Kriminelle Clans: Land präsentiert neue Zahlen

Das vierte gemeinsame Lagebild von Polizei und Justiz zur Clankriminalität in Niedersachsen wurde vorgestellt.

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Symbolfoto. | Foto: Alexander Panknin

Niedersachsen. Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, und die Niedersächsische Justizministerin, Dr. Kathrin Wahlmann, haben am gestrigen Montag das vierte gemeinsame Lagebild von Polizei und Justiz zur Clankriminalität in Niedersachsen vorgestellt. Demnach sei ein leichter Rückgang bei Straftaten und ein Anstieg der Zahl der Gerichtsverfahren zu verzeichnen. Das geht aus einer Pressemitteilung des Justizministeriums hervor.



Kriminelle Clanstrukturen seien gekennzeichnet durch die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten jeglicher Deliktsart und -schwere aus diesem Umfeld, das sich durch ein hohes kriminelles Potenzial und eine allgemein rechtsfeindliche Gesinnung auszeichnet.

Was zeichnet die Delikte aus?


Die maßgeblichen, ergänzenden Indikatoren umfassen unter anderem das Ausleben eines stark überhöhten familiären Ehrbegriffs und das innerfamiliäre Sanktionieren von Verstößen gegen diesen Ehrbegriff, das Voranstellen von familieninternen, oft im Gewohnheitsrecht verwurzelten Normen über das Gesetz und die Verfassung, das Provozieren von Eskalationen auch bei nichtigen Anlässen oder geringfügigen Rechtsverstößen unter Ausnutzung clantypischer Mobilisierungs- und Bedrohungspotentiale sowie eine den Rechtsstaat umgehende oder unterlaufende Paralleljustiz.

Erstmals Rückgang verzeichnet


Im Jahr 2023 wurden der Clankriminalität insgesamt 3.610 Straftaten zugeordnet; im Jahr 2022 waren es noch 3.986. Damit ist im Jahr 2023 erstmals ein Rückgang von 9,43 Prozent (-376 Fälle) im Vergleich zum Vorjahr zu konstatieren. Verglichen mit der gesamten Polizeilichen Kriminalstatistik, welche 553.202 Straftaten insgesamt ausweist, ergibt dies für die Clankriminalität einen prozentualen Anteil von 0,65 Prozent.

Die Clankriminalität habe zwar statistisch gesehen nur weniger als ein Prozent Anteil an der polizeilich erfassten Kriminalität, stelle aber die Strafverfolgungsbehörden anhaltend vor große Herausforderungen und wirke sich neben den objektiv von ihr ausgehenden Gefahren insbesondere auf die subjektive Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger negativ aus. Deshalb werde sie seit mehreren Jahren als ein landesweiter Schwerpunkt in der Aufgabenwahrnehmung von Polizei und Justiz intensiv verfolgt.

Großteil Körperverletzungen


Kennzeichnend für das Phänomen der Clankriminalität machen Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit mit 1.110 Taten fast ein Drittel der Gesamtfälle aus. Bei genauerer Betrachtung wird dabei ersichtlich, dass mit 631 Fällen ein Großteil der Rohheitsdelikte auf Körperverletzungsdelikte entfällt.

Innenministerin Daniela Behrens dazu: „Trotz ihres vergleichsweisen geringen Anteiles an der Gesamtkriminalität stellt die Clankriminalität eine ernsthafte Bedrohung für den gesellschaftlichen Frieden dar, der wir mit klaren und entschlossenen Maßnahmen begegnen. Clankriminelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie unseren Rechtsstaat und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnen und verhöhnen. Ihre Taten haben das Potential, in der Bevölkerung für eine große Verunsicherung zu sorgen. Ein Aspekt, der dazu wesentlich beiträgt, ist die hohe Gewaltbereitschaft der Täter, die neben der Ausübung physischer Gewalt auch vor dem Einsatz von Waffen aller Art nicht zurückschrecken. Das können und werden wir in Niedersachsen nicht akzeptieren!"

Schwerpunkt Bedrohungsdelikte


Bei den Straftaten gegen die persönliche Freiheit (412 Fälle) liegt der Schwerpunkt bei den Bedrohungsdelikten (insgesamt 338 Fälle). Darüber hinaus hat das Berichtsjahr erneut gezeigt, dass kriminelle Angehörige entsprechender Clanstrukturen äußerst flexibel sich bietende Gelegenheiten ergreifen und in der Lage sind, kriminelle Angebote unverzüglich auf den Markt zu bringen.

Korrespondierend mit dem Rückgang der Fälle wurden 3.048 Tatverdächtige erfasst; im Vergleich dazu waren es im Jahr 2022 noch 3.323 tatverdächtige Personen. Etwa 82 Prozent Prozent waren männlich und 56 Prozent in einem Alter unter 30 Jahren. Etwa 54 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen haben die deutsche Staatsangehörigkeit.

Keine Konzentration an bestimmten Orten


Die Tatorte verteilen sich - in unterschiedlicher Ausprägung - über das gesamte Flächenland Niedersachsen, sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten. Eine dauerhafte Konzentration an bestimmten Orten sei bislang nicht festzustellen.

„Die Strukturen krimineller Clans oder Clanangehöriger weisen oft überörtliche, bundeslandübergreifende und sogar internationale Vernetzungen auf. Diese weitreichenden Verbindungen erhöhen das Gefahrenpotenzial erheblich und es ist unerlässlich, dass wir verhindern, dass sich kriminelle Clanstrukturen weiter ausdehnen und unsere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen unterwandern", so Behrens weiter.

Deutlich mehr Verfahren


Im Gegensatz zu dem bei den polizeilichen Ermittlungsverfahren zu verzeichnendem Rückgang, gingen bei den vier niedersächsischen Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Stade insgesamt 1.404 Verfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte neu zur Bearbeitung ein. Damit ist ein erneuter deutlicher Anstieg der Verfahrenszahlen gegenüber dem Vorjahresberichtszeitraum um zirka 29 Prozent zu verzeichnen, nachdem der Zuwachs für das Berichtsjahr 2022 bereits bei 28 Prozent lag.

Justizministerin Dr. Wahlmann: „Der erneute Anstieg der staatsanwaltlichen Verfahren macht deutlich, dass die niedersächsische Null-Toleranz-Strategie der richtige Weg ist. Die Clankriminalität stellt ein hoch gefährliches Kriminalitätsphänomen dar, das wir auch weiterhin konsequent bekämpfen werden. Wer sich über unsere Regeln stellt, der bekommt die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren."

"Alle Taten werden konsequent verfolgt"


Ebenso wie im Lagebild 2022 lag die Anklagequote der Zentralstellen über der allgemeinen Anklagequote der niedersächsischen Staatsanwaltschaften: In insgesamt 27 Prozent der Verfahren wurde Anklage erhoben oder ein Strafbefehlsantrag gestellt. Hierzu stellt Dr. Wahlmann fest: „Die vergleichsweise hohe Anklage- und Strafbefehlsquote ist ein weiterer Beweis dafür, wie effektiv und schlagkräftig unsere vier spezialisierten Schwerpunktstaatsanwaltschaften in Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Stade agieren. Die Kolleginnen und Kollegen lassen nicht locker und bekämpfen jegliche Form von Clankriminalität. Ob einfache Ordnungswidrigkeiten oder schwerste Organisierte Kriminalität: Alle Taten werden konsequent verfolgt."

Mit der im Januar 2022 aktualisierten „Landesrahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen" bestehen landesweit einheitliche und zukunftsfähige Standards, die auf einen ganzheitlichen und niedrigschwelligen Ansatz abzielen. Die behördenübergreifende Zusammenarbeit sei weiter ausgebaut worden und trage einerseits maßgeblich dazu bei, die Clankriminalität und ihre Facetten ins Hellfeld zu rücken und andererseits eine ganzheitliche, konsequente Bekämpfung sich etwaig etablierender Strukturen und Geschäftsmodelle zu unterbinden.


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