Kindesmissbrauch in der Weihnachtszeit - Verein eröffnet sicheren Zufluchtsort

Beim Kinder- und Jugendseelsorger Patrick Kliefoth sind die Hilfegesuche von Opfern häuslicher Gewalt durch die Pandemie durch die Decke gegangen. Pünktlich vor den kritischen Weihnachtsfeiertagen eröffnet jetzt ein Zufluchtsort, der besonders den misshandelten Kindern eine sichere vorübergehende Bleibe bieten soll.

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Wohnlich und gemütlich können Elternteile mit einem oder mehreren Kindern in der neuen Einrichtung im Landkreis Goslar zur Ruhe kommen.
Wohnlich und gemütlich können Elternteile mit einem oder mehreren Kindern in der neuen Einrichtung im Landkreis Goslar zur Ruhe kommen. | Foto: ShakenKids e.V.

Goslar. Die Geschenke liegen unter dem geschmückten Tannenbaum, die Zimmer sind liebevoll eingerichtet und warten auf ihre Bewohner. Im Landkreis Goslar steht ab sofort ein neues Angebot für Kinder und Elternteile zur Verfügung, die vor Missbrauch und Gewalt aus dem eigenen Haushalt fliehen müssen. Innerhalb von sechs Wochen haben Patrick Kliefoth und sein Verein "ShakenKids" eine alte Immobilie renoviert und einen Zufluchtsort geschaffen. Die Eröffnung vor den Weihnachtsfeiertagen sei kein Zufall, wie Kliefoth gegenüber regionalHeute.de erklärt.


"Ich kenne es aus Hamburg heraus, in Hamburg und Umgebung wurden die Polizeieinheiten jedes Jahr aufgestockt, weil über die Feiertage immer mit erhöhtem Missbrauch und Misshandlung zu rechnen ist", schildert der Kinder- und Jugendseelsorger Kliefoth. Dabei seien die Hilfegesuche bei ShakenKids durch die Pandemie ohnehin schon gestiegen: "Die Dunkelziffer ist glaube ich immens hoch, und die Auswirkungen daraus werden wir erst so in ein bis eineinhalb Jahren zu spüren kriegen." Aus diesem Grunde habe man sich entschlossen, kurzfristig ein "ShakenKids-Haus" zu eröffnen. In nur sechs Wochen wurde alles aufwändig renoviert, die Möbel eingekauft, die Einrichtung ist erfolgt, sodass man jetzt so weit sei, Kinder und einen Elternteil aufnehmen zu können. Ein Frauenhaus im klassichen Sinne sei es dennoch nicht. "Es wird immer ein Elternteil dabei sein, in der Regel sind es Frauen, weil zum größten Teil ist es leider so, dass der Missbrauch und die Misshandlung von den männlichen Bezugspersonen ausgeht. Es muss natürlich der Elternteil sein, der nicht für die Misshandlung verantwortlich ist." Langfristig sei das Ziel, die kleinen Familien zu stärken, sie in ihr eigenes Leben zurückzuführen. "Raus aus dieser kriminellen Umgebung", so Kliefoth.

Professionelle Hilfe, alles ehrenamtlich


Wichtig sei dabei, dass die Einrichtung zwar eng mit dem Jugendamt zusammenarbeite, ihr aber nicht direkt untersteht. "Da ist häufig die Hemmschwelle sehr hoch. Wir sind ein privater, gemeinnütziger Verein und unterliegen nicht dem Druck des Jugendamtes", erklärt Kliefoth und ergänzt: "Wenn der Elternteil aber Hilfe möchte, stehen wir gerne beratend und vermittelnd zur Verfügung." Vor Ort steht 12 bis 16 Stunden am Tag eine Betreuung bereit. Dabei handelt es sich um ehrenamtlich tätige Fachkräfte. Darunter eine Kinderkrankenschwester, eine Traumatherapeutin, ein Rettungssanitäter und Seelsorger. Erwerb und Renovierung des Hauses erfolgten laut Kliefoth größtenteils aus eigener Tasche und aus Spenden: "Das Haus gehört meiner Frau und mir, wir haben letztes Jahr den Verein gegründet und gesagt, wir machen das komplett eigener Tasche heraus."

Einfach zur Ruhe kommen


Eine Tragödie im persönlichen Umfeld führte zur Vereinsgründung von ShakenKids im Jahr 2019. Kliefoth berichtet: "Unser vier Monate alter Neffe wurde tot geschüttelt. Daraufhin haben meine Familie und ich diesen Verein gegründet, für Kinder die im und vom Leben und von den Umständen durchgeschüttelt wurden." Der Vereinsgründer fährt fort: "Das ist also nicht nur rein auf Kinder gemünzt, die wirklich geschüttelt wurden, sondern auf alle misshandelten und missbrauchten Kinder, die in jungen Jahren schon schlimmes erleben mussten." In der neuen Einrichtungen sollen Elternteile und besonders die Kinder ankommen, sich fallen lassen und zur Ruhe kommen können. Kosten fallen dafür nicht an.

Hilfe über alle Kanäle


Elternteile mit Kindern, die Hilfe benötigen haben verschiedene Kontaktmöglichkeiten. Die Adresse der neuen Immobilie soll als Vorsichtsmaßnahme geheim bleiben, sollte die Anfahrt aber mit eigenen Mitteln nicht möglich sein oder durch die Polizei erfolgen, können Betroffene auch gefahren werden. Die Notrufnummer für die Einrichtung lautet: 0176 70376741. Alternativ kann auch über den Kooperationspartner "Unbehindert gUG" unter der Rufnummer 0179 4170781 Hilfe angefragt werden. Kontaktaufnahme per E-Mail ist über info@shakenkids.de möglich. Darüber hinaus gibt es auch eine App und eine Facebook-Seite, über die ebenfalls Hilfe zur Verfügung steht.


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