Nürnberg. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm spricht sich dafür aus, den Ruhestand im Alter von 63 Jahren nur noch Menschen mit gefährdeter Gesundheit zu ermöglichen. "Die Rente mit 63 sollte zumindest eingeschränkt werden", sagte die Ökonomin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
"Ein frühzeitiger Renteneintritt ohne Abschläge sollte dann möglich sein, wenn es gesundheitliche Gründe gibt." Grimm gab zu bedenken, dass die Rente mit 63 für viele einen Anreiz schaffe, früher in den Ruhestand zu gehen, ob mit oder ohne Abschläge. "Vor allem Gutverdiener machen davon Gebrauch. Das verschärft den Fachkräftemangel", mahnte sie.
In den vergangenen Jahren seien "viele Rentengeschenke verteilt" worden, kritisiert das Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft. Der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung sei nicht zuletzt deshalb zwischen 2003 und 2021 von 77 auf 112 Milliarden jährlich angestiegen. Jetzt stehe der Renteneintritt der Babyboomer-Generation bevor. "Eine wichtige Stellschraube ist daher, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung anzupassen", fordert Grimm.
Die Wirtschaftsweise schlug eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die fernere Lebenserwartung vor. Bis 2031 steige das Rentenalter ohnehin auf 67 Jahre. "Danach würde man - entsprechend der prognostizierten Lebenserwartung - alle zehn Jahre acht Monate länger arbeiten", sagte sie. "Bei der Rente mit 70 ist man da noch lange nicht."
Eine begrenzte Lockerung der Schuldenbremse hält Grimm unterdessen für möglich. Bei niedrigen Staatsschuldenständen könne man "etwas mehr strukturelle Verschuldung" zulassen, sagte sie. "Wenn man aber will, dass künftige Generationen genauso kraftvoll auf Krisen reagieren können, wie wir das in der Corona-Pandemie und der Energiekrise getan haben, sind die Spielräume nicht so hoch: zwischen fünf und 20 Milliarden pro Jahr." Um Strukturreformen und den Abbau von Subventionen komme Deutschland nicht herum.
Grimm schloss sich darüber hinaus Forderungen an, die wachsenden Investitionen in die Bundeswehr langfristig aus dem regulären Haushalt zu bestreiten. "Das Sondervermögen reicht ungefähr für vier Jahre. Immer neue Sondervermögen sind aber keine Lösung", sagte sie. "Man sollte anstreben, das Geld für die Bundeswehr auf Dauer aus dem laufenden Haushalt aufzubringen."
Zudem gehen nach Grimms Ansicht die Pläne der Ampelkoalition zur Beendigung der Steuerklassen 3 und 5 nicht weit genug. "Durch die Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 kommt direkt mehr vom Lohn auf dem Konto an - psychologisch ein wichtiger Faktor", sagte sie den Funke-Zeitungen. "Man sollte aber einen Schritt weitergehen und das Ehegattensplitting reformieren, um die Arbeitsanreize für Frauen zu erhöhen."
Das bisherige System mache es für den Ehepartner mit dem geringeren Einkommen unattraktiver zu arbeiten, kritisiert Grimm. Meist sei das die Frau.
Steuern und Abgaben sollten grundlegend auf den Prüfstand, fordert sie. "Die nächste Bundesregierung sollte eine größere Steuerreform in Angriff nehmen, die auch die Einkommensteuer umfasst", so Grimm. "Es geht nicht zuletzt um eine Vereinfachung des Steuersystems."
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