Lengede. "Verzweiflung, Frust, Wut, Resignation" - so beschreibt ein Peiner Kunde des Küchenanbieters "Brandt´s Wohnwelt" seine derzeitige Gefühlslage. Mit zirka 40 anderen Geschädigten aus der ganzen Region traf man sich am Montag vor dem Möbelhaus in Broistedt. Alle vereint das gleiche Schicksal: Man hat erhebliche finanzielle Vorleistungen erbracht und steht jetzt ohne Küche da. Auch Polizei und Anwälte beschäftigen sich bereits mit der Angelegenheit.
Der Anstoß für das Treffen vor Ort erfolgte in einer WhatsApp-Gruppe*, in der sich bereits über 120 Personen als Geschädigte des Unternehmens zu erkennen gegeben haben. Und die Geschichten, die die Menschen aus Braunschweig, Salzgitter, Wolfenbüttel oder dem Landkreis Goslar erzählen, klingen ähnlich. Man habe die Küche teilweise bereits vor langer Zeit bestellt und sei dafür in erhebliche finanzielle Vorleistung gegangen - von bis zu 28.000 Euro ist vor Ort die Rede. Im Internet kursieren noch deutlich höhere Summen. Die Auslieferung sei aber nur teilweise oder gar nicht erfolgt. Man sei immer wieder mit Lieferengpässen durch Corona oder den Ukraine-Krieg vertröstet worden. Inzwischen erreicht man bei der Firma niemanden mehr.
Unternehmen hatte guten Ruf
Die Betroffenen sehen sich nun in der Situation, Schulden gemacht oder das Hochzeitsgeschenk der Eltern ausgegeben zu haben, trotzdem aber in einem neuen Haus ohne Küche leben zu müssen. Das sorge auch für schlechte Stimmung zuhause, berichtet ein Betroffener aus Braunschweig. Hinzu komme das Gefühl, einem Menschen vertraut zu haben und jetzt bitter enttäuscht worden zu sein. Denn "Brandt´s Wohnwelt" hatte durchaus einen guten Ruf. Ein Geschäftsmann aus Salzgitter berichtet, das Unternehmen sei ihm von einem renommierten Architekten empfohlen worden. Und auch die anderen Betroffenen hatten einen guten Eindruck vom Geschäftsführer. Nun herrsche Ungewissheit, ob man noch eine Küche bekommt, oder ob man sich weiter verschulden muss, um eine neue zu finanzieren.
Ermittlungen wegen Betrug
Einige der Anwesenden haben bereits Anzeige erstattet. Dies bestätigt die Polizei auf Anfrage. "Hier wurden Ermittlungsverfahren wegen Betruges eingeleitet. Diese werden zentral im Fachkommissariat für Betrugsangelegenheiten in der Polizeiinspektion Salzgitter/Peine/Wolfenbüttel bearbeitet", so Polizeisprecherin Carolin Spilker. Aufgrund der laufenden Verfahren könne man keine genaueren Auskünfte erteilen.
Am Eingang des Geschäfts findet sich lediglich ein Hinweis auf geänderte Öffnungszeiten. Doch geöffnet war Montag und Dienstag nicht. Foto: Rudolf Karliczek
Mehrere Betroffene werden von dem Salzgitteraner Anwalt Erik Wilhelmus vertreten. Er betont im Gespräch mit regionalHeute.de, dass man in diesem Fall zwischen der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Ebene unterscheiden müsse. Er vertrete zunächst Mandanten zivilrechtlich. Das heißt, es gehe um Schadenersatz, da ein geschlossener Vertrag nicht oder nur mit Mängeln erfüllt worden sei.
Es könnte laut Wilhelmus aber auch eine strafrechtliche Ebene geben. Dann nämlich, wenn der Auftrag für die bestellte Küche gar nicht an die produzierende Firma weitergeleitet wurde. Und dafür gebe es Hinweise, da einige Betroffene dort angerufen und diese Auskunft bekommen hätten. In dem Fall läge sogenannter Eingehungsbetrug vor, denn die Vorauszahlungen seien an den Zweck gebunden gewesen, eine Küche herstellen zu lassen.
Anwalt empfiehlt Strafanzeige
Erik Wilhelmus empfiehlt Betroffenen, in jedem Fall Strafanzeige zu stellen. Dies könne die Chance erhöhen, mehr Geld zurückzubekommen als bei einem möglichen Insolvenzverfahren. Komme es zu einer Verurteilung, könne man eine Forderung aus unerlaubter Handlung geltend machen.
Natürlich haben wir auch "Brandt´s Wohnwelt" um eine Stellungnahme gebeten. Doch unsere schriftliche Anfrage blieb unbeantwortet. Telefonisch und vor Ort ist aktuell niemand zu erreichen.
*In einer früheren Fassung war von Facebook-Gruppe die Rede. Dies ist auf einen Fehler des Autors zurückzuführen. Der bittet, dies zu entschuldigen.
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