Region. Corona hat das Leben in Deutschland und weltweit grundlegend verändert. Frauen leisten in der aktuellen Krise einen immensen Beitrag für die Gesellschaft und bekommen dafür zurzeit viel gesellschaftliche Anerkennung. Allerdings beobachten wir, dass in der Corona-Krise erhebliche Rückschritte in der Gleichstellung von Frauen und Männern drohen. Denn die politischen Maßnahmen zum Umgang mit dem Virus vernachlässigen die Lebenswirklichkeiten von Frauen und Mädchen und setzen auf längst überholt geglaubte Geschlechterrollen. Die Gleichstellungsbeauftragten der Landkreise und kreisfreien Städte in der Region Braunschweig unterstützen den bundesweiten Aufruf „Wann wenn nicht jetzt?“. 20 aktive Frauenverbände und Gewerkschaften aus ganz Deutschland wenden sich darin mit gleichstellungspolitischen Forderungen an die Bundesregierung und Arbeitgeber. Die Stadt Braunschweig veröffentlichte hierzu eine Pressemitteilung.
Frauen arbeiten in vielen systemrelevanten Berufen. Nun bleiben die Kinder zu Hause und sollen dort auch beschult werden. Gleichzeitig werde die Wirtschaft hochgefahren und Arbeitgeber erwarten die Anwesenheit am Arbeitsplatz. Frauen tragen in vielen Beziehungen die Hauptlast der Kindererziehung und seien auf ihr Einkommen angewiesen. Sie arbeiten in der Regel in schlechter bezahlten Berufen, die noch dazu wenig geeignet für flexible Arbeitsbedingungen sind: Erzieherinnen, Lehrerinnen, Verkäuferinnen, Mitarbeiterinnen in den Küchen, den Wäschereien und Reinigungskräfte. Hinzu komme, dass viele dieser Berufsgruppen von akutem Personalmangel betroffen sind. Neben einem verantwortungsvollen Umgang mit diesem Fachkräftemangel sind unter anderem eine bessere Entlohnung und tarifvertragliche Absicherung nötig.
Folgen bis zur Rente möglich
„Die aktuelle Situation zeigt deutlich, dass eine Debatte über die Rolle der Daseinsfürsorge in Deutschland überfällig ist. Alle gleichstellungspolitischen Schieflagen, auf die wir immer wieder hingewiesen haben, verschärfen sich jetzt“, meint die Braunschweiger Gleichstellungsbeauftragte Marion Lenz. „Die ersten Untersuchungen bestätigen dies: Frauen reduzieren häufiger als Männer ihre Stundenanzahl oder ziehen sich vollständig aus dem Erwerbsleben zurück. Dies verfestigt die traditionelle familiäre Arbeitsteilung mit ihren geschlechtertypischen Rollenbildern und die Einkommensunterschiede, auch langfristig.“ Dies führe zu deutlichen Unterschieden in den Lebenseinkommen und vor allem den Renteneinkommen von Männern und Frauen.
Die Forderungen im Einzelnen:
• Finanzielle Aufwertung der Berufe in Pflege, Gesundheitswesen, Erziehung und Einzelhandel sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen
• Die Abschaffung der Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte
• Steuer-, Sozial -und Familienleistungen müssen so abgestimmt sein, dass sie zu einer finanziellen Verbesserung für Frauen, insbesondere Alleinerziehenden führen
• Es sollen die richtigen Rahmenbedingungen und Arbeitszeiten geschaffen werden, damit Väter und Mütter sich die Care-Arbeit gerecht teilen können
• Man fordere Bundesweit einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen und die auskömmliche Finanzierung einer bedarfsgerechten und flächendeckenden Versorgung mit Gewaltschutzeinrichtungen (Frauenhäuser) und Beratungsstellen
• Ein Effektiver Gewaltschutz für geflüchtete Frauen
Es sei nach Meinung der Gleichstellungsbeauftragten ein guter Zeitpunkt für Politik und Arbeitgeber, die gleichstellungspolitischen Schieflagen ernst zu nehmen und bei der Umsetzung der Forderungen ein ebenso engagiertes, sachbezogenes, mutiges und zeitnahes Handeln wie jetzt in der Corona-Pandemie zu zeigen.