Gifhorn. Am Dienstag, 11. Februar, verlegt „Stolperstein-Initiator“ Gunter Demnig in Gifhorn und Kästorf insgesamt sieben weitere Stolpersteine. Es ist das vierte Mal, dass in Gifhorn in dieser Form an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird. Darüber informiert die Stadt Gifhorn in einer Pressemeldung.
„Es gab zuweilen eine mörderische Nachbarschaft. Wen man nicht mochte, der wurde möglichst ausgerottet.“ Der Historiker Prof. Dr. Manfred Grieger spart nicht an drastischen Worten, wenn es um Erinnerungen an die Opfer des Nationalsozialismus geht. „Es geht nicht nur um bekannte Persönlichkeiten, sondern auch um Menschen aus der Nachbarschaft, die zu Opfer wurden.“ Sieben von ihnen werden in der neuen Stolpersteinbroschüre näher beschrieben, die der Historiker zusammen mit Mitgliedern der Arbeitsgruppe Stolpersteine und dem Team das Gifhorner Stadtarchivs zusammengestellt hat.
Gerichtsgefängnis im Gifhorner Schloss
Mit fünf Stolpersteinen im Schlosshof wird diesmal derjenigen gedacht, die im Gerichtsgefängnis im Gifhorner Schloss zwischen 1933 und 1944 wegen ihrer politischen Haltung oder einer kritischen Äußerung in Schutzhaft genommen wurden. Zwei weitere Stolpersteine werden auf dem Gelände der Diakonie Kästorf vor dem Eingang des ehemaligen Erziehungsheims Rischborn (Pappelweg 11) verlegt - für zwei Bewohner, die in der Zeit des Nationalsozialismus zwangssterilisiert wurden.
„Die Auswahl geschah zufällig und doch ist es gelungen, eine beachtliche Bandbreite an verschiedenen Geschichten zu verdeutlichen“, erklärt Grieger. „Es sind Geschichten, die erzählt werden sollten“, ergänzt Dr. Steffen Meyer von der Diakonie. „Danach fragen auch immer wieder interessierte Schulklassen.“ Rund 100 Schülerinnen und Schüler werden in diesem Jahr bei der Stolpersteinverlegung im Schlosshof dabei sein.
"Oft eine mühsame Kleinarbeit"
„So bleibt Geschichte nachvollziehbar und auch erlebbar“, betont Bürgermeister Matthias Nerlich. Die Geschichten der Menschen herauszufinden ist aber oft eine mühsame Kleinarbeit. „Dafür müssen wir immer wieder in verschiedenen Archiven recherchieren und schriftliche Anfragen stellen, manchmal auch vergeblich“, berichtet Archivleiterin Heike Klaus-Nelles. „Wir möchten auch, wenn möglich, mit den Nachkommen der Verfolgten in Verbindung treten.“ Alte Fotos zum Beispiel sind seltene Schätze für die Dokumentation. „Eine betroffene Familie aus Braunschweig hatte noch ein Hochzeitsfoto von ihrem Familienmitglied – es ist das einzige, das es noch gibt.“
So seien vor allem Ablichtungen aus alten Akten wertvolle Zeitzeugen von zum Teil unfassbaren Geschichten der Menschen, die damals in sogenannter „Schutzhaft“ in Gifhorn einsaßen. „Solche Begriffe leisten einer Kultur des Verschweigens Vorschub. Mit Verschweigen macht man die Dinge aber nicht ungeschehen“, mahnt der ehemalige Ratsvorsitzende Willy Knerr, der sich in der Arbeitsgruppe Stolpersteine stark engagiert.
Vortrag am Vortag
Einen Tag vor der Verlegung, am Montag, 10. Februar, um 18:30 Uhr hält Gunter Demnig im „Mehrgenerationenhaus Omnibus“ (Steinweg 20) einen Vortrag über das Projekt Stolpersteine. Der Eintritt ist frei, um Voranmeldung wird gebeten unter Dr.Steffen.Meyer@dachstiftung-diakonie.de oder telefonisch 05371 721-212. Die neue Stolpersteinbroschüre ist im Stadtarchiv und in der Stadtbücherei ab nächste Woche erhältlich und auch im Internet einsehbar.