Mittelalterliche Armbrustbolzen auf Rathausbaustelle gefunden


Restaurator Jens Klocke führt in der stilechten Kleidung eines mittelalterlichen Armbrustschützen vor, wie eine solche Waffe funktionierte. Foto: Stadt Goslar
Restaurator Jens Klocke führt in der stilechten Kleidung eines mittelalterlichen Armbrustschützen vor, wie eine solche Waffe funktionierte. Foto: Stadt Goslar

Goslar. Die Baustelle im historischen Goslarer Rathaus ist immer für eine Überraschung gut. Beim Umbau zum Welterbeinformationszentrum wurden erneut seltene historische Funde gemacht. Insgesamt fünf Armbrustbolzen entdeckten Zimmerer hinter einer hölzernen Verkleidung. Über diesen bedeutenden Fund berichtet die Stadt Goslar in einer Pressemitteilung.


Die historischen Geschosse wurden mittlerweile restauriert. Der Restaurator Jens Klocke schätzt, dass sie in der Zeit zwischen der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden.

Zunächst waren die Handwerker auf einen Bolzen gestoßen. Er war vom Dachboden aus hinter die massiven Bohlen der sogenannten Holzbohlentonne gefallen, die den großen Sitzungssaal umgeben. Kurze Zeit später fielen den Zimmerern der Denkmalbau GmbH Ettersburg vier weitere Armbrustbolzen in die Hände. „An dieser Stelle noch einmal ein großes Dankeschön an die Handwerker, die so umsichtig gehandelt und damit diesen seltenen historischen Fund gesichert haben“, sagte Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk bei der Präsentation im historischen Rathaus.

Massenware für den kriegerischen Einsatz


„Die Armbrust war im Spätmittelalter typische Fernwaffe bei Belagerungen“, weiß Jens Klocke. Für ihren Einsatz genügte eine kurze Ausbildungszeit und so war sie eine typische Bürgerwaffe, die im Bedarfsfall zentral ausgegeben werden konnte. „Im Unterschied zu mehrfach zu verwendenden Übungs-Bolzen für Schützenwettbewerbe handelt es sich bei den gefundenen Goslarer Bolzen um selten erhaltene Massenware für den einmaligen kriegerischen Einsatz.“ Der Restaurator erläutert die Bedeutung des Fundes: „Das ist ein sehr interessantes Beispiel einer Objektgruppe, die einst zu Tausenden existierten und von denen heute nur noch sehr wenige Exemplare erhalten sind.“ Noch seltener sei, dass ein solcher Bolzen nach Jahrhunderten unverändert seine Zeitblase verlasse. Das ermögliche Erkenntnisse über die Herstellung, die an Bolzen alter Waffensammlungen mit ihren späteren Überarbeitungen nicht mehr so klar abzulesen seien.

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Die Bolzen befinden sich in einem hervorragenden Zustand. Foto:


Eine durchdachte Waffe


So stellte der Restaurator bei seiner Arbeit an den fünf Bolzen aus dem Goslarer Rathaus denn auch einige Unterschiede fest – bei Holzart, Länge, Spitze oder Leim für die Befiederung. Die eiserne Geschossspitze des ersten Bolzens konnte er zur Bearbeitung beispielsweise vom Schaft abnehmen. „Die Verbindung ist nur gesteckt“, berichtet Klocke. Anders bei den später gefundenen Bolzen: Die Geschossspitzen sind noch fest mit dem Schaft verbunden. Der doppelte Vorteil der gesteckten Geschossspitze für die Schützen: Verfehlte der Bolzen sein Ziel, blieb die Spitze im Boden stecken. Die Gegner konnten das Geschoss also nicht als Munition gegen die Stadt wiederverwenden. Traf der Bolzen hingegen sein Ziel, blieb die Spitze meist in der Wunde oder der Rüstung stecken.

„Die Form der Geschossspitze zeigt, dass es sich nicht um einen Jagdbolzen, sondern um ein Geschoss für den kriegerischen Einsatz handelt. Er sollte nicht nur Textil- und Kettenpanzer, sondern auch bereits Plattenrüstung durchdringen“, berichtet Klocke. Die gedrungene Spitze und datierte Vergleichsstücke legen laut Restaurator die Vermutung nahe, dass der erste gefundene Bolzen etwa in der Zeit zwischen 1350 und 1400 entstanden ist.

Bolzen für Scharfschützen


Auch die Länge der Geschosse, zwischen 36,4 und 47,8 Zentimetern, gibt Aufschluss über ihre Verwendung. „Für eine normale Standard-Armbrust des 14. Jahrhunderts bis Anfang des 15. Jahrhunderts sind die Bolzen 1 bis 3 in ihrer Länge geeignet“, erläutert der Experte. Bei den beiden längeren Exemplaren handle es sich hingegen vermutlich um Bolzen für eine stärkere Armbrustklasse, die heute oft „Wallarmbrust“ genannt wird. „Es waren größere Armbrüste, die ein Fußsoldat nicht mehr einfach mit sich herumgetragen haben wird.“ Stattdessen habe es zum Spannen eine Spannbank oder eine Winde gebraucht. Bolzen Nummer fünf war nach Klockes Expertise ein präzises Geschoss, vermutlich mit gehärteter Spitze für einen Scharfschützen mit einer stärkeren Wallarmbrust. Damit konnten gepanzerte Ziele noch von der Stadtmauer herab in höherer Entfernung durchschlagen werden.


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