Lehre. Der Einzelhandel in der Gemeinde Lehre, insbesondere der Aldi-Markt, seien aktuell massiv gefährdet. Der Grund seien Forderungen des Regionalverbandes Großraum Braunschweig, die dieser aufgrund der Landesraumordnung des Landes Niedersachsen erheben müsse. Davor warnt der Bürgermeister der Gemeinde Lehre Andreas Busch in einer Pressemeldung. Der Regionalverband verteidigt dagegen seine Ansichten.
„Der Regionalverband hat dabei keinen Spielraum und doch fühlt es sich für uns an wie eine Erpressung“, so Gemeindebürgermeister Andreas Busch. Der Regionalverband stoße sich an der Tatsache, dass das seit den 1970er Jahren real existierende Einzelhandelsgebiet in Flechtorf rund um Tedox, Netto und die Gärtnerei Richter nach den Vorgaben der Landesraumordnung so eigentlich nicht dort bestehen dürfte. Dies führe dazu, dass alle drei Unternehmen zwar Bestandsschutz hätten, eine Entwicklung aber nicht möglich sei.
"Einzelhandel wäre in Gänze untersagt"
Der Regionalverband fordert dafür die Erstellung einer Planung in Form eines Bebauungsplanes. Dieser Bebauungsplan würde zwar den jetzigen Status quo des Einzelhandels erhalten, jedoch nach einer Beendigung des Betriebes in den jeweiligen Gebäuden wäre kein Einzelhandel mehr möglich. Das gesamte Gebiet müsste anderweitig gewerblich genutzt werden, Einzelhandel wäre in Gänze untersagt. „Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Einzelhandel soll vermieden werden, aber eine Spielhalle oder eine große Logistikhalle dürfte dort ohne Probleme entstehen“, so Busch weiter. Er ergänzt: „Eine Ortschaft mit rund 3.300 Einwohnerinnen und Einwohnern darf nicht so beschnitten werden. Für die Gemeinde Lehre, die die beiden Großzentren Braunschweig und Wolfsburg verbindet, ist das aus meiner Sicht unerträglich.“
Die Problematik für den Aldi-Markt in Lehre ergibt sich nun daraus, dass dieser sich vergrößern will. Dies wird vom Regionalverband grundsätzlich unterstützt, allerdings nur, wenn die Gemeinde Lehre eine Bauleitplanung für den Bereich „Sondergebiet Flechtorf“ erstellt. Aktuell wird genau dies in den Gremien der Gemeinde Lehre kontrovers diskutiert. „Ich habe die berechtigte Befürchtung, dass nun Lehre und Flechtorf aufgrund dieser Vorgaben gegeneinander ausgespielt werden und wir keine Einigung finden“, so Busch weiter. Er führt auch an, dass es sich bei diesen beiden Ortschaften um die viert- und die sechstgrößte Ortschaften im Landkreis Helmstedt handele.
Lehres Ortsbürgermeister, Heinrich Köther, sagt dazu: „Wir müssen alles dafür tun, das Einzelhandelsangebot in der Gemeinde Lehre zu stärken. Nicht nur die über 12.000 Einwohner der Gemeinde sondern auch das Umland und viele Pendler schätzen unsere Einkaufsmöglichkeiten. Lehre und Flechtorf wollen zusammenarbeiten und eine gute Nahversorgung sicherstellen. Dafür ist es unabdingbar hier eine gute Lösung zu finden, um den Menschen der Gemeinde eine gute Nahversorgung zu bieten.“
"Unverständlich und nicht zu vermitteln"
Edelgard Hahn, Ortsbürgermeisterin der Ortschaft Flechtorf ergänzt: „Die Bedürfnisse und damit verbunden das Einkaufsverhalten der Menschen hat sich gewandelt. Besonders hier in Flechtorf sind wir auch Nahversorger für weitere Ortschaften der Gemeinde. Diese vorhandenen Einkaufmöglichkeiten machen Flechtorf und die Gemeinde Lehre zu einem attraktiven Lebensmittelpunkt. Alles andere ist unseren Bürgerinnen und Bürger unverständlich und nicht zu vermitteln.“
Land um Hilfe gebeten
Gespräche mit dem Regionalverband hätten bisher nicht dazu geführt, die Erweiterung des Aldi-Marktes aus der Betrachtung herauszulösen, der Regionalverband sehe hier keinen Ermessensspielraum. Die Gemeinde Lehre wende sich daher nun an das Land Niedersachsen und bittet die Landtagsabgeordneten hierbei um Unterstützung.
regionalHeute.de fragte den Regionalverband nach seiner Sicht der Dinge. Zunächst verweist dieser auf die grundsätzlichen Überlegungen, warum ein raumordnerisches Eingreifen beim Einzelhandel notwendig sei. Ziel sei die gleichmäßig verteilte, gute Versorgung aller Bevölkerungsgruppen (auch für mobilitätseingeschränkte). Im Sinne „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ sollten Waren und Dienstleitungen erreichbar und ausreichend für alle gleichermaßen verfügbar sein. Dies gelte natürlich insbesondere im ländlichen Raum.
Leitlinien der Raumordnung
Um diese gleiche Verteilung zu gewährleisten, gebe es folgende Leitgedanken: Die Ortskerne sollen attraktiv und lebendig sein. Einzelne Einkaufszentren „auf der grünen Wiese“ seien häufig nur für Menschen mit Autos gut nutzbar. Durch die gesteuerte Ansiedlung soll der Verkehr minimiert werden und eine gute Anbindung der Einkaufsorte an den ÖPNV gewährleistet werden. Die Reglementierung gelte für Einzelhandelsgroßprojekte über 800 Quadratmeter, die massiv Kaufkraft und Versorgungsbedürfnisse auf sich konzentrierten. Und: Es sollen kleinere Nahversorger einen gewissen Schutz bekommen. Es bestehe die Gefahr, dass auch in den Nachbargemeinden die ortsnahe Versorgung durch große Einkaufsflächen ausbluten.
Für den Fall in Lehre bedeute das, dass bei einer raumordnerischen Planung zum einen das gesamte Gemeindegebiet als Ganzes betrachtet, als auch die Einkaufs-Situation in den direkt benachbarten Ortschaften berücksichtigt werde. Der Bedarf in der Gemeinde Lehre sei generell gut abgedeckt. Mit dem bestehenden Einzelhandel sei bereits ausreichend Verkaufsfläche mit Sortimenten des täglichen Bedarfs und einem vielfältigen Angebot erreicht.
In mehreren Gesprächen zwischen der Gemeinde und dem Regionalverband sei in den letzten Jahren auf die historisch gewachsene aber rechtlich offene Situation hingewiesen worden. Die Gemeinde habe also seit Jahren gewusst, woran sie ist. Ein notwendiges Nahversorgungskonzept für die Gemeinde Lehre liege jetzt vor, jedoch keine planungsrechtliche Anpassung für Flechtorf. Das Nahversorgungskonzept werde derzeit geprüft und eine Stellungnahme des Regionalverbands folge.
"Lage von Aldi nicht optimal"
Die Lage von Aldi am Ortsrand sei grundsätzlich nicht optimal, da ortskernnahe Standorte wünschenswert seien beziehungsweise sogar rechtlich angemahnt würden. Bei der gewünschten Erweiterung des Aldis sei bereits bezüglich des Standortes eine Ausnahmeregelung zum Tragen gekommen. Durch die ungeklärte rechtliche Situation rund um den Standort Tedox werde jedoch bereits die Verkaufsfläche insgesamt stark überschritten – eine Erweiterung des Aldi-Marktes sei daher derzeit nicht möglich.
Die Gemeinde Lehre beanspruche für sich ein Vorgehen, das der Gleichbehandlung aller widerspreche und letztlich auch bei anderen Gemeinden Begehrlichkeiten wecke. "Der Regionalverband möchte dem starken Konkurrenzkampf unter den großen Supermarktketten nicht weiter Vorschub leisten, da letztlich nur die kleineren Nahversorger dadurch überflüssig gemacht werden. Diese sind jedoch Teil einer lebendigen und ortsnahen Versorgung in ländlichen Gebieten", so der Regionalverband abschließend.
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