Seesen. In diesem Jahr feiert das jüdische Leben in Deutschland 1.700-jähriges Bestehen. Der Norddeutsche Rundfunk hat das große Jubiläum zum Anlass für einen Fernseh-Beitrag im Regionalmagazin „Hallo Niedersachsen“ genommen und die Wiege des Reformjudentums besucht: Seesen. Denn hier, in der kleinen Stadt am Harzrand, wurde große deutsch-jüdische Geschichte geschrieben: Der jüdische Kaufmann und Bankier Israel Jacobson errichtete im Jahr 1801 in Seesen die erste Reformschule, in der sowohl jüdische als auch christliche Schülerinnen und Schüler unterrichtet wurden – damals ein reformatorischer Meilenstein. Das berichtet die Stadt Seesen in einer Pressemitteilung.
Auf dem Schulhof seines Alumnats, dem heutigen Jacobsonplatz, erbaute Israel Jacobson außerdem die erste Reform-Synagoge der Welt, den Jacobstempel. „Diese Synagoge ist so besonders, weil sie den jüdischen Gottesdienst für die moderne Zeit öffnete, gepredigt wurde auf Deutsch, erstmals wurde ein Musikinstrument, eine Orgel, gespielt und Männer und Frauen waren nicht mehr durch eine Absperrung getrennt“, erklärt Dr. Jörg Munzel, Vorstandsmitglied des Israel Jacobson Netzwerks, NDR-Redakteurin Christina von Saß anhand der Rekonstruktion im Städtischen Museum Seesen.
Jacobstempel wird virtuell rekonstruiert
In Zusammenarbeit mit der Stadt Seesen hat er ein bisher einzigartiges Projekt auf den Weg gebracht: Die Sichtbarmachung des Ensembles aus Jacobsonschule und Reformsynagoge mithilfe sogenannter Extended Reality, einer Technik, bei der bestimmte Objekte und Gebäude auf dem Smartphone abgebildet werden und über die sogar eine virtuelle Begehung der Synagoge ermöglicht wird. Der in der Reichspogromnacht 1938 von den Nationalsozialisten vollständig zerstörte Jacobstempel wird so rekonstruiert und wieder erlebbar gemacht – ein innovativer Ansatz, der Geschichte von damals im Heute sichtbar werden lässt. Zukünftig kann das Modell der Seesener Synagoge dann nicht nur im Städtischen Museum, sondern sehr realitätsnah direkt auf dem Jacobsonplatz bestaunt werden.
Neben Dr. Jörg Munzel und Seesens Bürgermeister Erik Homann waren auch Dr. Franz Rainer Enste, Antisemitismusbeauftragter des Landes, sowie Judaistin Rebekka Denz beim NDR-Dreh zugegen. „Seesen ist nicht nur eine kleine Stadt am Harzrand, sondern der Mittelpunkt des Reformjudentums“, betonte Dr. Enste im Fernseh-Interview. Bürgermeister Erik Homann unterstrich die Bedeutung des Gedankens von Israel Jacobson auch für die heutige Zeit: „Im Jacobson-Haus waren früher die Schlafplätze sowie der Speisesaal untergebracht. Heutzutage dient das Gebäude als kulturelle Begegnungsstätte für alle Bürgerinnen und Bürger – der Gedanke Jacobsons lebt hier weiter.“ Ganz besonders im Jubiläumsjahr 2021 soll das einst florierende jüdische Leben in Seesen sichtbar gemacht werden. Ein Vorgeschmack dessen ist unter Berücksichtigung des tagesaktuellen Geschehens voraussichtlich am Freitag ab 19.30 Uhr im NDR-Regionalmagazin „Hallo Niedersachsen“ zu sehen.
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