Goslar. Unter Berufung auf verschiedene Störfälle in der Wasserversorgung im Landkreis Goslar stellt die AfD-Kreistagsfraktion in einer Anfrage an den Landkreis die These auf, dass viele öffentliche Haupt- und Hausanschlussleitungen im Trinkwassernetz ein bedrohlich hohes Abnutzungsalter erreicht hätten. Aufgrund der umfangreichen Antworten sei eine Beantwortung der Anfrage der Kreisverwaltung zufolge erst zur Kreistagssitzung am 14. Dezember möglich. Der Netzbetreiber Harz Energie gab gegenüber regionalHeute.de jedoch bereits jetzt ein Statement ab.
Während eines Spazierganges sei der Goslarer Kreistagsabgeordnete Dr. Tyge Claussen, Vorsitzender der AfD-Kreistagsfraktion, auf einen großen Aufsteller mit der Aufschrift "Wasserrohrbruch" vor einer Trinkwasseraufbereitungsanlage nahe Braunlage aufmerksam geworden. Angesichts der aus seiner Sicht häufigen Störfälle in diesem Jahr wurde Claussen hellhörig. In diesem Fall, so beruhigte Harz Energie auf Anfrage, sei das Schild jedoch wegen planmäßiger Wartungarbeiten aufgestellt worden, um Wanderer vor einer möglichen Gefahrenstelle zu warnen. "Anlass hierfür war in der Tat ein Routinevorgang, kein Störfall", so Netzbetreiber Harz Energie gegenüber regionalHeute.de.
Weist das Schild mit der Aufschrift Wasserrohrbruch auf einen neuerlichen Störfall nahe Braunlage hin? Harz Energie dementiert. Foto: Dr. Tyge Claussen
In seiner Anfrage an den Landkreis schildert Claussen unter anderem einen Störfall vom 27. Juni, bei dem in Braunlage unter hohem Druck eine Wasserleitung aus Kunststoff in der Straße "Am Fichtenhang" platzte und die Straße für mehrere Tage wegen der Wartungsarbeiten unpassierbar machte. Darüber hinaus seien beträchtliche Wasserschäden an einem Mehrfamilienhaus entstanden, dass sich talabwärts der Schadstelle befand und so von Trinkwasser und ausgespültem Sand und Kies geflutet wurde. "Verantwortlich für die Schäden ist das Wasserversorgungsunternehmen Harzenergie", stellt Claussen fest. Ob dieser Schaden reguliert wurde, könne Harz Energie jedoch nicht beantworten. Vom Unternehmen heißt es: "Die Regulierung gegenüber dem Gebäudeeigentümer und den Mietern obliegt dem Gebäudeversicherer des Hauseigentümers. Dieser regelt anschließend den Schadensausgleich mit unserer Versicherung."
Abkochgebote in Clausthal und St. Andreasberg
Mitte September 2020 kam es in Clausthal-Zellerfeld zu einem Abkochgebot wegen einer gesundheitsgefährdenden Verunreinigung des Trinkwassers mit Mikroben. Die Stadtwerke Clausthal-Zellerfeld arbeiten derzeit an einem Sanierungskonzept, das unter anderem den Austausch der teils über 70 Jahre alten Filteranlagen vorsieht. Die bakterielle Belastung des Trinkwassers mit Enterokokken tritt jedoch weiterhin sporadisch auf, sodass das Abkochgebot bis zur Aufhebung durch das Gesundheitsamt weiterhin Gültigkeit behält. "Offensichtlich hat die Stadt Clausthal-Zellerfeld bei ihrem Wasserwerk einen Sanierungsstau auflaufen lassen", schlussfolgert Claussen. Mitte Oktober 2020 führt eine mikrobielle Verunreinigung durch die gleichen Fäkalbakterien wie in Clausthal-Zellerfeld auch in St. Andreasberg schließlich zu einem Abkochgebot, das aber bereits am 23. Oktober wieder aufgehoben werden konnte.
Als "Sicherheitsrisiko" sieht der Kreistagsabgeordnete die Kunststoffwasserleitungen, die den Angaben der Anfrage zufolge für eine Nutzungsdauer von 50 Jahren ausgelegt sind, häufig aber seit den 60er Jahren in Betrieb seien. Weiterhin erhofft Claussen sich nähere Kenntnisse über den Zustand des Trinkwassernetzes im Landkreis über eine Auswertung der Störfallstatistik, die der Landkreis mit Daten der Wasserversorgungsunternehmen führt. Obgleich sich Harz Energie nicht zur problematischen Lage in Clausthal-Zellerfeld äußern kann, stellt ein Sprecher gegenüber regionalHeute.de klar, dass kein Zusammenhang zwischen dem Wasserrohrbruch in Braunlage und dem Abkochgebot in St. Andreasberg bestünde. Die Netze seien nicht nur voneinander getrennt, die Auswertung aktueller Daten der Bundesnetzagentur zeige sogar, dass die Ausfallzeiten im Versorgungsgebiet von Harzenergie rückläufig seien. Der Sprecher stellt klar: "Im Netzgebiet der Harz Energie stellen wir keine höhere Frequenz an Störfällen fest. Die Zahl der Rohrbrüche bewegt sich auf gleichbleibendem Niveau. Auch Abkochgebote sind sehr selten: In den letzten zehn Jahren musste das Trinkwasser in unseren fünf Trinkwassernetzen in Goslar, Osterode am Harz, Sankt Andreasberg, Braunlage und Seesen (Netzlänge: 1.146 km) dreimal abgekocht werden."
Umweltfaktoren verantwortlich für Abkochgebot
Als Ursache für die Verunreinigung des Trinkwassers in Sankt Andreasberg vermutet Harz Energie "organische Verunreinigungen", die nach dem dritten trockenen Sommer in Folge und starken Aufrissen im Boden, durch Niederschläge von der Oberfläche in die Förderbrunnen getragen wurden. "Anders gesagt: Hier liegt höhere Gewalt vor und nicht etwa mangelnde Wartung. Bestätigt wird dies auch durch eine Kontrolle der Anlagen durch das Gesundheitsamt des Landkreises Goslar. Diese war mängelfrei", so der Harz Energie-Sprecher weiter.
Auch gegen den Vorwurf überalterter Netze wehre man sich. Harz Energie habe in den letzten Jahren 40 Millionen Euro in die Sanierung der Strom-, Erdgas-, Wasser und Wärmenetze investiert. Der Konzernsprecher erklärt weiter: "Hinzu kommen die Ausgaben für Wartung und Instandhaltung. In allen Netzen sanieren wir Energie- und Wasserleitungen beziehungsweise -anlagen nach einem geprüften Wartungs- und Instandhaltungsplan, bei Auffälligkeiten auch vorsorglich." Die Hohe Qualität der Anlagen ließen sich auch durch externe Prüfer bestätigen: "Die Harz Energie Netz GmbH war eines der ersten Energieunternehmen in Norddeutschland, das in 2005 die Zertifizierung des Technischen Sicherheitsmanagements in drei Sparten (Erdgas, Strom, Trinkwasser) erhielt. In 2010 hat das Unternehmen diese freiwillige Überprüfung zum zweiten Mal und 2015 zum dritten Mal erfolgreich bestanden.
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