Jungstorch leidet Höllenqualen nach Unfall mit Solarpanel - "Er hatte keine Chance"

Die Feuerwehr und ein Dachdecker hatten versucht, den Storch aus seiner misslichen Lage zu befreien. Doch es war zu spät - das NABU-Artenschutzzentrum Leiferde musste ihn erlösen.

von


Seine langen Beine wurden einem Jungstorch in Wendeburg zum Verhängnis. (Symbolbild)
Seine langen Beine wurden einem Jungstorch in Wendeburg zum Verhängnis. (Symbolbild) | Foto: Pixabay

Wendeburg. Am vergangenen Freitag rückte die Feuerwehr Wendeburg zu einem ungewöhnlichen Einsatz aus. Ein Storch war mit seinen Füßen zwischen zwei auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses montierte Solarpanels gerutscht. Die Feuerwehr und ein Dachdecker unterstützten sich gegenseitig, und es gelang den Storch zu befreien. Trotz aller Mühen blieb dem NABU Artenschutzzentrum Leiferde jedoch nichts anderes übrig, als das schwer verletzte Tier von seinem Leid zu erlösen.


Während die Feuerwehr Wendeburg einer Pressemitteilung zufolge noch erörterte, ob die Rettung eines Storches mit den zur Verfügung stehenden Mitteln möglich sei, rief ein Anwohner die Dachdeckerei Dettmer an und bat um Hilfe. Diese sei laut Feuerwehr sofort bereit gewesen, dem Tier zu helfen und fuhr ebenfalls die Einsatzstelle an. Die Feuerwehr nahm eine Leiter zu Hilfe und konnte den Jungstorch mithilfe des Dachdeckerunternehmens aus seiner misslichen Lage befreien. Das verletzte Tier sei von der Person, die den Notruf gewählt hatte, schließlich ins NABU-Artenschutzzentrum nach Leiferde gebracht worden.

"Wir möchten uns ausdrücklich für die Hilfsbereitschaft der Dachdeckerei Dettmer für ihren Einsatz und ebenso dem Anrufer für den Abtransport des Stroches nach Leiferde danken. Diese Einsatzbereitschaft ist nicht selbstverständlich, vielen Dank!", bedankt sich die Feuerwehr in einer Pressemitteilung.

Artenschutzzentrum kann nichts mehr für das Tier tun


Im Artenschutzzentrum Leiferde nahm diese glückliche Geschichte von Teamarbeit und Tierliebe jedoch eine tragische Wende. Die Liste der Verletzungen war lang, wie Bärbel Rogoschik, Leiterin des NABU-Artenschutzzentrums in Leiferde berichtet. Die Beine waren ausgekugelt, die Sehnen gerissen. "Man muss sich vorstellen, das Tier ist vom Dachfürst abgerutscht und kam mit seinen langen Beinen in den Zwischenraum zwischen den Solarzellen. Das kann nicht nur fünf Minuten gedauert haben, das Tier hat mit absoluter Panik versucht, sich aus dieser Notlage zu befreien", berichtet Rogoschik. Er müsse "wie wild" mit den Flügeln geschlagen haben, sodass diese ebenfalls verletzt wurden. "Zum starken Blutverlust kamen dann auch noch Verletzungen am Kopf hinzu", ergänzt die Leiterin und berichtet: "Der Storch wurde dann von uns erlöst. Das waren so viele schlimme Verletzungen. Es ist einfach sehr tragisch und sehr, sehr schade. Es hat mir einfach ganz besonders leid getan, weil dieses Jungtier so gut genährt war. Wir haben auch Jungstörche hier, die ein Kilo weniger wiegen."

Das Storch-Schicksal ist kein Einzelfall


Bei dem Opfer des tragischen Unfalls habe es sich um ein Jungtier aus diesem Jahr gehandelt. Diese seien generell etwas ungeschickter, gerade bei ihren ersten Flügen. "Die landen auf allem, was hoch ist. Und alles, was hoch ist, ist nicht unbedingt naturbelassen - und je mehr auf dem Dach ist, desto mehr kann sich ein Storch auch verfangen. Wir haben das nicht absolut regelmäßig, aber immer mal wieder." Neben Solarzellen nennt die Tierschützerin auch Schornsteine, Schneefanggitter und sogar Regenrinnen als Stolperfallen, die Jungstörchen zum Verhängnis werden können. "Im Vergleich zur Population ist das verhältnismäßig noch ein Einzelfall, aber man muss das im Auge behalten, damit das nicht überhandnimmt", resümiert Rogoschik und erklärt: "Wenn das überhandnimmt, muss man an die Hersteller herantreten." Damit habe man beispielsweise im Falle von Hochspannungsleitungen schon gute Erfahrungen gemacht.

Solarpanels sicher gestalten


Ob Solarpanels eine generelle Gefahr für Störche darstellen, könne sie nicht sicher sagen. Dass diese mit einem Abstand zueinander und zum Dach gebaut werden und entsprechende Spalten aufweisen, die Vögeln zu Verhängnis werden können, ist eine technische Notwendigkeit. Bei direkter Sonneneinstrahlung können Solarmodule überhitzen, wodurch die Effizienz der Anlage leidet. In letzter Konsequenz kann eine Überhitzung sogar zur Zerstörung des Moduls führen und ein Brandrisiko darstellen. Die Abstände zum Dach sorgen deshalb für eine gleichmäßige Belüftung der Zellen.

Für Photovoltaikanlagen gibt es auf dem Markt tatsächlich Schutzeinrichtungen, die primär das Nisten von Vögeln unter der Anlage verhindern sollen. Einige der Produkte könnten jedoch auch dazu geeignet sein, Verletzungen von Vögeln zu verhindern - andere würden sie vermutlich nur noch schlimmer machen. Bärbel Rogoschik rät dazu, sich im Vorfeld gründlich zu informieren, welche Möglichkeiten es gibt, um Verletzungen für Vögel zu minimieren.

Auf Störche lauern viele Gefahren


Es gibt auch gute Nachrichten - die Storchenpopulation sei so hoch wie nie zuvor, laut Rogoschik nehmen allerdings auch die Risikofaktoren zu. "Den Störchen fehlt im Prinzip eine sehr gesunde Nahrungsgrundlage wie Feuchtwiesen, auf denen sie sich von Amphibien wie Fröschen ernähren können. Wir haben zwar dieses Jahr eine gute Mäusepopulation, damit geht es aber auch immer mal wieder hoch und runter." Die Trockenheit der vergangenen Jahre lässt Tümpel jedoch austrocknen, was die Amphibienpopulation schmälert. Und wenn dann noch ein mäusearmes Jahr ansteht, bleiben den Störchen nur noch Insekten als Nahrungsquelle. "Es sind aber auch drei Viertel der Insektenpopulation weggebrochen. Wenn dann noch die Tümpel trocken sind und die Mäusepopulation gering ist oder womöglich sogar mit Gift bekämpft wird, könnte es für die Storche eng werden. Worauf sollen sich die Tiere dann noch umstellen?"

Abschließend möchte Bärbel Rogoschik den aufmerksamen Anwohnern, der Feuerwehr und dem beteiligten Dachdeckerunternehmen für ihre Initiative danken: "Wenn sowas nicht mehr gesehen wird, wäre das eine Katastrophe. Wir sind wirklich dankbar dafür, wenn Profis so eine Rettung unterstützen!"


mehr News aus der Region