Goslar. Am 27. November 2014 war es soweit: Die Goslarschen Höfe nahmen ihren Betrieb auf – zunächst mit dem Hof-Café, der Krummen Gurke und dem „Kleinen Kaufhaus“. Ein Ort der Begegnung sollte entstehen, für alle Alters-, Einkommens- und sozialen Schichten, an dem Menschen mit seelischer Verwundung eine neue berufliche Heimat finden. Und dies nicht in einer geschlossenen Einrichtung, sondern quasi in der Mitte der Gesellschaft. Die Goslarschen Höfe berichten.
Dem voraus gegangen seien einige Jahre des Planens, Ideensammelns, Verwerfens und Neu-Planens. So habe man ursprünglich für die Eröffnung eines Sozial-Kaufhauses das ehemalige Ski-Maas-Domizil in der Goslarer Bäckerstraße im Sinn gehabt. Als dieses Vorhaben aus mehreren Gründen verworfen wurde und stattdessen die Liegenschaft des ehemaligen Goslarer Schlachthofs in den Fokus gerückt wäre, sei schnell die Phantasie für weitere Teilprojekte geweckt worden. Mitinitiator Reinhard Guischard habe zum Beispiel statt des Geruchs gebrauchter Güter lieber den Duft selbst gerösteten Kaffees verbreiten wollen. Ein Café als sozialer Mittelpunkt sollte entstehen, im Projekt Hof-Mitte sollten Menschen spirituelle Angebote über die Grenzen von Konfession und Religion hinaus finden. Nachhaltigkeit sei eine Triebfeder des Handelns gewesen und habe sich nieder geschlagen in einem Repair-Café sowie in der „Krummen Gurke“, die frische und handwerklich gemachte regionale Lebensmittel ohne lange Transportwege anbiete. Bereits in der Planungsphase seien zahlreiche Menschen in und um Goslar mit ihrem Ideenreichtum und ihrer Tatkraft eingebunden gewesen, und dies alles ehrenamtlich.
Von links: Barbara Schüler (Kulturreferentin), Andreas Pleyer, (Geschäftsführer), Hans Georg Ruhe (damals Aufsichtsrat), Reinhard Guischard (damals Aufsichtsrat). Foto: Goslarsche Höfe
Bundesweit ziemlich einzigartig sei dabei das Trägermodell. Die Höfe seien zu je 50 Prozent im Eigentum der Diakonischen Beratungsdienste und des Caritasverbands Goslar, mithin in evangelischer und katholischer Trägerschaft. Ein solches konfessionsübergreifendes Modell sei den Machern kein zweites Mal bekannt. Dem Start des jungen Unternehmens sei viel Aufmerksamkeit und Wohlwollen zuteil geworden, aber auch viel tatkräftige Unterstützung von Institutionen und Bürgern. Neben viel ideellem Rückenwind habe es aber auch große Schwierigkeiten gegeben. So haben sich die Anfangsinvestitionen, die deutlich höher ausgefallen seien als geplant, von Anfang an als schwere Hypothek erwiesen, und auch die laufenden Kosten haben sich anfangs dynamischer entwickelt als die Erlöse. Ein Förderzuschuss der Stadt Goslar sowie der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz haben in 2017 den Fortbestand des Betriebes gesichert.
Nach Anfangsturbulenzen in ruhigerem Fahrwasser
Mittlerweile habe sich die wirtschaftliche Lage stabilisiert. Neue Geschäftsfelder wie Haushaltsauflösungen oder der Vertrieb des selbst gerösteten Kaffees über den Lebensmitteleinzelhandel seien erfolgreich etabliert und der Umsatz deutlich gesteigert worden, sodass die Betriebskosten aktuell aus den Umsätzen und Fördergeldern gedeckt werden können. Das Aufkommen an Sachspenden habe sich kontinuierlich gesteigert, sodass die Regale des ausschließlich mit gespendeten Gebrauchtgütern handelnden Hof-Kaufhauses stets gut gefüllt seien. Auch die Kundenzahl habe sich erfreulich entwickelt. Mit einer Ausweitung des kulturellen Angebots sei die Auslastung des Cafés gesteigert worden und neue Besucher und Kunden haben so erstmals ihren Weg auf die Höfe finden können. Zum 5-jährigen Jubiläum gehe die neue Hof-Rösterei an den Start, die aus Platzgründen aus dem Café ausgegliedert werden müsse und nun einen eigenen Eingang erhalte. Beim Schaurösten haben Besucher die Möglichkeit, dem Röster über die Schulter zu gucken und den Röstprozess zu verfolgen.
Ebenfalls zum Jubiläum nehme die Hof-Mitte ihre Arbeit auf. Regina Soot, die als Gemeindereferentin der Katholische Kirche Nordharz ihren Dienstsitz nun auf den Höfen habe, werde in den nächsten Monaten Angebote entwickeln, die Interessierte zur Besinnung auf ihre innere Mitte und ihre spirituelle Anbindung einladen.
Zukunft der Höfe - Von Integration zu Inklusion
Als gemeinnütziger Integrationsbetrieb beschäftigen die Höfe immer mindestens 40 Prozent Mitarbeiter mit eingetragener Schwerbehinderung. Diese könne körperlicher, geistiger oder psychischer Natur sein. Mittlerweile seien insgesamt 16 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden, davon acht für Menschen mit Beeinträchtigung. Eine weitere Zielgruppe potenzieller Mitarbeiter stellen Langzeitarbeitslose dar. Die mit Abstand größte Gruppe an Mitarbeitenden stellen jedoch die über 70 Ehrenamtlichen. Erklärtes Ziel der Höfe sei es, für Menschen mit und ohne Handicap eine Station auf dem Weg ins Arbeitsleben zu sein. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes stehen die Höfe für einen Ort der Begegnung und der Entwicklung inklusiven Lebens. Zum Unterschied zwischen Integration und Inklusion befragt, antwortet Betriebsleiter Holger Pape: „Sehr vereinfacht ausgedrückt sagt Integration: Du bist anders, aber Du darfst bei uns mitmachen. Für dieses „Anderssein“ braucht es die Definition eines Normalzustands. Inklusion schaut nicht auf eine Norm und Normabweichungen, sondern sieht jeden Menschen unabhängig von seinen Wesenheiten und Beeinträchtigungen als integralen und wertvollen Bestandteil der Gemeinschaft.“ Inklusion sei somit eine Weiterentwicklung des Integrationsgedankens. „Diesen Weg wollen wir weitergehen und einen Beitrag dazu leisten, das Thema in unserer Gesellschaft lebendig zu halten und erlebbar zu machen.“
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