GUT ESSEN und die Verantwortung von Produzenten und Konsumenten

von Andreas Molau




Am 24.Oktober fand ein kulinarischer Themenabend unter dem Motto GUT ESSEN in der Autostadt statt. Kulinarisch38 schaute rein.


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Dr. Maria Schneider, Kreativdirektorin der Autostadt.[/image]

Als Dr. Maria Schneider am 24. Oktober gegen 19 Uhr rund 600 Gäste begrüßt, da ist das ein Resümee nach intensiver Vorarbeit. Der Genuss des Abends nur das Sahnehäubchen. Schneider ist Kreativdirektorin der Autostadt und heißt rund 40 ausgewählte Produzenten und Lieferanten der Gastronomie nebst Gästen in der Autostadt willkommen. Der über lange Zeit vorbereitete kulinarische Themenabend der Autostadt hat Tradition. Bis 2013 hieß er »Natürlich tafeln«. Künftig trägt er den Namen GUT ESSEN. Das ist nicht nur ein Veranstaltungstitel, sondern Programm für ein ganzes Forschungsprojekt, an die Autostadt zusammen mit dem »Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie« sowie dem »Medical Communication Services intensiv«, kurz medici, gearbeitet hat.

Verantwortlich für die Menschen

Wenn die Kreativdirektorin in ihrer Einführung für den Abend erklärt, Volkswagen trage das Wort »Volk« sehr bewusst im Namen – und Ernährung ist elementarer als alles andere – dann wird der Konzern kaum traurig sein, dass sein Gesamteindruck damit positiv stimuliert wird. Für die Bewertung allerdings muss man vor allem danach fragen, ob es sich am Ende nur um eine oberflächliche Aktion handelt oder um ein geschlossenes und konsequentes Konzept. Und da zeigt sich, die Gastronomie der Autostadt lebt ein solches tatsächlich. Nicht jeder, der sich das leisten kann, wird so etwas von sich behaupten können. Bereits vor elf Jahren begann man, die Restaurants auf ökologisch produzierte Erzeugnisse der Region umzustellen. Inzwischen liegt der Bio-Anteil im Küchenbereich bei fast 100 %. Dass diese bewusste Entscheidung keinen Verzicht auf Genuss bedeutet, das konnte man am kulinarischen Themenabend am eigenen Gaumen erleben.


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Es darf probiert werden.[/image]

Neue Herausforderungen beim veganen Kochen

Per Probierhäppchen durfte sich der neugierige Genießer durch den ganzen Kosmos des Geschmacks durchprobieren und sich dabei noch prächtig unterhalten. Dreiklänge können in der Musik Harmonie pur sein. GUT ESSEN, so Dr. Maria Schneider, versuche »vital – vegetarisch – vegan« gleichberechtigt nebeneinanderzustellen. Das ist sicher sinnvoll, denn der moralisch pädagogische Zeigefinger bewirkt nicht nur in der Kindererziehung oft das Gegenteil von dem, was er bewirken will. Zu einer völlig fleischlosen Lebensform zu kommen, ist ein langer Prozess. Thorsten Pitt, Direktor der Autostadt Restaurants, betonte dann auch in seinem Grußwort, dass gerade diese Küche ganz neue Herausforderungen an alle Beteiligten gestellt habe. Veganes Kochen und Backen mit ausschließlich pflanzlichen Zutaten seien nicht Bestandteil der klassischen Kochausbildung. Am Ende habe aber der Spaß an kreativem Tun die Mühen belohnt.

Eine Kombination von Spaß, Kommunikation und Entspannung

GUT ESSEN ist eine gelungene Kombination von Spaß, Kommunikation und Entspannung. Wer gutes Essen liebt, sollte sich den nächsten Termin im Oktober 2015 im Kalender anstreichen, um frühzeitig eine der begehrten Eintrittskarten zu bekommen. Zwischenzeitlich können über das Jahr alle Sinneseindrücke des Abends in den Restaurants vertieft werden. Diese Vertiefung scheint ein besonderes Anliegen der Autostadt zu sein. Das Booklet zu Veranstaltung und Konzept von GUT ESSEN mit dem gleichnamigen Titel lohnt der näheren Betrachtung. Gerade, weil kein Tag vergeht, an dem nicht irgendeine Illustrierte oder TV-Zeitschrift eine Weisheit zum Thema gesunde Ernährung vom Stapel lässt, ist eine ausgewogene Darstellung so wertvoll. Die Abhandlung ist einfach und übersichtlich abgefasst – trotzdem sogar wissenschaftlich mit Belegen versehen. Wer also tiefer in die Materie einsteigen will, für den ist das möglich.


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Die Brotmanufaktur in der Autostadt wurde für ihre Arbeit ausgezeichnet.[/image]

GUT ESSEN verkündet keine Wahrheiten

Was an der kleinen Schrift der Autostadt überzeugt: Sie will gerade nicht überzeugen. Und sie verkündet auch keine Wahrheit, die man dann im nächsten Jahr durch eine frische ersetzen müsste. Höchste Weisheit ist immer die, die ihre Beschränkung erkennt. Oder wie es der griechische Philosoph Sokrates bis heute bescheiden ausdrückte: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Das Booklet der Autostadt stellt drei Ernährungsformen dar – vital, mit Fleisch; vegetarisch, mit tierischen Produkten und vegan, also rein pflanzlich. Sachlich wird zusammengetragen, was es an positiven und was es an negativen Folgen dieser Ernährungsweisen zu verzeichnen gibt. Die Entscheidung wird dem Einzelnen überlassen. Und das ist gut so, möchte man augenzwinkernd hinzufügen. Die Konsequenzen werden aber nicht nur für den Konsumenten dargestellt, sondern zusätzlich für Natur und Umwelt.

Die Welt der Zahlen

So erfährt der Leser zum Beispiel, welche Folgen Anbau und Herstellung eines Lebensmittels für das Ökosystem haben. Wie wirken sie sich auf das Klima das? Welche Materialintensität muss man konstatieren, wie viel Wasser und Energie werden dafür verbraucht und wie viel Fläche? Freilich kann so eine Schrift nur eine anfängliche Vertiefung sein. Und manche Dinge sind auch mit Zahlenangaben nur schwer einzuordnen. Dass man für die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch 15.455 Liter Wasser verbrauche, ist so eine Zahl, die erst mal einschüchtert. Man hat einfach kein Verhältnis dazu. Und man muss daran denken: Ökologische Prozesse vollziehen sich immer in Kreisläufen. Solche Wassermassen verschwinden nicht ins Nichts. Man könnte auf die gleiche Weise damit verblüffen, wenn der Wasserverbrauch eines Waldes in Betracht gezogen werden würde. Die Frage, welche Produktionsweise vertretbar ist, hängt stets u.a. von den konkreten geografischen und klimatischen Rahmenbedingungen ab. Viele Probleme schließlich, etwa die Faktoren, die zur Klimaerwärmung beitragen, werden wissenschaftlich kontrovers diskutiert.


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Auch unsere Ur-Ur-Ur-Großväter konnten genießen

All dies wird jedoch nicht davon ablenken können, dass jeder Konsument eine Verantwortung bei der Entscheidung trägt, womit er sich ernährt. Egal, wie er sich entscheidet. Er sollte die Folgen kennen. In der Geschichte der Menschheit ist es über Jahrhunderte so gewesen, dass die Frage danach, was man isst, gar nicht frei zu beantworten war. Die Menschen nahmen das zu sich, was um sie herum verfügbar war. Und weil der Homo sapiens ein Sinnenwesen ist, verwendete er viel Mühe darauf, auch besondere Leckerbissen zu bekommen. Unsere Ur-Ur-Ur-Großväter schätzten beispielsweise Südfrüchte wie wir. Aber nur die Privilegierten kamen damals dran. Wenn man sich also früher regional ernährte, dann nicht, weil die Menschen in der »guten alten Zeit« besser waren als wir heute. Sondern vor allem, weil sie gar nichts anderes bekamen.

Entscheidungsfreiheit bringt Verantwortung

Heute sind (fast) alle Dinge verfügbar und mit der Entscheidungsfreiheit kommt die Verantwortung, ethisch entscheiden zu müssen. Ein anderer Philosoph, Immanuel Kant, hat diese Entscheidungsfreiheit und die sich daraus ergebende Handlungsmaxime in einem Satz festgehalten: »Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.« Also einfach ausgedrückt: Behandele die Dinge und Menschen nur so, wie Du selbst behandelt werden möchtest. Solch hehren Fragestellungen spielen im Alltag natürlich nicht immer eine Rolle. Erst recht nicht, wenn man, wie beim kulinarischen Themenabend GUT ESSEN, nascht und plaudert. Aber spätestens beim Verdauen ist viel Gelegenheit zum Nachdenken.

Alle Bilder: Autostadt Wolfsburg; Fotograf: Matthias Leitzke.


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