hohe fünfstellige Summen fehlen werden!“, schlägt Bärbel Rogoschik Alarm.

Und – was das Ganze enorm verschlimmere: „Im Zuge der Pandemie haben viele Menschen sehr viel Zeit, bauen Überstunden ab, streifen durch die Natur oder sind im Garten aktiv – eigentlich wunderbar. Und von uns durchaus gewollt, damit sich die Naturentfremdung verringert. Aber, und dies ist ein großes ‚aber‘, dadurch werden uns wesentlich mehr Tiere gebracht, gerade jetzt!“ Die Leiterin berichtet von Tieren, die in Gärten aus dem Winterschlaf gerissen wurden, insbesondere Igeln und Siebenschläfern, sowie von nur vermeintlich „hilflosen“ Tieren wie jungen Hasen, die aus Feldern aufgelesen wurden, obwohl sie keiner Hilfe bedürfen, sondern sich nur – wie es ihrer Art zu eigen ist – beim Herannahen von Menschen an den Boden geduckt haben. „Hier verkehren sich Unkenntnis und Tierliebe ins Gegenteil – und dann landen die Tiere bei uns“, zeigt Bärbel Rogoschik auf. Auch junge Eichhörnchen werden gebracht, die teilweise durch Unkenntnis und menschliches Fehlverhalten von ihren Müttern getrennt werden.

Zeit der jungen Vögel kommt erst noch


„Wir mögen noch gar nicht daran denken, wie es in Kürze aussehen wird, wenn wir mit Jungvögeln überschwemmt werden, die in festen und kurzen Intervallen einzeln gefüttert werden müssen“, sagt die Zentrumsleiterin der größten niedersächsischen Aufnahmestation, in der sich zahlreiche Tiere in den Volieren, Terrarien und dem Außengelände befinden, von der Sumpfschildkröte bis zum Uhu, von Enten bis zum Weißstorch, von Schlangen bis zum Kakadu. „Wenn dann die Gelder fehlen, auch für das Spezialfutter, das wir für viele Tiere, für das Heer der tschilpend und piepend nach Futter bettelnden Jungvögel, brauchen – dann könnte es sehr eng werden. Das ist die ernsteste Situation, in der wir uns je befunden haben“, berichtet Bärbel Rogoschik.

Zugleich freue sie sich über Gesten der Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung, „die uns Mut geben in schwerer Zeit: So erreichte uns ein anonymer Umschlag mit einer Spende, die Übernahme von Patenschaften unserer Tiere oder ein netter Herr, der zukünftig Obstbäume schneiden möchte und um eine Spende für das NABU-Artenschutzzentrum bittet. Jeder Cent zählt – für all unsere Tiere!“ Die Zentrumsleiterin weiß, dass sich die Situation für ihre Mitarbeiter und sie weiter verschärfen wird, und appelliert an die Bevölkerung, das NABU-Artenschutzzentrum Leiferde, das weit über Niedersachsens Grenzen bekannt ist, jetzt zu unterstützen: „Die Tiere brauchen es. Auch sie sind in bitterer Not. Unsere Pflegetiere können nichts dafür, wir haben für sie die Verantwortung. Helfen sie uns dabei.“

Wer helfen möchte, findet auf der Homepage des Artenschutzzentrums zahlreiche Möglichkeiten.


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