Tafel erinnert an hinterlistige Morde bei Hahndorf

von Alec Pein


Die Gedenktafel ist wieder da: Am Samstag konnte sie nach der Restauration enthüllt werden.  Foto: Alec Pein
Die Gedenktafel ist wieder da: Am Samstag konnte sie nach der Restauration enthüllt werden. Foto: Alec Pein



Hahndorf. Peix und Krämer wurden in unmittelbarer Nähe zu Hahndorf erschossen, um die Todesursache von SØrensen kann mangels Information nur gemutmaßt weden - doch eines Verbindet alle drei: Sie verbesserten die Lebensumstände ihrer Mithäftlinge in Zwangsarbeitslagern und fielen letzten Endes selbst der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus zum Opfer. Am Samstag enthüllte der Kirchenvorstand der St. Kilian-Kirchengemeinde im Beisein  des Vereins Spurensuche Harzregion e.V. sowie einigen Interessierten die restaurierte Gedenktafel mit den Namen dieser Männer auf dem Hahndorfer Friedhof.

Der Kirchengemeinde sei es ein besonderes Anliegen, an die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft zu erinnern, erklärte zu diesem Anlass Pfarrer Thomas Exner. Die Ereignisse, die zum Tod von Walter Krämer, Karl Peix und Henry Jens SØrensen führten, fanden direkt vor der Haustür der Gemeinde statt. Dr. Friedhart Knolle beschäftigt sich gemeinsam mit dem Verein Spurensuche Harzregion e.V. intensiv mit der nationalsozialistischen Geschichte in der Region. Zur Enthüllung der restaurierten Gedenktafel erläuterte er die Umstände, die zum Tode der drei Widerständler führten sowie Hintergründe zum KZ-Außenkommandos Goslar. Krämer wurde gleich nach der Machtübertragung an Hitler verhaftet, Peix war noch einige Monate an der Organisierung des Widerstandes aus der Illegalität beteiligt. Im KZ Buchenwald trafen sich die beiden wieder und gehörten zur Widerstandszelle im Krankenbau, die für etliche KZ-Häftlinge die Überlebenschance verbesserte.

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Dr. Friedhard Knolle. Foto:



Peix und Krämer besaßen für die Lagerführung gefährliches Wissen und wurden so unliebsame Zeugen, derer man sich entledigen wollte, erklärt Knolle. Wissen um die Korruption im Lager und vor allem die Syphilis-Erkrankung des Lagerführers Koch sorgten für Befehl des selben, sie in das KZ-Außenkommando Goslar schicken. Am 6. November 1941 wurden sie dort ermordet. Karl Peix wurde auf dem Gelände des Fliegerhorsts Goslar erschossen, Krämer in der Sandgrube Hahndorf.

Krämer ist mittlerweile weltweit bekannt: Er wurde im Jahr 2000 posthum durch den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ für die Rettung von Juden durch die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem geehrt. Im Gegensatz dazu findet der Name Karl Peix kaum Erwähnung. Am 20. Oktober 1944 starb, ebenfalls im KZ-Außenkommando Goslar, der dänische Häftling Henry Jens SØrensen im Alter von 46 Jahren. Über seine Todesursache liegen keine Informationen vor.

Zeitzeuge: "Als er sich nach einer Schaufel bückte, bekam er die tödlichen Schüsse."


Es gibt einen Zeugenbericht von Otto Storch, Häftling im Außenkommando Goslar, von 1946, der Auskunft über die Morde an Krämer und Peix gibt. Der Tathergang deckt sich mit einem weiteren Bericht von jemandem, der sich damals als Junge in einem Baum befand und das Geschehen hinter dem heutigen Friedhofsgelände beobachtete:

„Bei Walter Krämer hat sich das Verbrechen folgendermaßen abgespielt: Drei Häftlinge marschierten mit zwei Posten in die etwa eine Stunde vom Lager abgelegene Kiesgrube. Dort befand sich eine kleine Holzbude, in der in der Regel das Essen eingenommen wurde. Bisher war es nicht üblich, frühmorgens, nachdem die Häftlinge dort angekommen waren, Wasser zu holen. An diesem Tage mussten die zwei anderen Häftlinge in dieser Unterkunft bleiben. Sie wurden von den Posten bewacht. Walter Krämer musste einen Eimer nehmen, um von der in der Nähe liegenden Quelle Wasser zu holen. Ich bin überzeugt, dass er völlig ahnungslos war. Der zweite Posten ging hinter ihm her. Nachdem sie die Baubude verlassen hatten, fielen kurz hintereinander zwei Schüsse. Die beiden anderen Kameraden wollten nachsehen, wurden aber von dem Posten daran gehindert."

"Karl Peix wurde aus dem Kartoffelkeller … herausgeholt, angeblich um Werkzeug zu sammeln. Man hatte außerhalb der Baustellen im Fliegerhorst einige Schaufeln und Hacken hingelegt, und zwar an einem ziemlich einsam gelegenen Ort. Peix ging mit seinem Mörder, um dieses Werkzeug zu holen. Als er sich nach einer Schaufel bückte, bekam er die tödlichen Schüsse."

Hintergrund


In unmittelbarer Nähe zu Hahndorf befanden sich zwei Lager: Das Zwangsarbeitslager und Außenkommando Goslar des KZ Buchenwald nordwestlich zum heutigen Fliegerhorst sowie 350 Meter nördlich das SS-Barackenlager, ein Ausbildungslager der Waffen-SS. Letzteres befand sich unmittelbar westlich an der Verbindungsstraße zwischen Fliegerhorst und Güterbahnhof Grauhof und wurde offenbar Zeitweise ebenfalls als Arbeitslager genutzt.
Hinweise auf die Anzahl der während der NS-Zeit auf dem Fliegerhorst beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte finden sich in verschiedenen Quellen. In einem Verzeichnis der erteilten Aufenthaltserlaubnisse für den Zeitraum von November 1938 bis Ende April 1944 sind insgesamt 87 Personen unterschiedlicher Nationalitäten aufgelistet, die mit einer Arbeitstätigkeit auf dem Fliegerhorst in Verbindung zu bringen sind (StA GS RR VII/37/2). 44 stammten aus Ungarn, 16 aus Danzig, 13 aus Slowenien, 5 aus der Tschechoslowakei, der Rest aus Rumänien, Jugoslawien, Ostmark, Türkei, Polen und Italien. Der älteste war bei der Ankunft 60, der jüngste 16 Jahre alt. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Bau- und Bauhilfsarbeiter, Erdarbeiter und Tiefbauarbeiter, den Rest bilden die Berufsgruppen Schuhmacher, Maurer, Maler, Eisengießer, Schmied, Schneider und Haushaltshilfe. 32 dieser Zwangsarbeiter waren im Barackenkomplex und 42 direkt auf dem Fliegerhorst untergebracht. Belegt ist außerdem die Unterbringung von 14 Zwangsarbeitern in Privatquartieren. Dr. Peter Schyga machte am 9.10.1997 im Zuge eines Vortrags über den aktuellen Kenntnisstand „Goslar 1918 - 1945" (GZ 1997) Angaben für den Zeitraum 1940 bis 1945 – seinerzeit waren auf dem Fliegerhorst insgesamt 232 Zwangsarbeiter beschäftigt. Die Belegung der Baracken für den Fliegerhorst gab Schyga mit 253 Personen an (nach GIESECKE 2010). Nach FIEDLER & LUDEWIG (2003) waren auf dem Fliegerhorst Goslar während der NS-Zeit insgesamt ca. 500 Arbeiter unterschiedlicher Nationalitäten untergebracht. Die Autoren nennen 154 Italiener, 140 Polen, 80 Russen, 50 Ungarn, 44 Franzosen, 35 Slowenen, 23 Holländer, 8 Belgier sowie freiwillige Arbeiter.

Wann das Barackenlager eingerichtet wurde, ist noch unklar, doch wahrscheinlich bestand es bereits seit Beginn der Bauphase des Fliegerhorsts. Die an der nordwestlichen Peripherie des Fliegerhorstes befindlichen Baracken, die zur Unterbringung der Zwangsarbeiter diente, sind erstmalig auf einem undatierten Lageplan dargestellt, der das Fliegerhorstgelände nach der Bebauung 1936 zeigt. Da auf diesem Lageplan auch das unmittelbar südwestlich des Barackenkomplexes befindliche und aus drei Einzelgebäuden bestehende Vorwerk Grauhof eingezeichnet ist, das nachweislich erst im Sommer 1938 errichtet wurde (GZ vom 7.3.1938), ist der Plan wohl um Jahresmitte 1938 einzuordnen. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch der militärische Flugbetrieb aufgenommen. Im Sommer 1938 wurde das neue Vorwerk einschließlich neuer Scheune aufgebaut – ein Schafmeister mit seiner Schafherde war bereits eingezogen (GIESECKE 2010).

SS-Barackenlager Hahndorf
Ab 1.8.1939 wurde eine erste Teilfläche, die verwaltungsmäßig zum im Landkreis Goslar befindlichen Gemeindegebiet von Hahndorf gehörte, von der Klosterkammer Hannover an das Reich verpachtet. Darauf wurde aus mit der Reichsbahn angelieferten Fertigteilen das Barackenlager errichtet, das aus 18 langgestreckten, ca. 55 m langen und ca. 15 m breiten sowie 4 etwas kleineren Baracken bestand. Die Baracken des Lagers waren teilweise unterkellert. Auf der der Südseite des Lagers befand sich im Keller der Küchenbaracke das zentrale Lagerheizwerk. Die Heizungsanlagen waren in einem ca. 6 - 7 m tiefen Keller installiert. Die vier auf der Nordseite des Lagers gelegenen Baracken dienten zur Unterstellung des Fahrzeugparks und als KFZ-Werkstätten – daher verfügten sie über zahlreiche Montagegruben. Die übrigen Baracken dienten als Ausbildungs- und Unterkunftsgebäude. In der Nordwestecke des Lagerkomplexes befanden sich ein Wasserwerk sowie eine Kläranlage. Die aus der Westseite des Geländes gelegene Freifläche wurde als Exerzierplatz genutzt. In dem Lager war die Nachrichten-, Ersatz- und Ausbildungsabteilung 3 (NEA 3) der Waffen-SS stationiert. Die NEA 3 bestand aus dem Abteilungsstab, zwei Fernsprechkompanien, zwei Funkkompanien sowie einem Funkmeisterlehrgang und hatte eine Gesamtstärke von ca. 1.600 Mann. Die Einheit hatte die Aufgabe, die Fernsprechdivisionen der Waffen-SS mit ausgebildeten Fernsprechern, Funkern und Funkmeistern zu versorgen. Alle Einheiten waren mit Karabiner und leichtem Maschinengewehr ausgerüstet (BLUME & SCHULZ 1974).

Vom 20.10.1944 bis 25.3.1945 wurde hier ein Außenlager des KZ Neuengamme eingerichtet. Die Häftlinge mussten ebenfalls für die SS-Bauleitung Goslar arbeiten. Im März 1945 hatte das Kommando 15 Häftlinge, die wohl Gärtner- und Büroarbeiten leisteten. Sie waren im SS-Lagergefängnis untergebracht. Es gab es mindestens einen Todesfall – der dänische Häftling Henry Jens Sørensen, vermutlich von Beruf Arzt, starb am 20.10.1944 im Alter von 46 Jahren. Wahrscheinlich führten die überanstrengende körperliche Arbeit und zu kleine Nahrungsrationen zu seinem Tod. Er wurde auf dem Friedhof Hahndorf beerdigt (JANZ 2010). Dort erinnert eine 2016 renovierte Gedenktafel im Eingangsbereich an ihn sowie Karl Peix und Walter Krämer. Die Fläche des SS-Barackenlagers ist heute umwallt und beherbergt den Standort Goslar der Fa. Recycling-Park Harz GmbH (www.recyclingpark.de).

Aus "Die Lager am Militärflughafen Fliegerhorst Goslar – Zwangsarbeit, KZ-Außenlager, SS-Ausbildung und Displaced Persons" der  Spurensuche Harzregion e.V., Dr. Friedhart Knolle fknolle@t-online.de Frank Jacobs f-jacobs@t-online.de.


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