Kaiserring 2018 – Verleihung politisch wie nie


Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk steckt Wolfgang Tillmans den Kaiserring auf den Finger. Fotos: Stadt Goslar
Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk steckt Wolfgang Tillmans den Kaiserring auf den Finger. Fotos: Stadt Goslar

Goslar. Der derzeitige Rechtsruck in Deutschland, Europa und der Welt war vorherrschendes Thema bei der diesjährigen Verleihung des Kaiserrings. Nicht zuletzt, weil der geehrte Künstler, Wolfgang Tillmans, seine exponierte Stellung nutzt, um sich einzumischen, wie Goslars Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk es am heutigen Samstag ausdrückte und wie Wolfgang Tillmans selbst es anschließend in der Kaiserpfalz bewies.


Wolfgang Tillmans, geboren 1968 in Remscheid, bekannt geworden in den neunziger Jahren durch seine stilbildenden Fotografien aus der Jugend- und Populärkultur, wurde am heutigen Samstag der Kaiserring der Stadt Goslar verliehen. Die Auszeichnung mit dem wichtigsten deutschen Kunstpreis stelle ihn in eine Reihe mit den prägendsten Künstlerinnen und Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts, erläuterte die Laudatorin, Dr. Marion Ackermann. Dennoch rückte die Kunst beim Festakt in der Kaiserpfalz in den Hintergrund.

Demokratie verteidigen


Aktuell würden die Angriffe auf die Freiheit – des Wortes, des Glaubens, der Lebensgestaltung – immer unverhohlener geführt, sagte Oberbürgermeister Junk. Diktatur, Umweltkollaps, Armut, Flucht und Vertreibung, Populismus und Fremdenhass. „Darum sind wir, meine Damen und Herren, jetzt gefordert. Freiheit und Demokratie gilt es zu verteidigen.“ Er dankte Wolfgang Tillmans, für seinen Mut, politische Themen zu behandeln. „Danke für Ihr entschiedenes und lautes Aufbegehren gegen den vorhandenen Rechtsruck in ganz Europa und gegen diese Gleichgültigkeit und dieses politische Desinteresse vieler Menschen.“

 Wolfgang Tillmans präsentiert den Kaiserring der Stadt Goslar 2018 an seinem Finger.
Wolfgang Tillmans präsentiert den Kaiserring der Stadt Goslar 2018 an seinem Finger. Foto:



Auch Matthias Wunderling-Weilbier, der das Grußwort der niedersächsischen Landesregierung überbrachte, ermutigte Tillmans in seinem Schaffen. „Wir brauchen Künstler wie Sie, die kreativ sind, sich aber auch politisch, gesellschaftlich engagieren, Stellung beziehen und sich mit ihrer Kunst einmischen“, so der Landesbeauftragte für regionale Landesentwicklung Braunschweig.

Bescheidenheit


Wolfgang Tillmans selbst war die Erwähnung seines politischen Engagements eher unangenehm. „Ich mache das eigentlich als Privatperson“, erklärte er. „Ich finde, jeder Bäckermeister und jeder Bankangestellte und jeder Arzt, jeder in unserer Gesellschaft sollte sich engagieren und da sollte man nicht immer auf uns Kunstschaffende schauen.“ Gleichwohl nutzte er seinen Auftritt in der Kaiserpfalz, um eine flammende Rede für den Zusammenhalt in Europa zu halten. „Es liegt an uns zu zeigen, dass Europa und die EU eine Erfolgsgeschichte ist“, sagte Tillmans, der in Berlin und London lebt und den Brexit sehr kritisch betrachtet.

Die Malereien in der Aula regis der Kaiserpfalz bezeichnete er als Versuch, tausendjährige Geschichte in eine homogene Form zu gießen. Dabei habe der Nationalismus Deutschland bereits zweimal in den Abgrund gerissen. Sein Appell an das Publikum: „Wenn Sie Ihre Heimat lieben: Verteidigen Sie sie gegen Nationalismus!“ Tillmans nahm die Verleihung des Kaiserringes zum Anlass, seine neue Stiftung „Between Bridges“ vorzustellen, die sich der Förderung der Kunst, der Demokratie, der Völkerverständigung und der Recht anders liebender Menschen verschrieben hat. „Ich will einen Teil meiner Energie dem Erhalt der freiheitlichen Welt und ihrer Errungenschaften widmen.“

Kunst zeigt es: Die Welt ist echt


Zum Schluss gelang dann auch der Schwenk zurück zur Kunst. Sie sei die Erinnerung, dass die Welt echt ist, sagte Wolfgang Tillmans. Sein Tun sei „das Übersetzen von Wirklichkeit in Tinte auf Papier“ – oder mittlerweile „in Form von Flüssigkristallen auf dem Bildschirm“. Er will Bilder machen, die ausdrücken, wie es sich anfühlt lebendig zu sein. Seine Faszination für das Wunder der Fotografie hat nach eigener Aussage nicht nachgelassen in drei Jahrzehnten. Dabei verzichtet er auf digitale Retusche. „Ich bezeichne mich immer noch als analogen Fotografen, weil ich keine Pixel verschiebe. Ich mache am Computer nur das, was ich auch in der Dunkelkammer machen könnte.“ Gemeint sind zum Beispiel Helligkeit, Farbigkeit, Kontrast.

Der Blickwinkel verändert die Wahrnehmung, sagt Tillmans. Das gilt sowohl aus politischer als auch aus künstlerischer Sicht. Letztere kann bis zum 27. Januar 2019 bestaunt werden. Im Mönchehaus Museum hat der Kaiserringträger 2018 eine eigens auf die Räume abgestimmte Ausstellung komponiert.


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