Berlin. Die Pläne der Ampelkoalition für die elektronische Patientenakte verstoßen nach Ansicht des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber (SPD) gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie gegen europäische Datenschutzgesetze und werden daher ohne Änderungen vor Gericht landen. Die Koalition wolle die Patientenakte automatisch auch mit Daten füllen, die die intimste Privatsphäre beträfen und Anlass für Diskriminierung oder Stigmatisierung sein könnten, sagte Kelber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Mittwochausgaben).
Als Beispiele nannte er Daten zu HIV-Infektionen, psychischen Erkrankungen oder zu Schwangerschaftsabbrüchen. "Es liegt auf der Hand, dass das automatische Befüllen mit besonders schutzwürdigen Daten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet", so Kelber. Gerichtliche Auseinandersetzungen würden daher nicht auf sich warten lassen, warnte Kelber. "Wenn die Ampelkoalition jetzt Regelungen festlegt, die bei Klagen hochgefährdet sind, weil sie nicht ausreichend differenzieren und dann im Zweifel für einen Stopp des Gesamtprojektes sorgen, wird der eigentlich guten Sache ein Bärendienst erwiesen", mahnte er. Ein automatisches Befüllen dürfe es nur mit unkritischen Daten geben, alles andere erst mit aktiver Einwilligung der Versicherten. "Dann dürfte die Lösung auch vor Gericht sehr gute Chancen haben, bestehen zu bleiben. Das ist meine dringende Empfehlung", sagte er. Als unkritische Informationen wertet er zum Beispiel Behandlungen beim Zahnarzt oder Orthopäden und die Notfalldaten. Die Koalition plant, dass die gesetzlichen Krankenkassen künftig für alle Versicherten automatisch eine elektronische Patientenakte anlegen - außer es wird aktiv widersprochen. Kelber argumentierte, es werde viele Versicherte geben, die die Akte zum Beispiel wegen Sprachproblemen nicht richtig bedienen könnten. Auch bei ihnen würden dann sensible Daten in der Akte abgelegt, die für alle anderen Leistungserbringer im Gesundheitswesen automatisch sichtbar seien. Der oberste Datenschützer kritisierte zudem den Plan der Koalition, wonach Krankenkassen künftig Zugriff auf die Abrechnungsdaten bekommen sollen, um die Versicherten auf Krebsrisiken oder fehlenden Impfungen aufmerksam zu machen.
"Auf diese Art entsteht der "gläserne Versicherte", was ein erhebliches Diskriminierungspotenzial hat", warnte Kelber. Die Kassen hätten schließlich ein hohes wirtschaftliches Interesse. "Wenn sie die Daten kennen, ist eine Risikoselektion möglich. Sie können dann zum Beispiel besonders kranke Versicherte gezielt herausdrängen."
Der Datenschutzbeauftragte schlug stattdessen vor, mit der Auswertung eine Stelle zu beauftragen, die keine eigenen wirtschaftlichen Interessen habe, etwa den Medizinischen Dienst. "Der Nutzen für die Versicherten bliebe, ohne die Gefahr der Diskriminierung", sagte er.
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