Gottesdienste an Karfreitag - Landesbischof predigt in Videobotschaft

Kirchliche Veranstaltungen sind aufgrund der Allgemeinverordnung zur Eindämmung des Coronavirus verboten. Landesbischof Dr. Christoph Meyns wendet sich mit einer Videopredigt an die Gläubigen.

Der Landesbischof wendet sich an diesem besonderen Karfreitag mit einer Videopredigt aus dem Braunschweiger Dom an die Gläubigen.
Der Landesbischof wendet sich an diesem besonderen Karfreitag mit einer Videopredigt aus dem Braunschweiger Dom an die Gläubigen. | Foto: Robert Braumann

Braunschweig. Es ist ein wahrlich besonderes Osterfest in diesen Tagen, auf welches sich auch die Kirche einstellen muss. Die zu Karfreitag normalerweise gut besuchten Kirchen bleiben leer. Doch für alle Daheimgebliebenen, die sich in diesem Jahr dennoch nach der Geistlichkeit sehnen, bietet die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig die Predigt laut einer Pressemitteilung als Video auf ihrer Website an.


Die Videopredigt von Landesbischof Dr. Christoph Meyns können Sie hier sehen.

Die Corona-Krise, so Meyns weiter, habe unseren Alltag gründlich unterbrochen. Jetzt sei die Zeit, sich auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist. Mehr denn je sei der Karfreitag in diesem Jahr ein Tag, der uns an die grundlegenden Fragen des Lebens erinnere.

Die gesamte Predigt lesen Sie im Folgenden im Wortlaut:

Am Karfreitag gedenken wir der Hinrichtung Jesu am Kreuz. Der Tag führt uns hinein in menschliche Abgründe, in das Leiden eines Unschuldigen, in Gewalt und Tod. Eine mittelalterliche Skulptur hier im Dom führt uns das Schicksal Jesu vor Augen. Auf er- greifende Weise zeigt sie Jesus kurz vor seiner Kreuzigung. Er sitzt trauernd auf einem Stein, den sicheren Tod vor Augen.

Warum erinnern wir uns an das Leiden Jesu am Kreuz? Warum tun wir uns das an? Sind wir Christen in das Leiden verliebt? Nein, sicher nicht. Zum einen finden viele Menschen ihr eigenes Leiden in der Gestalt des trauernden Jesus ausgedrückt. Deshalb liegt an dieser Stelle ein Buch aus, in das sie schreiben können, was sie bedrückt und bringen es damit im Gebet vor Gott. Wir haben keinen Gott, der als gesichtsloses Schicksal über allem thront, sondern einen Gott, der selbst tiefes Leid erlebt hat und der uns deshalb nahe ist in unserem Leid.
Zugleich stellen wir Christen uns damit einer Dynamik, die das Leben aller Menschen bestimmt. Diese Dynamik zeigt sich in vielen Verhaltensweisen. Wir Menschen sind aggressive Lebewesen. Unsere Aggressivität zeigt sich manchmal subtil, indem wir andere kleinhalten und einander das Leben mit kleinen Gemeinheiten zur Hölle machen. Sie zeigt sich durch Trägheit, die wegsieht, wenn Menschen unter unhaltbaren Zuständen in Flüchtlingslagern vegetieren oder im Mittelmeer ertrinken.

Unsere Aggressivität zeigt sich, indem wir in selbstmörderischer Weise die natürlichen Grundlagen zerstören, von denen wir leben oder ganz offen durch Terror, Krieg und Gewalt. Der Drang zu Zerstörung und Selbstzerstörung ist ein tiefverwurzelter Zug des Menschen. Wir sind alle in diese Schuld verstrickt, wenn nicht durch bewusstes Handeln, dann durch Gedankenlosigkeit oder mangelnden Widerstand gegen die Vernichtung von Leben.

Woran liegt das? Anders als Tiere wissen wir, dass wir sterben werden. Die Angst davor treibt uns, alles zu tun, um unser Leben zu sichern und dem Tod so lange wie möglich zu entgehen. Wir suchen nach Sicherheit – auch auf Kosten anderer. Das Horten von Toilettenpapier und haltbaren Lebensmitteln mag man noch ins Lächerliche ziehen. Aber wir wissen, wozu Menschen im Bösen fähig sind. Notfalls gehen Menschen auch über Leichen, selbst wenn sie sich am Ende damit selbst zerstören. Eben diese Dynamik von Todesangst, Zerstörung und Selbstzerstörung erkennen wir, wenn wir den leidenden Christus sehen. An keinem Tag wird uns das deutlicher vor Augen geführt als am Karfreitag.

Wäre das alles, was am Karfreitag zu sagen wäre, dann müssten wir über uns Menschen verzweifeln. Aber es geht an diesem Tag um einen Ausweg. Schauen wir auf die Jüngerinnen und Jünger Jesu. Weder hat die Kreuzigung dazu geführt, dass sie verzweifelten. Noch haben sie sich dem bewaffneten Kampf gegen die Römer angeschlossen. Vielmehr wurde das Kreuz für sie zum Zeichen der Liebe Gottes. Und eben diesen Glauben haben sie gepredigt. Wir Christen glauben, dass uns mit Jesus Christus Gott selbst begegnet. Christus stirbt am Kreuz unseren Tod. Gott selbst nimmt unseren Tod in sich auf. Er nimmt unseren Tod vorweg und erlöst uns damit aus unserer zerstörerischen Todesfurcht.

Davon zeugt das berühmteste Kunstwerk hier im Dom, das Imervard-Kreuz. Es wurde um 1150 nach einem Vorbild aus Italien gefertigt und ist nach dem Namen des Bildhauers Imervard benannt. Es zeigt den Gekreuzigten nicht als leidenden Menschen, sondern als König und Sieger. Er ist mit einem herrschaftlichen Gewand bekleidet und schwebt mehr vor dem Kreuz, als dass er daran hängt. Auf seinem Haupt befand sich ursprünglich ein goldenes Diadem als Zeichen der Königswürde.

Hier begegnet uns das Leiden Jesu ganz anders, nämlich mit den Augen des christlichen Glaubens betrachtet. Die Macht des Todes über uns Menschen ist gebrochen. Eine neue Perspektive für den Menschen tut sich auf, die Perspektive eines versöhnten Lebens. Versöhnt mit sich selbst und seinem Gott. So gewinnt der Mensch festen Halt im Leben. Der Karfreitag steht also für beides. Er steht für das Erschrecken über den Menschen als mörderisches Wesen, und er steht zugleich für seine Erlösung.

Die Corona-Pandemie hat unseren Alltag gründlich unterbrochen. Viele haben Zeit zum Nachdenken. Wir können uns auf das besinnen, was wirklich wichtig ist. Wenn wir den Karfreitag in diesem Sinne nutzen, werden wir an grundlegende Fragen des Lebens geführt. Wir erkennen unsere Sterblichkeit, die Angst, die davon ausgeht und die zerstörerische Macht, die sie über uns hat. Angst aber ist kein guter Ratgeber. Das Kreuz Christi hilft, mit Angst zu leben und sie Stück für Stück durch Vertrauen zu überwinden.


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