Berlin. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) ruft ihre Partei zu größerer Aufmerksamkeit für die Lebensverhältnisse in Ostdeutschland auf. "Wir haben zugelassen, dass man uns als westdeutsche Partei wahrnimmt", sagte Göring-Eckardt dem "Spiegel".
Dabei wolle man ein zweites Mal Anlauf aufs Kanzleramt nehmen, was ohne Ostdeutschland nicht gehe. Göring-Eckardt warnte vor Pauschalurteilen über den Osten. "Wir dürfen den Osten nicht als Problemfall betrachten, da passiert auch viel Gutes. Daran muss ich auch meine Partei gelegentlich erinnern", sagte die Thüringerin, die vor 30 Jahren als eine der Bundessprecherinnen von Bündnis 90 die Vereinigung mit den westdeutschen Grünen maßgeblich mitverhandelte.
Die anhaltende Schwäche der Grünen in den ostdeutschen Bundesländern führte die frühere Fraktionschefin im Bundestag auf soziodemografische Faktoren zurück. Sie räumte aber auch ein: "Natürlich hat die Partei eigene Fehler gemacht." So seien die Grünen in der Zeit seit dem Zusammenschluss mit Bündnis 90 zu wenig präsent gewesen im Osten. Auch sie selbst hätte sich stärker für die Menschen in Ostdeutschland einsetzen müssen - etwa zu Zeiten der Arbeitsmarktreformen unter Rot-Grün: "Ich hätte lauter sagen müssen, dass für viele der Wandel nicht tragbar war. Mein Schweigen dazu liegt mir bis heute auf der Seele", sagte Göring-Eckardt.
Ihre ostdeutsche Herkunft habe sie bewusst nicht in den Vordergrund gerückt. "Ich wollte nicht die Zuständige für alles Ostdeutsche sein", so die Grünen-Politikerin. Sie habe lange gedacht, "die tatsächliche Einheit kommt mit der Zeit, und die Herkunft spielt keine Rolle mehr", sagte Göring-Eckardt: "Da habe ich mich getäuscht."
Künftig wolle sie ihre ostdeutsche Herkunft stärker herausstellen - "damit die Leute wissen: Ich bin auch von hier, ich bin ansprechbar".
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