Goslar. Das „Goslarer Netzwerk gegen häusliche Gewalt“ stellt beim diesjährigen Fachtag im November 2017, die Kinder in den Fokus des Fachvortrages. 192 Kinder und Jugendliche sind im Jahr 2016 bei 198 bekannt gewordenen Fällen im Landkreis Goslar zumindest Zeugen häuslicher Gewalt geworden.
Kinder, die anwesend sind, wenn es zwischen Menschen, denen sie vertrauen, zu Beleidigungen, Beschimpfungen, Schlägen, Bedrohungen, Demütigungen, sexualisierter Gewalt, totalem Kontrollverlust und Erniedrigungen kommt. Welche Auswirkungen hat erlebte häusliche Gewalt auf die kindliche Entwicklung?
Solche Erlebnisse können zu einer massiven Kindeswohlgefährdung führen. Es entsteht ein Bedarf an umfassender Hilfe, meist liegen Komplextraumata und Komplexstörungen und eine Vielfalt an Beeinträchtigungen vor. Fachkräfte sollen bei dem am 1. November ab 13.30 Uhr im Kreistagssaal des Landkreises Goslar in der Klubgartenstraße 6 stattfindenden Fachtag sensibilisiert werden. Sie erhalten Informationen, wie sie mögliche Auswirkungen und Belastungen bei Kindern und Jugendlichen erkennen können, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Der Fachvortrag wird von der Diplom-Sozialpädagogin und Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Frau Sabine Lück aus Wendeburg gehalten. Frau Lück stellt im Laufe des Nachmittags das Konzept der „Spiele-Apotheke“ vor, das wirkungsvolles Handwerkszeug für pädagogisches Fachpersonal enthält.
Der Fachtag setzt die Reihe fort, in der das Netzwerk immer wieder auf das Thema häusliche Gewalt aufmerksam macht und wendet sich an Teilnehmende aus den Bereichen Pädagogik, Schule, Justiz, Psychotherapie, Polizei und alle interessierten Bürgerinnen und Bürger
Die Anmeldung kann bis zum 20. Oktober unter E-Mail: Fachtag-Haeuslichegewalt@landkreis-goslar.de, erfolgen. Die Tagungspauschale in Höhe von 5 Euro ist bei der Veranstaltung zu entrichten.
Für weitere Fragen steht Frau Marion Becker, E-Mail: marion.becker@polizei.niedersachsen.de, zur Verfügung.
Fachtag: „Wenn Kinder uns an Grenzen bringen“
Mittwoch, 1. November 2017
13.30 bis 17 Uhr
Kreishaus Goslar
Veranstalter ist das „Goslarer Netzwerk gegen häusliche Gewalt“, zu dem die folgenden Institutionen gehören:
AWO Kreisverband Region Harz e. V., Beratungs- und Interventionsstelle ( BISS ), Kinder/Jugendberatungs- und Informationszentrum ( Kibiz ), Frauenhaus Goslar, Landkreis Goslar –Gleichstellungsstelle und Allgemeiner Sozialdienst, Stadt Goslar - Gleichstellungsstelle, Amtsgericht Goslar- Familienrichter, Polizeiinspektion Goslar- Präventionsteam, Weißer Ring, Deutscher Kinderschutzbund OV Goslar, Asklepios Harzklinik Goslar.
Hintergrund
Im Jahr 2016 wurden der BISS im Landkreis Goslar 198 Fälle häuslicher Gewalt bekannt. 192 Kinder und Jugendliche lebten in den betroffenen Haushalten. Dreiviertel der Fälle werden durch Polizeieinsätze bekannt. Die Polizei ist in den meisten Fällen somit die erstintervenierende Stelle. Sie beendet die akute Gewalt und schafft einen Schutzraum für das Opfer. Die Polizei hat die Möglichkeit die Verursachenden bis zu 14 Tage aus der gemeinsamen Wohnung wegzuweisen. In 43 Fällen wurden im Jahr 2016 für jeweils 7 bis 14 Tage Verweisungen aus der gemeinsamen Wohnung erteilt. Außerdem führt die Polizei Gefährderansprachen durch. Der Rest der Betroffenen hat den Kontakt selbständig zur BISS beziehungsweise zum Frauenhaus gesucht. Bei Bekanntwerden von Fällen häuslicher Gewalt arbeiten die Mitglieder des Netzwerkes eng miteinander zusammen.
Über die Erstberatung der BISS hinaus ist die psychosoziale Begleitung für die Hilfesuchenden sehr wichtig. Die Betroffenen können sich häufig aus eigenen Kräften nicht aus dem Gewaltkreislauf befreien. Hier unterstützen die im Netzwerk beteiligten Institutionen die Opfer. 52 Frauen wurde im Jahr 2016 ein Aufenthalt im Frauenhaus empfohlen. Hochrisikofälle machen die Frauenhäuser unverzichtbar, sie bieten Schutz, Unterkunft, Beratung und Unterstützung. Das Kinder/Jugendberatungs- und Informationszentrum Kibiz kümmert sich um die jüngsten Familienmitglieder, die Augenzeugen häuslicher Gewalt geworden sind und Betreuung benötigen. Beim Familiengericht können weitere Regelungen für den Umgang getroffen werden. Jedes Mitglied des Goslarer Netzwerkes hat seinen Platz in der Interventionskette. Die unterschiedlichen Hilfesysteme im Landkreis Goslar sind durch die Vernetzung für Betroffene leicht und unbürokratisch erreichbar.
Das Netzwerk besteht seit 2002 und macht immer wieder mit unterschiedlichen Aktionen und Vorträgen auf die Problematik „Häusliche Gewalt“ aufmerksam. Die Tendenz ist leider weiter steigend. Im Jahr 2003 wurden 57 Fälle häuslicher Gewalt bekannt, im Jahr 2016 waren es 198. Sie findet oft im Verborgenen statt oder wird als „Privatangelegenheit“ der Familie betrachtet. So leiden Betroffene oft jahrelang. Das wirkt sich vor allem bei Kindern schädigend auf ihre Gesamtentwicklung aus.
Häusliche Gewalt bezeichnet körperliche, sexuelle, psychische und wirtschaftliche Gewalt bzw. Gewalttaten zwischen Menschen, die in einem Haushalt zusammen leben. Unter dem Oberbegriff der häuslichen Gewalt fallen deshalb nicht nur Gewalt in Paarbeziehungen (vor, während und nach einer Trennung), sondern auch Gewalt gegen Kinder, Gewalt von Kindern gegenüber ihren Eltern, Gewalt zwischen Geschwistern und Gewalt gegen im Haushalt lebende ältere Menschen.
Weitere Informationen zur Referentin: www.glueckspiele.info
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