Region. Die Coronapandemie hat einen wahren Hundeboom ausgelöst. Allein in der Stadt Braunschweig wurden im Sommer 2020 knapp 100 Hunde mehr registriert , als im Vorjahr. Viele Menschen wollten der Einsamkeit im Lockdown mit einem vierbeinigen Freund Herr werden. Was passiert aber, wenn das Home Office passé ist und die Freizeit wieder anders verbracht wird? Gehen die Hunde dann ins Tierheim? regionalHeute.de hat mit dem Verein Tierschutz Braunschweig und einer Züchterin gesprochen.
Mit Pandemie und Lockdown haben in vielen Haushalten Einsamkeit und Langeweile Einzug gehalten. Nicht wenige wollten diese Leere mit einem Haustier füllen: Wie der Verein Tasso e.V. berichtet, sind die Anmeldungen in der Region im Juni 2020 um etwas mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Nun, wo Hoffnung auf eine Ende der Pandemie besteht, könnte der Hund für viele zur Belastung werden. Gerade junge Hunde können noch nicht so einfach zu Hause bleiben, auch der Flug in den Urlaub ist nicht mehr ohne weiteres möglich. Viele befürchten also eine Flut junger Hunde, die auf die Tierheime zukommen könnte.
Auch Verena Geißler vom Verein Tierschutz Braunschweig befürchtet einen solchen Trend, auch wenn das bisher nicht zu spüren sei. In einigen Monaten jedoch könnte es soweit sein: "Wenn die Hunde in die Pubertät kommen, werden sie schwieriger", erklärt die Tierschützerin. Gerade wenn sie in Zeiten von Home Office und Lockdown nie richtig gelernt hätten allein zu sein, könnten sie zur Belastung werden. Nach acht Stunden Arbeit, Heimweg und Haushaltsführung, bliebe womöglich die Motivation sich auch noch um den Hund zu kümmern auf der Strecke.
Aus einem Welpen wird irgendwann ein ausgewachsener Hund. Nach der Pandemie könnten die reihenweise im Tierheim landen. Symbolbild. Foto: Pixabay
Wenn der Hund nie gelernt habe allein zu bleiben oder nicht ausgelastet werde, könne der Vierbeiner seine aufgestaute Energie etwa an der Einrichtung auslassen. Das führe zu Frust und Kosten. Am Ende werde der ein oder zwei Jahre alte Hund womöglich ins Tierheim gegeben. Auch wenn gerade reinrassige Hunde vergleichsweise leicht zu vermitteln seien, seien diese oft schlecht erzogen. Dem Tierheim bleibe dann nur die Versäumnisse so gut wie möglich aufzuholen. "Aber", so Geißler, "das ist ohnehin das Schicksal der Tierheime."
Ein Hund bedeutet Verantwortung für alle Beteiligten
Auch Michaela Herbst hat eine ähnliche Befürchtung. Die Hundezüchterin züchtet Golden Retriever in Wittingen und ist beim Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) eingetragen. Auch wenn sie nur etwa einen Wurf pro Jahr habe, bekomme sie teils drei oder vier Anfragen am Tag. Sie versuche schon auf ihrer Website mit einem Fragenkatalog Impulskäufer auszusieben. Später begleite sie die Welpen auch nach der Abgabe weiter. "Es ist eben, als würde man ein Kind aus dem Haus geben", erzählt Herbst. Sie halte Kontakt mit den neuen Besitzern, wolle Fotos der Tiere sehen oder ihnen auch mal einen Besuch abstatten. Das sei jedoch beileibe keine Selbstverständlichkeit.
Züchterin Michaela Herbst mit ihren eigenen Hunden. Sie rät jedem sich genau darüber Gedanken zu machen, ob ein Hund wirklich in die eigene Lebenssituation passt. Foto: Michaela Herbst
Wer im Internet nach Hundewelpen sucht, der wird schnell auf Inserate stoßen. Auf Kleinanzeigenportalen sind angebliche Rassehunde zu finden, aber auch wilde Mischungen aus Modehunden, die von Hobbyzüchtern angeboten werden. Michaela Herbst stößt das sauer auf. "Hier werden dann Hunde auf Masse statt Klasse gezüchtet", glaubt die beim VDH eingetragene Züchterin. Bei Züchtern wie ihr können die Papiere eingesehen werden, die Hunde würden auf Krankheiten überprüft. Zudem hätten in Vereinen organisierte Züchter oft ungeschriebene Preiskorridore in denen sie sich bewegen. Preise von bis zu 4.500 Euro für einen Retrieverwelpen, wie sie im Internet teils zu finden sind, würden seriöse Züchter nicht verlangen, meint Herbst.
Augen auf beim Hundekauf
Eigentlich ist die aktuelle Zeit eine gute, um sich einen Hund anzuschaffen, glauben sowohl die Züchterin Herbst, als auch die Tierschützerin Geißler. Im Home Office ließe sich die Zeit so einteilen, dass der Hund nicht vernachlässigt werde, durch fehlende Freizeitangebote und ausfallende Urlaubsreisen gebe es kaum Ablenkung von der Aufgabe Hund. Aber, so mahnen beide, die Pandemie ist auch irgendwann wieder vorbei. Und besonders diese Zeit müsse man im Blick behalten.
Ob man nach acht Stunden Arbeit noch die Motivation und Zeit habe mit seinem Hund lange Spaziergänge zu machen, müsse sorgfältig bedacht werden. Zudem spiele auch Geld eine Rolle. "Mit dem Kauf ist es ja nicht vorbei", mahnt Michaela Herbst, "es muss Futter gekauft werden, Tierarztkosten fallen an - ein Hund ist nicht billig." Zumal ein Hund meist älter als zehn Jahre werde. Für diese Zeit trage der Besitzer die Verantwortung für ein Lebewesen. Und die dürfe man nicht leichtfertig übernehmen.
Auch Verena Geißler mahnt dazu an, dass der Hund in den Lebensentwurf passen muss. "Wer Spaß an der Natur hat und sich sehr viel mit dem Hund bewegen will, für den wäre auch ein Australian Shepherd geeignet. Auf der anderen Seite wird ein Mops keine zwei Stunden neben dem Fahrrad her laufen." Einen Hund zu kaufen bedeute mehr als nur den putzigsten Welpen mitzunehmen. Sich einen vierbeinigen Freund anzuschaffen will gut überlegt sein. Zum Wohle von Hund und Herrchen.
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