München. Im Streit um das milliardenschwere Industrie- und Klimaschutzprogramm von US-Präsident Joe Biden hat das Ifo-Institut Bundesregierung und EU vor einer allzu aggressiven Antwort gewarnt. "Ein Subventionswettbewerb, bei dem es pauschal darum geht, die Fördersummen anderer Länder zu übertreffen, um die heimische Produktion zu schützen, ist aus ökonomischer Sicht kritisch zu bewerten", heißt es in einem noch unveröffentlichten Gutachten der Münchener Wirtschaftsforscher für das Bundesfinanzministerium, über das die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer Freitagausgabe berichtet.
Staatliche Industriehilfen könnten sogar "zu Wohlfahrtsverlusten führen, beispielsweise wenn ineffiziente Unternehmen aufgrund von Subventionen im Markt bleiben oder ihre Produktion danach ausrichten, möglichst hohe Fördersummen abzuschöpfen", so das Institut. Bidens Programm, der sogenannte Inflation Reduction Act (IRA), umfasst Fördergelder von umgerechnet mindestens 350 Milliarden Euro, mit denen der Präsident vor allem den Ausbau erneuerbarer Energien, den klimagerechten Umbau der Industrie sowie die Produktion von Elektroautos sowie der zugehörigen Batterien massiv vorantreiben will. Prinzipiell wird das Gesetz in Europa begrüßt. Scharfe Kritik gibt es aber daran, dass die Auszahlung der vollen Subventionen in vielen Fällen daran geknüpft ist, dass Komponenten aus US-Produktion verwendet werden oder E-Autos in Nordamerika endmontiert werden müssen. Obwohl sich die Vorschriften vor allem gegen China richten, hatten auch führende europäische Politiker wie der französische Staatspräsident Emanuel Macron das Programm als "super-aggressiv" bezeichnet und eine harte europäische Antwort verlangt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hingegen dürfte die Ifo-Studie durchaus gelegen kommen, denn er warnt seit Monaten sowohl intern als auch öffentlich vor einer Überreaktion. Statt zu klagen, so sein Credo, sollte die EU den IRA lieber als Ansporn begreifen, ihrerseits die Rahmenbedingungen für Unternehmen, private Investitionen und die sogenannte grüne Transition zu verbessern. "Die USA sind der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Güter- und Dienstleistungsexporte. Deswegen ist es auch in unserem Interesse, nicht mit einem "Wie du mir, so ich dir" zu reagieren, sondern im Gegenteil Wege für eine engere Kooperation zu suchen", sagte Lindner der SZ. "Ein Subventionswettlauf, das bestätigt auch das Gutachten, würde die staatlichen Finanzen über die Maßen belasten und wäre ordnungspolitisch gefährlich." Besser wäre seiner Meinung nach eine "Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, schnellere Abschreibungen für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung und eine erweiterte Forschungsförderung". Der Minister plädiert zudem einmal mehr dafür, einen "neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen" zwischen den USA und der EU zu nehmen.
mehr News aus der Region