Berlin. Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet mit einem beschleunigten Ladensterben. "Ein Drittel der Mittelständler will sein Geschäft lieber morgen als übermorgen aufgeben, weil die Rahmenendigungen zu schlecht sind und aus ihrer Sicht auch absehbar schlecht bleiben werden", sagte HDE-Präsident Alexander von Preen der "Welt" (Mittwochausgaben).
"Vor allem kleine und mittelständische Händler sprechen davon, dass sie Bürokratieanforderungen kaum noch erfüllen können, dass nichts mehr verdient werden kann und es im Tagesgeschäft eher ums Geld tauschen geht als um Unternehmertum." Gefragt zu ihren Zukunftsplänen habe man Händler aus dem genossenschaftlichen Umfeld und angrenzenden Bereichen. Das Bild der Innenstädte wird sich dementsprechend verändern in den kommenden Jahren. "Für 2023 rechnen wir damit, nochmal 9.000 Geschäfte zu verlieren", sagte von Preen.
"Und 2024 dürfte es nicht einfacher werden. Unsere Innenstädte sterben, in den ländlichen Gebieten nochmal stärker als in größeren Zentren. Das ist schon sehr ernüchternd." Zum Vergleich: In den zehn Jahren vor Corona gab es dem HDE zufolge rund 40.000 Geschäftsschließungen, in den zweieinhalb Pandemiejahren seien es dann weitere 39.000 gewesen.
"Und jetzt bleibt das Tempo hoch", berichtete von Preen. In der Verantwortung sieht der Manager, der im Hauptberuf Vorstandschef von Intersport Deutschland ist, dabei auch die Bundesregierung. "Es liegt nun an der Politik, ein positives Signal zu setzen und für Entlastung bei den Konsumenten zu sorgen, um den privaten Konsum wieder anzukurbeln", sagte von Preen. "Die Menschen müssen wieder mehr Zuversicht fassen. Andernfalls kommt die Wirtschaft in Deutschland nicht in Schwung."
Darüber hinaus mahnte der HDE-Präsident bessere Rahmenbedingungen an mit zum Beispiel verlässlichen Entscheidungen, wettbewerbsfähigen Energiepreisen und weniger Bürokratie. "Nur wenn wir eine funktionierende Wirtschaft haben, geht es allen gut. Das muss endlich in die Köpfe. Irgendwer muss ja die Löhne und Gehälter bezahlen. Wenn es so weiter läuft wie jetzt, gehen wir schweren Zeiten entgegen. Im Einzelhandel sind die Vorzeichen jetzt schon alarmierend."
Tatsächlich sind die Zahlen schlecht.
"Jeder Haushalt hat ein gewisses Budget. Und das wird gerade neu verteilt nach den vielen und hohen Preissteigerungen der vergangenen Monate. Bedarfskäufe finden weiterhin statt, bei allem anderen müssen viele Verbraucher Abstriche machen. Und das merken die Einzelhändler", sagte von Preen.
"In manchen Bereichen ist die Lage sogar ziemlich angespannt, das zeigen nicht zuletzt die Insolvenzen der vergangenen Monate." Der HDE prognostiziert daher für 2023 ein preisbereinigtes Umsatzminus von vier Prozent. Ob diese Zahl angesichts schwacher Konsumwerte im September nochmal angepasst werden muss, ließ von Preen offen. "Es dürfte zumindest nicht besser werden", sagte er. Die Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung ist entsprechend groß. "Wir haben kürzlich eine Mitgliederbefragung gemacht. Und das Ergebnis ist eindeutig: Die Ampel-Koalition und ihre Regierungsarbeit werden von den Händlern sehr kritisch gesehen. Zufrieden mit der Politik ist praktisch niemand", sagte von Preen.
"Man fühlt sich allein gelassen in einer äußerst schwierigen Zeit. Und das kann durchaus als Hilfeschrei gesehen werden."
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