Goslar. Am Rande des Goslarer Friedhofs Hildesheimer Straße liegt ein Gräberfeld, auf dem mehr als 130 Tote beigesetzt worden sind. Sie starben während des Zweiten Weltkriegs. Diese Randlage ist nicht zufällig – sie war gewollt. Die Toten waren keine deutschen Soldaten, sondern Zivil- oder Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Sie wurden aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten in die Region Goslar verbracht, um in Rüstungsbetrieben oder in Privathaushalten zu arbeiten und starben an den Folgen der harten Arbeitsbedingungen. Lange wurde das Gräberfeld „Ausländerfriedhof“ genannt. Gewiss, die Toten, die hier ruhen, waren Ausländer. Aber die Bezeichnung „Ausländerfriedhof“ verschleiert doch ihr Schicksal. Sie verdeckt die Geschichte, die hinter den Toten steht. Kaum etwas erinnerte an die Toten und nichts informierte über die Umstände ihres Sterbens. Die Geschichts- und Erinnerungstafel der Schüler der Adolf-Grimme-Gesamtschule (Oker) hat diesen traurigen Zustand beendet. Landrat Brych würdigte ihr Engagement. Er danke für die geleistete Arbeit und betonte, dass das Projekt das Ergebnis einer Kooperation mit dem Weltkulturerbe Rammelsberg ist. Dies teilt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. mit.
Wie der Volksbund verfolgen Welterbestätten der UNESCO die Aufgabe, den Frieden zu fördern. Dafür seien zwei Bedingungen unerlässlich, erläuterte Gesine Reimold, Leiterin für Bildung und Vermittlung am Weltkulturerbe Rammelsberg: Empathie, die Möglichkeit sich einem Thema emotional zu nähern und Wissen über Zusammenhänge – Sachkompetenz, die begründete Rede erst möglich mache. Genau diese Grundlage hätten einerseits der reiche Fundus biographischer Zeugnisse von Zwangsarbeitern, die am Rammelsberg verwahrt werden geboten, und andererseits die zahlreichen dort entstandenen Studien zur Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus. In mehreren Workshops hätten die Schüler mit diesen Materialien gearbeitet und dann im Seminarfach die Geschichts- und Erinnerungstafel verfasst.
Wiebke Kneistler, Schülersprecherin und Mitautorin der Geschichts- und Erinnerungstafel, erklärte nachdrücklich, warum sie und ihre Mitschüler das Projekt realisiert haben: „Die Schicksale der Toten zeigen die Unmenschlichkeit der Nationalsozialisten und die Folgen von rassistischem Denken und Handeln. Damit diese grausamen Taten der Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten, haben wir uns mit der Geschichte vor Ort in unserer Stadt auseinandergesetzt.“
Der Arbeit der Schüler sei es zu verdanken, dass nun auf dem Friedhof Hildesheimer Straße auch das Schicksal der dort beerdigten Zwangsarbeiter gewürdigt werde.
Die Bildungsprojekte des Volksbunds leben von diesem Engagement junger Menschen. Sie würden aber auch von der Offenheit und dem Einsatz engagierter Pädagogen leben. Schulleiterin Isabell Lenius und Oberstufenleiter Dr. Julian Geisler öffneten ihrer Schule für das Projekt, Geschichtslehrer Danny Beyer betreute es als Teil des Seminarfachs. Im kommenden Schuljahr 2020/21 werde die Adolf-Grimme-Gesamtschule über den Friedhof in Oker arbeiten.
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