Trotz NS-Problematik: Stadt Gifhorn will keine Straßen umbenennen

Eine Aufrechnung von Verdiensten mit Vergehen soll es nicht geben. Man will stattdessen lieber Aufklärungsarbeit leisten.

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Bundesweit wurden in den letzten Jahrzehnten diverse Carl-Diem-Straßen umbenannt. Die in Gifhorn könnte bleiben.
Bundesweit wurden in den letzten Jahrzehnten diverse Carl-Diem-Straßen umbenannt. Die in Gifhorn könnte bleiben. | Foto: Alexander Dontscheff

Gifhorn. Mit dem Ziel, gegebenenfalls Straßen umzubenennen, wurden im vergangenen Jahr die Biographien von insgesamt 62 Personen, die während der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 gelebt haben und nach denen in Gifhorn Straßen benannt worden sind, durch den Historiker Dr. Manfred Grieger wissenschaftlich untersucht (regionalHeute.de berichtete). Wie nun aus einer Beschlussvorlage der Verwaltung hervorgeht, möchte die Stadt nun doch keine Straßen umbenennen und stattdessen über die Hintergründe der Personen aufklären. Am Dienstag beschäftigt sich der Ausschuss für Jugend, Kultur und Soziales mit der Angelegenheit. Eine Entscheidung fällt der Rat im Oktober.


"Alle Straßennamen, die in der Stadt Gifhorn heute bestehen, bleiben erhalten", heißt es in der Vorlage. Dafür werde sich die Stadt Gifhorn intensiv mit den Biografien der Personen auseinandersetzen, nach denen in Gifhorn Straßen, Wege und Plätze benannt wurden, sowie mit den Umständen, die zu diesen Ehrungen geführt hätten. Die Stadt Gifhorn wolle ein breites und nachhaltiges Maßnahmenpaket umsetzen. Unter anderem seien die Erarbeitung und Herausgabe eines Buches über alle Gifhorner Straßennamen und die Herstellung und Anbringung von Unterschildern an den Straßenschildern mit QRCodes für weitergehende Infos geplant. Darüber hinaus soll für die künftige Vergabe von Straßennamen bis Ende 2020 ein neues Regelwerk erarbeitet werden.

Keine eindeutigen, belastbaren Kriterien


Dass man sich nicht wie im Jahr 2013 im Falle des ehemaligen Gifhorner Stadtdirektors Dr. Dr. Rattay für Umbenennungen ausspreche, habe mehrere Gründe. Vor allem sei die Ambivalenz der jeweiligen Personen zu nennen. Es gebe keine eindeutigen, belastbaren Kriterien für die Abstufung von Verstrickungen in das nationalsozialistische System als Grundlage für die Entscheidung, ob eine Ehrung abzuerkennen sei oder nicht.

Die Untersuchung in Gifhorn habe 16 Namen ergeben, nach denen Straßen und Plätze benannt worden seien und die sie sich in unterschiedlichem Maße für das NS-Regime engagiert hätten. Dies seien (in alphabetischer Reihenfolge) Dr. Konrad Beste, Jakob Büchel, Dr. Carl Diem, Gerhard Fieseler, Paul von Hindenburg, August Horch, Ludwig Kratz, Bruno Kuhn, Ferdinand Porsche, Dr. Ulrich Roshop, Ferdinand Sauerbruch, Erich Schaper, Heinrich Scharpenberg, Alfred Teves, Wilhelm Thomas und Herbert Trautmann. Eine Aufrechnung ihrer Verdienste mit Vergehen im Sinne einer Gesamtrechnung sei kein taugliches Mittel für die Beurteilung der Lebensleistung von Personen zur Entscheidung über die Beibehaltung eines Straßennamens, so die Verwaltung.

Erinnern und mahnen wichtiger als umbenennen


Man vertrete dagegen die Ansicht, dass der wichtigste Schritt für die heutige und künftige Generationen die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte sei. Die ständige Arbeit des Erinnerns und Mahnens sei wichtiger als die Umbenennung einer Straße. Letzteres berge die Gefahr in sich, dass die Taten der Person, nach der die Straße benannt war, nach der Umbenennung als aus der Geschichte „ausradiert“ betrachtet werde. Die Umbenennung der Rattay-Straße habe 2013 ein Zeichen gesetzt und sei das Symbol für das Bemühen der Stadt Gifhorn, sich kritisch mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen.


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