Großes Interesse an Diskussion über Kralenriede

von Robert Braumann


Die Landesaufnahmebehörde in Kralenriede war zentraler Diskussionspunkt beim Leserforum. Fotos: Robert Braumann/Sina Rühland
Die Landesaufnahmebehörde in Kralenriede war zentraler Diskussionspunkt beim Leserforum. Fotos: Robert Braumann/Sina Rühland | Foto: regionalHeute.de



Braunschweig. Es wurde sehr voll in den Räumlichkeiten der Ecclesia Gemeinde in der Boeselagerstraße 15.  Einige mussten sogar stehen, um noch an der Veranstaltung teilnehmen zu können. Das Thema des Abends: Die Flüchtlingssituation in der Löwenstadt. Die Braunschweiger Zeitung hatte zum Leserforum geladen und regionalBraunschweig.de hat sich für Sie die Veranstaltung angeschaut und angehört.

Eröffnet wurde der Abend mit einzelnen Interviews mit Sozialdezernentin Dr. Andrea Hanke, Polizeipräsident Michael Pientka, Christine Möricke-Abifade, Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, Standortleiterin Braunschweig, Cordula Müller, Leiterin Polizeidirektion Braunschweig, Uwe Schmiedt, Polizei Braunschweig, Polizeistation Nord, Landesbischof Dr. Christoph Meyns und Christian Blümel, DRK Braunschweig.

Zunahme der Kriminalität?


Die Vertreter der Polizei waren sich einig, es gibt einen Unterschied zwischen objektivem und subjektivem Sicherheitsgefühl.  Subjektiv sei es sicherlich so, dass die Lage in Kralenriede besonders für die Bürger vor Ort zu einem niedrigeren Sicherheitsgefühl geführt hätte. Mit Zahlen ließe sich ein Anstieg der Kriminalität aber nur bedingt belegen. Es würden mehr Diebstähle vor Ort verzeichnet, das beziehe sich vor allem auf die Supermärkte und auch bei den Körperverletzungen sei ein Anstieg zu verzeichnen. Allerdings wären es überwiegend Fälle, die sich auf dem Gelände der Landesaufnahmebehörde abgespielt hätten. Weitere Auffälligkeiten könne man statistisch nicht belegen.

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Cordula Müller appellierte an die Bürger. Foto:



Cordula Müller appellierte an die Bürger, sich direkt an die Polizei zu wenden, sollten sie Probleme haben und sich auch zu melden, sollten sie Zeuge eines Vorfalls werden. Es würden eine Menge Geschichten erzählt werden. Der Wahrheitsgehalt dieser sei nur sehr schwer zu fassen, wenn die betroffenen Personen sich nicht direkt melden würden.

Keine Verharmlosung


Michael Pientka fügte hinzu, dass man keinerlei Straftaten unter den Tisch fallen lassen würde und die Situation auch nicht verharmlosen wolle. Er verwies auf den Pressecodex.

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Polizeipräsident Michael Pientka. Foto:



Die Richtlinie 12.1 des Pressekodex soll verhindern, dass Journalisten Minderheiten diskriminieren. Sie lautet: "In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte." Man sei aber dazu übergegangen, Bezug zur LAB herzustellen, sollte eine Straftat damit zusammenhängen, auch um Transparenz zu gewährleisten. Eine Polizeistation direkt in Kralenriede sahen die Vertreter der Polizei als nicht zielführend an. Man habe sich aber dazu entschieden, in den Abendstunden Beamte direkt auf dem Gelände der LAB zu stationieren. Dadurch sollen aufkommende Konflikte gleich unterbunden werden. Diese Maßnahmen werden seit einer Woche ausgeführt.

"Wir haben doch selbst Flucht und Krieg erlebt"


In diesem Zusammenhang berichteten Mitarbeiter der ProSENIS Blinden- und Senioreneinrichtung in der Boeselagerstraße, dass viele Bewohner Angst hätten, da ständig die Polizei vor Ort sei. Es wurde den Mitarbeiterinnen ein Informationsabend der Polizei im Seniorenheim zugesagt, um sie über die Lage aufzuklären. Daraufhin meldeten sich drei ältere Damen, die in dieser Einrichtung wohnen, zu Wort und sorgten für den Moment des Abends. "Man muss mit den Menschen ins Gespräch kommen.

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Die älteren Damen äußerten sich. Foto:



Die Menschen sind so dankbar, die strahlen dann immer, auch wenn ich eine alte Oma bin. Ich habe keine Angst vor denen und der Situation", so eine Bewohnerin. Eine Weitere fügte hinzu: "Wir haben doch selbst Flucht und Krieg erlebt. Ich würde denen gerne Deutsch beibringen, wenn ich es organisieren könnte". Die Damen waren sich aber auch einig, dass es nicht für alle Bewohner so leicht sei. Die Busse wären zu voll und nicht alle wären noch so fit. Man käme mit einem Rollator kaum in die überfüllten Busse. Durch die Überfüllung der LAB wären einige vollkommen abgeschnitten vom sozialen Leben, da sie tatsächlich Angst hätten und auch keinen Besuch mehr bekämen.

"Große Herausforderung, aber kein Problem"


Sozialdezernentin Dr. Andrea Hanke bemerkte im weiteren Verlauf, dass noch dringend Mitarbeiter für die Betreuung der momentan 142 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gesucht werden. Es soll zudem ein Patenprogramm aufgelegt werden. Auch Unterbringsungsmöglichkeiten für die Jugendlichen fehlen weiterhin.

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Klare Worte von Dr. Andrea Hanke. Foto:



Zur allgemeinen Situation sagte sie: "Ich hätte mir gewünscht, dass der Bund und das Land früher erkannt hätten, was da auf das Land zukommt" und erntete dafür viel Applaus. "Es ist eine große Herausforderung für uns alle, aber kein Problem, ich möchte das gerne jetzt so positiv sehen. Wir sind keine aufnehmende Kommune, dafür sollten wir sehr dankbar sein", so die Dezernentin. Auf eine Frage aus dem Zuschauerbereich nach der Gefährdung durch Krankheiten, die von Flüchtlingen nach Braunschweig gebracht werden, antwortete Hanke: "Es gibt momentan keine besondere Gesundheitsgefährdung". Sie könne nicht gewährleisten, dass dies immer so bleibe, aber schließlich könne man sich immer bei irgendjemand mit einer Krankheit anstecken, zum Beispiel beim Nachbarn, der gerade von einer Urlaubsreise gekommen sei oder ähnliches.

Noch 3.200 Flüchtlinge


Christine Möricke-Abifade stellte klar: "Wir haben eine Krise, aber an Krisen kann man auch wachsen. Ich habe ein hochmotiviertes Team und alle wollen helfen. Das kann auch Spaß machen." Man habe seit Donnerstag noch 3.200 Menschen in der LAB. Rund 800 Personen sind in Zelten untergebracht, die winterfest sind. "Es ist sicherlich nicht die Privatsphäre, die wir uns wünschen.

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Die Standortleiterin am Mikrofon. Foto:



Die Dankbarkeit der Flüchtlinge ist dennoch da. Die Flüchtlinge merken zum ersten Mal, dass wir ein Verfahren haben, dass sich um sie gekümmert wird. Sie können einfach mal eine Frage stellen und bekommen sie beantwortet. Mein größter Wunsch ist, dass die Menschen nicht in Zelten überwintern müssen, doch der Markt an Containern ist leergefegt. Wir arbeiten daran die Zelte abzubauen", so die Standortleiterin. Man fühle sich weiterhin gut aufgenommen in Kralenriede und habe überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Dennoch könne man auch die Sorgen und Ängste der Menschen verstehen und hätte immer ein offenes Ohr, sollte jemand eine Frage haben.

"Begegnungen sind der Schlüssel"


Christian Blümel, DRK Braunschweig und Landesbischof Dr. Christoph Meyns, lobten die Hilfsbereitschaft der Braunschweiger. Der Schlüssel liege darin, dass sich die Menschen begegnen. würden.

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Der Landesbischof nahm Stellung. Foto:



Oft könnten so die Vorurteile abgebaut werden. Blümel berichtete, dass viele Flüchtlinge ihm erzählen würden, dass sie keinem zur Last fallen wollen und selbst etwas tun möchten. Meyns ergänzte: "Es gibt keine Grenze der Nächstenliebe. Wir fragen nicht, was können wir nicht tun, sondern was können wir tun." Dennoch müsse man auch im Hinterkopf haben, was wirtschaftlich machbar sei. Es herrschte überwiegend eine friedliche, gespannte Atmosphäre. Dennoch gab es auch kritische Töne, so beschwerten sich Anwohner des Steinriedendamms, dass häufig Flüchtlinge bei ihnen in die Gärten pinkeln würden, laut und alkoholisiert wären. Christine Möricke-Abifade konnte den Ärger verstehen. Es würde sich dabei aber um eine geringe Anzahl von Asylbewerbern handeln. Sie geht von einer Entspannung aus, wenn es weniger Menschen in der LAB sind und sei guter Hoffnung, dass dies auch in Zukunft passieren würde. Einen Zeithorizont vermochte sie aber nicht zu nennen. Den Vorschlag Zettel mit Benimmregeln zu verteilen, erachtete sie als nicht zielführend.

Einen Monat auf der Flucht


Zum Abschluss des Abends berichtete ein Bewohner der LAB über sein Schicksal. Er ist aus Damaskus geflohen, wo er bei der Caritas als Sozialarbeiter tätig war.

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Das Interesse war groß. Foto:



Knapp zweimal sei er dem Tod entkommen und habe einen Monat für seinen Weg nach Deutschland gebraucht. Er wünsche sich nichts sehnlicher als seine Familie nachholen zu können und bedankte sich für die Unterstützung, die ihm hier zu Teil werden würde. Alle Akteure waren sich einig, dass die Flüchtlingssituation noch lange nicht ausdiskutiert sei und man auch in Zukunft offen in den Dialog treten müsse.


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