Corona-Todesfall in Herzog-Julius-Klinik: Patienten schockiert über "Abreise-Chaos"

Anders als zunächst vom Klinikumsträger behauptet, seien nicht alle Patientinnen und Patienten auf das neuartige Coronavirus getestet worden. Die Klinik dementiert eine "Zwangsabreise".

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(Symbolbild) | Foto: Pixabay

Bad Harzburg. Die Zahl der mit dem neuartigen Coronavirus Infizierten in der Herzog-Julius-Klinik ist auf 31 gestiegen. Ein Patient verstarb im Krankenhaus an den Folgen seiner Virus-Infektion. Dies teilte der Landkreis Goslar am vergangenen Freitag auf Anfrage unserer Online-Zeitung mit. Anders als zunächst von den Michels-Kliniken, dem Träger der Bad Harzburger Einrichtung, behauptet, seien auch nicht alle Personen im Haus getestet worden.


Weiterhin befanden sich mit Stand vom letzten Freitag drei Patienten aus der Reha-Klinik aufgrund ihrer Corona-Erkrankung im Krankenhaus. Auf Anfrage räumte die Klinik inzwischen ein, dass nicht alle Patientinnen und Patienten getestet worden seien. "Jene Patienten, die eigenständig und schnellstmöglich nach Bekanntwerden erster Infektionsfälle abgereist waren, konnten nur deshalb nicht von uns getestet werden", so die Begründung der Einrichtung. Weiter heißt es: "Patienten und Mitarbeiter, die Symptome aufwiesen oder aber mit jenen in Kontakt standen, sind vollumfänglich getestet worden." Dies stellt eine Einschränkung zur ursprünglichen Stellungnahme der Klinik dar, die unserer Online-Zeitung vorliegt:

"Die Zahl der betroffenen Mitarbeiter und Rehabilitanden konnte aufgrund der von uns groß angelegten Tests ermittelt werden. Diese wurden unter allen Patienten und Mitarbeitern der Herzog-Julius-Klinik vorsorglich und eigeninitiativ in engster Abstimmung mit dem Gesundheitsamt vorgenommen (...)"


"Dunkelziffer" ist wahrscheinlich


Bei den Infektionsfällen handele es sich nicht nur um Patientinnen und Patienten des Hauses, sondern laut dem Landkreis Goslar auch um deren Angehörige und Mitarbeiter. Der Todesfall im Zusammenhang mit der Herzog-Julius-Klinik taucht in der offiziellen Statistik des Landkreises Goslar zu COVID-19 Infektionen und Todesfällen nicht auf. Der Patient wohnte im Landkreis Gifhorn und wurde entsprechend dort erfasst. "Die meisten Patienten sind inzwischen abgereist", kommentiert Maximilian Strache, Pressesprecher des Landkreises Goslar und erläutert: "Patienten, die erst nach der Abreise in ihren Heimatorten positiv getestet worden sind, werden am Heimatort gemeldet. Insofern kann vom Fachdienst Gesundheitsamt nicht ausgeschlossen werden, dass es weitere Fälle im Zusammenhang mit der Klinik gibt oder gegeben hat."

Dichtes Gedränge im Vorfeld der Abreise


Nach unserem ersten Bericht über den Corona-Ausbruch in der Herzog-Julius-Klinik meldeten sich gleich mehrere ehemalige Patienten und Angehörige aus verschiedenen Landkreisen bei uns und berichteten mit großer Übereinstimmung über "chaotische Zustände", besonders bei der Abreise nach dem Bekanntwerden der ersten Fälle in der Einrichtung.

Trotz der vielfältigen Zuschriften, die uns zu diesem Artikel erreicht haben, hat sich letztlich nur eine ehemalige Patientin aus Wolfsburg zu einem telefonischen Interview zu ihren Erlebnissen bereit erklärt. Die 80-jährige Wilma K. (Name geändert) sei am 3. April gegen Mittag plötzlich gebeten worden, ihre Angehörigen zu informieren, wenn sie die zweiwöchige Quarantäne nicht in der Klinik verbringen wolle. Ein Arzt habe sie über das Auftreten des Virus in der Klinik unterrichtet und sie gefragt, ob sie Husten, Schnupfen oder Fieber habe. Dann sei laut der Wolfsburgerin nur geraten worden, die Klinik zu verlassen: "Es haben dann viele ihre Angehörigen angerufen. Dann war ein großes durcheinander, ein Chaos, in dem die Leute dicht gedrängt im vorderen Bereich standen und dann abgeholt wurden. Teilweise hab ich auch ältere Leute erlebt, die geweint haben, die hilflos waren, die nicht gewusst haben, wie sie sich verhalten sollen." Der Tochter der ehemaligen Patientin zufolge seien selbst die Krankenschwestern "fassungslos" über diese Vorgehensweise gewesen.

Frau K. wurde durch ihre Tochter abgeholt und befindet sich nun in ihrer Wohnung in Wolfsburg unter Quarantäne, da sie nachweislich Kontakt gehabt habe. Ein Test sei bis Freitag nicht erfolgt, da keine Symptome aufgetreten sind. Sie selbst habe sich in ihr Zimmer begeben, als sie den Auflauf am Eingangsbereich gesehen habe: "Auch die Ärzte standen in dem Vorraum dicht gedrängt, die waren in dieser Situation wirklich kein Vorbild", so die 80-Jährige.

Abreisen waren freiwillig


Auch das Wort "Zwangsentlassung" tauchte in den Wortmeldungen rund um den Bericht zur Situation in der Einrichtung auf. Die Klinik dementiert dies - Es sei eine völlig freiwillige Entscheidung gewesen: "Nach Bekanntwerden von ersten Symptomen bei Patienten haben wir alle uns anvertrauten Menschen persönlich mithilfe der in der Klinik tätigen Ärzte über den Umstand informiert. In der Folge hat sich der überwiegende Teil der Patienten eigenständig zu einer Abreise entschieden. Eine weiterhin umfassende Rehabilitation durch unser Fachpersonal unter strikten Hygieneschutzmaßnahmen stand ihnen gern offen." Fragen zur Organisation der Abreise wurden durch die Klinik nicht kommentiert. Ganz allgemein antwortete die Klinik auf die erhobenen Vorwürfe: "Ihre Darstellungen können wir nicht bestätigen."

"Sowohl die Mitarbeiter der Klinik als auch jeder Einzelne hätte in der Situation auf Abstände achten können und sollen!"

- Maximilian Strache, Pressesprecher Landkreis Goslar



Situation ist nicht mehr nachvollziehbar


Beim Landkreis Goslar halte man die beschriebene Situation jedoch für möglich, könne dies aber ebenfalls nicht bestätigen: "Am Tag des Bekanntwerdens der ersten Covid-Fälle waren von der Klinik sehr viele Aufgaben zeitgleich abzuarbeiten und es sollen sich viele Patienten spontan zur Abreise entschlossen haben. Ob in dieser Situation Abstandsregeln von den Einzelnen eingehalten worden sind, wird sich wohl nicht mehr nachvollziehen lassen." Jedoch appelliert der Landkreis anlässlich der von mehreren ehemaligen Patienten kritisierten Ansammlung im Eingangsbereich der Einrichtung auch an die Eigenverantwortung: "Sowohl die Mitarbeiter der Klinik als auch jeder Einzelne hätte in der Situation auf Abstände achten können und sollen!"


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