Luchs-Experten trafen sich in Wöltingerode

Bei der Tagung „Quo Vadis Lynx?“ geht es um Chancen und Herausforderungen bei der Erhaltung der Katzen in Europa.

Bei der Pressekonferenz im Rahmen der der internationalen Tagung „Quo Vadis Lynx?“ (von links): Dr. Urs Breitenmoser (IUCN Cat Specialist Group), Ernst-Dieter Meinecke (stellv. Präsident Landesjägerschaft Niedersachsen), Umweltminister Christian Meyer, Dr. Roland Pietsch (Leiter Nationalpark Harz) und Ole Anders (Koordinator Harzer Luchsprojekt, Nationalpark Harz).
Bei der Pressekonferenz im Rahmen der der internationalen Tagung „Quo Vadis Lynx?“ (von links): Dr. Urs Breitenmoser (IUCN Cat Specialist Group), Ernst-Dieter Meinecke (stellv. Präsident Landesjägerschaft Niedersachsen), Umweltminister Christian Meyer, Dr. Roland Pietsch (Leiter Nationalpark Harz) und Ole Anders (Koordinator Harzer Luchsprojekt, Nationalpark Harz). | Foto: Ingrid Nörenberg

Wöltingerode. Der Nationalpark Harz richtet gemeinsam mit der Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz und der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. die Internationale Tagung „Quo Vadis Lynx?“ über Chancen und Herausforderungen bei der Erhaltung des Luchses als einem großen Beutegreifer in Europa, Deutschland und dem Harz aus. Zum Auftakt am 10. Mai berichteten im Klosterhotel Wöltingerode Luchs-Expert aus der Schweiz, Italien, Slowenien, der Slowakei und Deutschland aus ihren Projekten.



Ein wichtiges Projekt für Niedersachsen und Deutschland ist das Wiederansiedlungsprojekt im Harz. Zwischen 2000 und 2006 wurden 24 Luchse, 9 Männchen und 15 Weibchen, im Harz, in der Mitte Deutschlands ausgewildert. Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer ist hocherfreut über das Erreichte: „Das Harzer Luchsprojekt ist ein voller Erfolg. Der Luchs galt 200 Jahre als ausgestorben und mit dem niedersächsischen Wiederansiedlungsprojekt wurde Neuland betreten. Aus den 24 Luchsen, die zu Beginn im Harz ausgewildert wurden, ist heute eine vitale Population entstanden. Allein im Harz leben mittlerweile etwa 90 Tiere. Insgesamt macht die aus dem Projekt entstandene Population mit rund 110 Tieren heute mehr als die Hälfte des gesamtdeutschen Luchsvorkommens aus. Das ist ein riesiger Erfolg für den Artenschutz, welcher weit über den Harz hinausstrahlt. Der Projekterfolg ist ein Ergebnis der sehr guten Zusammenarbeit von Landesregierung, Jägerschaft und Nationalpark und ein herausragendes Beispiel dafür, wie erfolgreich Artenschutz sein kann, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Der Luchs ist mit seiner hohen Präsenz in den Medien längst zu einer Art Werbeträger des Harzes geworden und lockt viele Besucherinnen und Besucher in den Harz.“

Aus den Gründertieren ist eine vitale Population entstanden


Im Rahmen der Tagung wird ein Blick zurück auf die über 20-jährige Erfolgsgeschichte des Harzer Luchsprojektes geworfen: Im Jahr 1999 entschied sich erstmals in Deutschland eine Landesregierung für die Wiederansiedlung eines großen Beutegreifers und teilte sich die Trägerschaft dieses Projektes mit der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. Der Nationalpark Harz war für die praktische Umsetzung der Maßnahme zuständig. Im Jahr 2000 kehrten die ersten Luchse nach mehr als 200 Jahren Abwesenheit in das Mittelgebirge zurück.

Aus den 24 Gründertieren ist eine vitale Population entstanden und längst haben die Tiere sich über den Harz hinaus weiter ausgebreitet: Innerhalb des Harzes wurde im Jahr 2002 der erste Luchs-Reproduktionsnachweis erbracht. In jedem der folgenden Jahre wurden Luchsjungtiere nachgewiesen, berichtet Projektkoordinator Ole Anders vom Nationalpark Harz. „Im Monitoringjahr 2010/11 zeigten Fotofallenbilder erstmals Jungluchse außerhalb des Harzes in Nordhessen (Kaufunger Wald) rund 100 km vom Populationszentrum, dem ehemaligen Auswilderungsgehege im Nationalpark Harz, entfernt. Auch wenn es durchaus Rückschläge gab, zählt das Luchsprojekt Harz damit zu den wenigen langfristig erfolgreichen Luchs-Wiederansiedlungen in Mitteleuropa.“

Ein genetischer Austausch zwischen den Populationen ist dringend erforderlich


Doch dieser Erfolg kann kein Grund sein, sich zurückzulehnen – im Gegenteil: Der Luchs braucht weitere Unterstützung, um den Erfolg der Wiederansiedlung im Harz und ähnlicher Projekte in West- und Mitteleuropa zu sichern sind Maßnahmen erforderlich. Anfang 2022 erschien eine breit angelegte Studie, die aufzeigte, wie schlecht es um die Diversität der kleinen mitteleuropäischen Luchsvorkommen bestellt ist. „Ein genetischer Austausch zwischen den Populationen ist dringend erforderlich, wenn das erneute Aussterben des Luchses verhindert werden soll“, betont der Harzer Nationalparkleiter Dr. Roland Pietsch.

Das unterstreicht Dr. Urs Breitenmoser, der sich mit Dr. Christine Breitenmoser-Würsten den Vorsitz der IUCN Cat Specialist Group teilt: „Lokal sind die Bedingungen für den Luchs heute vorteilhafter als zur Zeit seines großflächigen Verschwindens im 18. und 19. Jahrhundert. Unsere Wälder sind in besserem Zustand und Beutetiere – vor allem Rehe – sind ausreichend vorhanden. Was sich hingegen im 20. Jahrhundert massiv verschlechtert hat, ist die Vernetzung dieser Lebensräume. Große Städte, die durch massive Verkehrsachsen verbundenen sind, verhindern die Ausbreitung des Luchses. Da die einzelnen Populationen zu klein sind, um ihre (genetische) Lebensfähigkeit langfristig zu gewährleisten, muss die Rückkehr des Luchses durch weitere Wiederansiedlungen und Umsiedlungen gefördert werden, was eine gezielte und koordinierte Zusammenarbeit auf interregionaler und internationaler Ebene erfordert.“

Luchs-Ansiedlungsprojekte geplant


Was ist also zu tun, um dieses Ziel zu erreichen? Derzeit plant man in den drei Bundesländer Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen Luchs-Ansiedlungsprojekte, um bereits vorhandene Kleinvorkommen direkt zu unterstützen oder Verbreitungslücken zwischen benachbarten Populationen zu schließen. Um geeignete Luchse für künftige Projekte zu generieren, startete ein Zuchtprogramm für den Karpatenluchs und es werden genetische Untersuchungen von Gehegeluchsen durchgeführt, um geeignete Zuchtpaare zu finden. Eine Luchs-Bestandesaufstockung in Slowenien, Kroatien und Italien steht kurz vor dem erfolgreichen Abschluss.

„Innerhalb Deutschlands ist das rund 2.200 km² große Waldgebiet des Thüringer Waldes von herausragender Bedeutung, da eine stabile Luchspopulation im Thüringer Wald das bisher fehlende Bindeglied zwischen den bestehenden Populationen im Harz und im Bayerischen Wald/Böhmerwald darstellen würde“, berichten Dr. Markus Port (BUND Thüringen) und Dr. Max Boxleitner (WWF Deutschland). Im Rahmen des Projektes „Luchs Thüringen – Europas Luchse vernetzen“ sollen zwischen 2024 und 2027 12-20 Luchse im Thüringer Wald ausgesetzt werden.

Nach der Corona-Pandemie ist es nun höchste Zeit, dass internationale Experten ihre Köpfe zusammenstecken, um bereits angestoßene Initiativen weiter voranzubringen. Rund 70 Fachleute aus über 15 Ländern wurden nach Wöltingerode eingeladen und werden sich hier unter der fachlichen Federführung der IUCN Cat Specialist Group am 11. und 12. Mai über weitere Maßnahmen zum Erhalt des Luchses beraten. Neben den technisch-biologischen Maßnahmen sollen dabei auch Fragen des Konfliktmanagements und die politischen Aspekte der Arbeit für den Luchs im Fokus stehen. Gefördert wird das Treffen unter anderem vom Ständigen Ausschuss der Berner Konvention und von der HIT Umweltstiftung.


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