Filmvorführung: Holocaust-Überlebender erinnert an Drittes Reich


Sigmar Gabriel (rechts) berichtet Schülerinnen und Schülern, deren Lehrkräften sowie Ivar (von links) und Dagmar Buterfas-Frankenthal und Dr. Oliver Junk, wie er in seiner Jugend gegen die Alt-Nazis demonstrierte.
Foto: Stadt Goslar
Sigmar Gabriel (rechts) berichtet Schülerinnen und Schülern, deren Lehrkräften sowie Ivar (von links) und Dagmar Buterfas-Frankenthal und Dr. Oliver Junk, wie er in seiner Jugend gegen die Alt-Nazis demonstrierte. Foto: Stadt Goslar | Foto: Stadt Goslar

Goslar. Der Appell war deutlich: Nie wieder dürfen sich die grausamen Geschehnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus wiederholen. Der Holocaust-Überlebende Ivar Buterfas- Frankenthal hat aus aktuellem Anlass und auf Einladung der Stadt Goslar in enger Zusammenarbeit mit Ehrenbürger Sigmar Gabriel seinen Film über Nationalsozialismus und Antisemitismus in Deutschland vorgestellt. Dies berichtet die Stadt Goslar.


Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk leitete in die Veranstaltung ein. „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind nicht nur auf dem Vormarsch, sondern – wie ich fühle – auch dabei salonfähig zu werden“, sagte er vor den jungen Frauen und Männern aus Goslars weiterführenden Schulen. In Niedersachsen sei die Zahl der antisemitischen Straftaten enorm gestiegen. „Wenn wir sehen, mit welcher Erbarmungslosigkeit und mit welchem Hass Menschen anderer Herkunft oder anderen Glaubens ausgegrenzt, geschmäht und physisch attackiert werden, dann muss uns das beschämen und wütend machen. Dann sind wir alle zum Handeln aufgefordert.“
Der Begriff Antisemitismus höre sich so nüchtern an, sagte Sigmar Gabriel – eine wissenschaftliche Beschreibung. „Das ist Judenhass, nichts Anderes. Und der war hier in Goslar weit verbreitet.“ Die Ideologie der Nazis endete nicht mit dem Zweiten Weltkrieg, wie Goslars Ehrenbürger in seiner Jugend zur Genüge erfahren musste. Sein eigener Vater war überzeugter Nazi, leugnete den Holocaust. „Das ist Deutschland. Du findest beides – du findest Täter und Leugner und Opfer mitten in Deutschland.“ Es sei schwer zu verstehen, dass in der NS-Zeit so viele Menschen wussten, was passierte, und es richtig fanden, so Gabriel.
Das wurde auch bei den Erzählungen von Ivar Buterfas deutlich. Als einer der letzten noch lebenden Holocaust-Überlebenden berichtete er in der Kaiserpfalz, wie er die 30er und 40er Jahre erlebte. So wurde Ivar Buterfas, 1933 in Hamburg geboren, als kleiner Junge der Schule verwiesen, nur weil er Halbjude war. Sein bester Freund durfte vom einen Tag auf den anderen nicht mehr mit ihm sprechen. Seine Familie wurde verfolgt, floh nach Polen, kam zurück nach Hamburg und versteckte sich dort in einem Kellerloch – ohne Wasser, ohne Licht und stets in Angst, entdeckt und deportiert zu werden. Noch heute plagen ihn Alpträume. „Wir sind befreit worden von einem der schrecklichsten Systeme, die die Welt je erlebt hat.“

"Besorgt wegen der aktuellen Geschehnisse"


Ivar Buterfas-Frankenthal und seine Frau Dagmar sind besorgt ob der Geschehnisse der vergangenen Jahre. „Die Verhältnisse, die wir jetzt haben, sind schon etwas dunkler als Anfang der 30er Jahre.“ Damals habe es noch keine Angriffe auf Synagogen, noch keine Überfälle auf Männer mit Kippa oder Menschen mit anderer Hautfarbe gegeben. Heute treten Ortsbürgermeister von ihren Posten zurück, weil sie Angst um ihre Familien haben. „Ich frage euch: Wohin treibt dieses Schiff?“ Er will aufklären. Der Holocaust-Überlebende mahnte: „Wenn wir weiter so arglos leben, wenn wir weiter verdrängen, dann werden sich die Verhältnisse, die wir jetzt haben, rasend schnell ausbreiten.“ Deshalb sieht er die Schülerinnen und Schüler, die Erwachsenen von morgen in der Pflicht. „Es ist eure Aufgabe zu helfen, dass sich das nie nie nie wiederholt.“ Dazu gehört laut dem gebürtigen Hamburg auch, das richtige Kreuz auf dem Wahlzettel zu machen.
Ivar Buterfas-Frankenthal möchte dazu berichten, was geschehen ist, wie man sich als verfolgter Mensch fühlte und mit welchen Sorgen man heute als Zeitzeuge die jüngsten Entwicklungen in der Welt betrachtet. Er und seine Frau schenken sich deshalb nichts zu Weihnachten, sondern produzierten auf eigene Kosten einen Film, der die Jugend sensibilisieren und aufklären soll. 1000 Kopien stellt das Ehepaar Schulen zur Verfügung. Der Holocaust-Überlebende wünscht sich, dass er an drei bestimmten Tagen im Jahr gezeigt und diskutiert wird: am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung von Ausschwitz; am 8. Mai, dem Tag der Befreiung 1945, als der Zweite Weltkrieg endete; sowie am 9. November, zugleich Jahrestag der Reichspogromnacht als auch des Mauerfalls.


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