Der Bentley Afternoon Tea im The Ritz-Carlton Wolfsburg ist allein schon ein Ausflug nach Wolfsburg wert. Dazu kann man in der Autostadt noch eine »Exkursion« unternehmen.
Der Winter kann lang werden. Weihnachten wäre er am schönsten gewesen. Aber die Ehre gibt er uns selten. Und auch wenn die Tage wieder länger werden: Es fehlt Licht und Wärme. Eine gute Antwort darauf ist ein Nachmittag in der Autostadt. Ein freier Samstag passt zum Beispiel oder ein Sonntag. Wir haben das jetzt ausprobiert: erst Kultur dann Kulinarik. Wenn ich ehrlich sein soll, insbesondere den ersten Teil hätte ich dort nicht erwartet. Unterhaltung für Autoabholer war die Prognose. Ein famoser Nachmittag mit guter Unterhaltung, Informationen und Erlebniskultur die Wirklichkeit. Dass die Teezeit im Ritz Carlton ein Erlebnis wird, das war eher zu erwarten. Aber auch hier gilt: So ein »Essengehen« stand noch nicht auf dem Programm. Jedoch von vorn: Der Bentley Afternoon Tea hat mich angelacht, seit ich das erste mal davon erfahren hatte. Gut, eine Schwäche für britische Kultur habe ich sowieso. Clotted Cream, Scones und Sandwiches mit herrlich aromatischen Tee nebst zelebrierender Teekultur, das ist schon etwas Besonderes.
Nachmittags Essen gehen
Abends Essen gehen, ist Standard. Frühstücken ist Trend. Beim Nachmittagskaffee kommt man allerdings doch eher selten raus. Es sei denn, es steht ein Ausflug an. Deshalb vorweg. Der Bentley Afternoon Tea funktioniert genauso ohne vorherige Aktivität. Aber natürlich genauso mit. Im zweiten Fall sollte man gut Zeit einplanen. Wir waren gegen 13 Uhr in der Autostadt und haben uns zunächst des fahrbaren Untersatzes entledigt. Bis auf die Winterwelt und einige kulinarische Angebote war der Erlebnispark rund um die VW-Produktion in Wolfsburg bisher noch nicht wirklich auf dem Radar. Und das, obwohl ich ein ausgesprochener Autonarr bin. Die Autostadt bietet Führungen an – wir haben eine in Anspruch genommen –, man kann allerdings auch allein durch die Ausstellungen pilgern.
Kommunikation wird in der Autostadt großgeschrieben!
In der Autostadt, das kann man wirklich sagen, wird Kommunikation großgeschrieben. In den meisten Bereichen gibt es zwar keine standardisierten Audioguides, dafür aber jede Menge »echte Menschen«, die nicht nur fachkundig, sondern engagiert Auskunft geben können – und wollen. Ich habe selten eine so kurzweilige und inhaltlich auf Bedürfnisse abgestimmte Führung erlebt wie durch die Exponate der Autostadt. Ein Freund meinte neulich, die vielen Mitarbeiter schüchterten ihn ein. Das mag an Museumserfahrungen liegen, die auch bei mir nur so aussehen, dass Aufpasser höchstens dazu da sind, dass man sich den Exponaten nicht zu weit nähert oder die einen anderweitig auf ungebührliches Verhalten hinweisen.
Man kommt aus dem Staunen nicht heraus
In der Autostadt dürfen, ja sollen Fragen gestellt werden. Wir wollten uns erst einmal einen Überblick verschaffen. Deshalb schauten wir uns die Geschichte der Automobile mit Muße an. Die Pionierautomarken stehen hier friedlich nebeneinander. Beim Käfer seufzen sicher 90 % der Besucher in Erinnerung an den ersten fahrbaren Untersatz auf (oder an den ihrer Eltern…). Bei den Bentleys und anderen Luxuskarossen kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Einen eigenen Tag fast bräuchte man wohl für das Porschehaus, das einen schon architektonisch gefangen nimmt. Im Haupthaus gibt es Ausstellungen ohne Ende: zum Thema Wirtschaft und Börse, Innovation, Ökologie und, und, und. Und zwar so, dass man sie mit Unterhaltung und Wissensgewinn anschauen kann. Zwei Stunden vergehen wie im Flug, bevor wir zur Hauptsache kommen. Dem leiblichen Genuss, der im Ritz Carlton auch ein ästhetischer ist. Das »Wohnzimmer« im Hotelfoyer ist gleichermaßen großzügig wie heimelig. Der Blick auf die Industriebauten und Wasserstraßen wirkt im dämmernden Spätnachmittagslicht fast romantisch. In luftigen Raumteiler züngeln gemütlich Flammen, die Kaminatmosphäre vermitteln.
Angekommen zu Hause
Man setzt sich auf die bequemen Sitzgruppen und ist angekommen. Das liegt nicht zuletzt am Service, der einem das Gefühl gibt, sofort heimisch zu sein. Eine große Holztruhe wird gereicht, in der die verschiedenen Teetypen zum Beschnuppern sind. Hier kann man von weißen über grünen bis hin zu edel aromatisierten Tees fündig werden. Ich nehme den original Englisch Breakfest Tea. Auf der Insel pflegt man die Teetradition seit dem 17. Jahrhundert. Da ist der pure Genuss zum Start fast Verpflichtung. Später kann man noch allerlei anderes ausprobieren. So wie in England üblich wird der Lowtea mit herzhaften und süßen Spezialitäten in einer Etagere angeboten. Zuvor gibt es einen erfrischenden Aperetif – mit oder ohne Alkohol. Beide sind lecker.
Auf das Abendessen kann man verzichten
Was auf den ersten Blick vielleicht knapp aussieht, entpuppt sich im Verlauf eines genussreichen Nachmittags als gut geeignet, auf ein weiteres Abendessen zu verzichten. Neben Tee satt werden zunächst einmal die köstlichen Sandwiches gekostet. Mit Gurke, wie sich das gehört, Lachs, Ei und geräuchertem Speck. Damit es keinen ehelichen oder partnerschaftlichen Streit gibt: für jeden immer eines. Zwischen dem weichen Sandwichbrot warten himmlische Cremes auf den Genuss. Zum Bentley Tea wird eine Zeitung gereicht. Je nach Verständigungslust kann also gelesen, geträumt oder in Ruhe geplaudert werden. Wenn man sich umschaut, so sieht das suchende Auge vor allem Freundinnen, die sich wohl nach dem Einkaufsbummel hier treffen sowie Gruppen. Vor allem Frauen, wie die Servicekraft schmunzelnd bemerkt. Als Mann kann ich dazu nur sagen: Auch der nächste Herrennachmittag sollte dort hingehen. Diese Art von Genuss ist genauso etwas für uns.
Ein herrlicher Nachmittag
Nach den Sandwiches kommen die Scones. Natürlich in verschiedenen Variationen und vor allem aber mit Clotted Cream und Erdbeerkonfitüre. Die Cream ist nicht schwer und allein, etwa zu den Tonkabohnenscones, ein Genuss. So geht »Slow Food«. Mittlerweile ist bestimmt schon eine gute Stunde vergangen. Die zweite Kanne Tee wird gereicht. Wagemutige, wie meine Frau, probieren sie aus. Ich bleibe beim Original. Die Zeit verstreicht. Langsam wird es dunkel. Und Behaglichkeit macht sich breit. Kleine Törtchen geben das süße Finale. Passionsfrucht, grüner Tee, Apfel in diesem Fall. Vom benachbarten Fußballstadion kommen Fans in die Hotellobby, junge Familien mit Kindern, neben den Geschäftsleuten, die noch etwas zu besprechen haben. Die Atmosphäre ist belebt, ohne nervös zu werden. Wenn das letzte Törtchen verputzt ist, stellt sich Zufriedenheit ein. Wer möchte, kann noch einen Absacker in der Newmans Bar trinken oder genießt einfach den Nachklang eines herrlichen Teenachmittags.
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