Polizist nach rassistischem Ausraster verurteilt - Droht jetzt die Entlassung?

Ein Polizeibeamter soll während einer Abschiebung einen Mann rassistisch beleidigt und Gewalt angewendet haben. Nun fiel das Urteil.

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Symbolbild | Foto: pixabay

Gifhorn. Ein Polizist aus Gifhorn ist wegen Nötigung im Amt zu neun Monaten Haft auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden. Doch welche Folgen hat das für den Beamten über die strafrechtliche Verurteilung hinaus?



Wie das Amtsgericht Gifhorn auf Nachfrage von regionalheute.de berichtet, habe es das Gericht nach der Vernehmung von drei Zeugen, jeweils beim Vorfall mit anwesenden Polizeibeamten, als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte im Februar dieses Jahres während eines Polizeieinsatzes mit grundloser Gewalt und bedrohlich gegenüber einem ausreisepflichtigen Asylbewerber aufgetreten ist, den er dadurch gezwungen hat, teils erniedrigende Behandlungen zu erdulden.

Das war passiert


Der Angeklagte sollte den Mann von der Ausländerbehörde zum Zwecke der Abschiebung dem Richter vorführen und soll sich darüber geärgert haben, dass der Mann ihm und seiner Kollegin auf dem Weg zum Streifenwagen davonlief und in der fußläufigen Verfolgung auch nicht mehr von ihm gestellt werden konnte. Der Mitarbeiter der Ausländerbehörde soll den Flüchtigen weiter verfolgt und ihn schließlich gestellt und zur Aufgabe der Flucht bewegt haben.

Zwischenzeitlich herbeigerufene weitere Polizeibeamte übernahmen den Asylbewerber und hielten ihn gesichert am Arm. Der Angeklagte kam separat mit seinem Streifenwagen dazu und soll sich auf den bereits gestellten Mann gestürzt und zu Boden gebracht haben. Dort soll er den Mann auf den Bauch gedreht und mit dem Knie zwischen den Schultern fixiert haben. Während die Anklage noch von einer 10 minütigen Dauer ausging, ergab die Beweisaufnahme vor Gericht, dass das Niederdrücken nur 1 bis 2 Minuten gedauert hat.

Opfer rassistisch beleidigt


Dem Opfer, das klagte, keine Luft zu bekommen, habe der Angeklagte zur Überzeugung des Gerichtes dann Schnee ins Gesicht geworfen mit den Worten „Friss das“ und - entgegen der Angaben des Angeklagten, der sich nur über das Opfer geärgert haben will und an keine rassistischen Äußerungen erinnern könne - als „scheiß Ausländer“ und „Pack“ beleidigt. Der mit einer Ausländerin verheiratete Angeklagte hatte die ausländerfeindlichen Beleidigungen in Abrede gestellt, während die Zeugen sie bestätigten, heißt es seitens des Gerichts.

Im weiteren Verlauf soll das Opfer gefragt haben, warum er festgenommen werde und nicht Grasdealer. Daraufhin soll der Angeklagte zur Überzeugung des Gerichtes nach den Aussagen der gehörten Zeugen gegenüber dem Opfer gesagt haben: „Die kriegen wir auch noch, erst einmal haben wir Dich gekriegt, Du bist das Gras und heute wird gemäht“.

Kollegin zeigte Vorfall an


Die vom Verhalten ihres Kollegen fassungslosen Beamten zeigten den Vorfall nach Rückkehr in der Dienststelle dem Vorgesetzten an und verfassten den Bericht zur weiteren Strafverfolgung. Der Angeklagte soll sich dann bei den Kollegen erkundigt haben, was überhaupt geschehen sei, da er sich in einem Tunnel befunden habe. Zudem soll der Angeklagte versucht haben, auf den Kollegen, der den Bericht schrieb, einzuwirken, dass die Beleidigungen „Scheiß Ausländer“ und die Drohung „Du bist das Gras und heute wird gemäht“, nicht im Bericht erscheinen solle.

Der Darstellung des Angeklagten, dass er die Aussagen nicht getätigt habe und sie deshalb nicht in den Bericht gehörten, schenkte der Strafrichter keinen Glauben und wertete das Nachtatverhalten als versuchte Einwirkung auf den Bericht als strafschärfend. Strafmildernd würdigte das Gericht die überwiegend geständige Einlassung des mit der Situation auch im Gerichtssaal überforderten Angeklagten, der sich nach dem Vorfall später bei der Kollegin entschuldigte, dass er ihr den Bericht und die Umstände zugemutet habe und erklärte, dass er sich vor sich selbst ekele und seine im Publikum sitzenden Kollegen nicht anschauen könne. Ebenso berücksichtigte das Gericht die von den Zeugen durchgängig bestätigte Tatsache, dass der Angeklagte zuvor in allen Dienstjahren nie gewaltbereit, aufbrausend oder gar ausländerfeindlich aufgefallen sei, sondern immer ruhig und besänftigend gewesen sei, weshalb die Entgleisungen und Ausraster nicht zu dem bisherigen Bild des Angeklagten passten und sie besonders geschockt haben.

Staatsanwaltschaft forderte 1 Jahr auf Bewährung


Die Verteidigung hatte die Mindeststrafe von 6 Monaten auf Bewährung, die Staatsanwaltschaft 1 Jahr auf Bewährung gefordert. Bei einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr wäre zwingend ein Berufsverbot die Folge gewesen, erklärt die Direktorin des Amtsgerichts Gifhorn, Dr. Melanie Kieler.

Mit dem Strafmaß habe das Gericht in der Zusammenschau der strafmildernden und strafschärfenden Umstände den Mindeststrafrahmen von 6 Monaten Freiheitsstrafe überschritten, eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr oder die Aussprache eines Berufsverbotes jedoch nicht für erforderlich erachtet. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Welche Konsequenzen drohen noch?


Doch über die strafrechtliche Verurteilung hinaus bleibt die Frage, welche Konsequenzen dem Beamten nun im Dienst drohen. Die Polizeidienststelle müsse nun selbst entscheiden, ob sie im Rahmen des gesondert noch durchzuführenden Disziplinarverfahrens den Beamten aus dem Dienst entfernt oder andere Maßnahmen ergreift, ihn gegebenenfalls degradiert, so Dr. Melanie Kieler.

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