Region. Kürzlich wurde bekannt, dass sich das Rüstungsunternehmen Rheinmetall in der Nähe des Flughafens Braunschweig-Wolfsburg angesiedelt hat. Laut eines Berichts des NDR soll hier an der Weiterentwicklung militärischer Drohnen gearbeitet werden. Auch die Salzgitter AG arbeitet zum Teil für die Rüstungsindustrie (regionalHeute.de berichtete). Eine Frage, die sich dabei stellt: Wird unsere Region zunehmend zu einem möglichen Ziel feindlicher Mächte?
Dabei muss man nicht gleich vom schlimmsten Szenario ausgehen: einem direkten Angriffskrieg. In der aktuell angespannten Weltlage sind auch andere Angriffe wie Cyber-Attacken oder Anschläge möglich. regionalHeute.de ging daher der Frage nach, welche besonderen Vorkehrungen und Maßnahmen von den Verantwortlichen zur Sicherung von Standorten der Rüstungsindustrie getroffen werden.
Verteidigungsministerium nicht zuständig
Erster Adressat der Anfrage sollte das Bundesverteidigungsministerium sein. Doch dies entpuppte sich als redaktionelle Fehleinschätzung. Ein Sprecher des Ministeriums teilt mit: "Die Zuständigkeit für Aspekte der Inneren Sicherheit liegt beim Bundesministerium des Inneren und bei den Sicherheitsbehörden der Länder, an die ich gern verweisen möchte."
Insbesondere die Bedrohungen im hybriden Bereich würden aber ressortübergreifend im Rahmen des Operationsplans Deutschland gesehen. In diesem Kontext erfolgten auch Planungen, verteidigungswichtige Infrastruktur im Krisen- und Kriegsfall effektiv schützen zu können. "Das entbindet Unternehmen der Rüstungsindustrie jedoch nicht von der Verantwortung, eigenständig Schutzmaßnahmen gegen Cyberangriffe oder andere Formen der hybriden Bedrohung zu implementieren", stellt der Ministeriumssprecher klar.
"Erhöhte abstrakte Gefährdung"
Auch beim Bundesinnenministerium verweist man darauf, dass Fragen zu konkreten Sicherheitsmaßnahmen zuständigkeitshalber an das niedersächsische Innenministerium zu richten seien. Zu möglichen Risiken für konkrete Standorte im Kriegsfall könne man sich grundsätzlich nicht öffentlich äußern. Eine allgemeine Einschätzung gibt es aber doch: "Grundsätzlich besteht eine erhöhte abstrakte Gefährdung von Rüstungsunternehmen und deren Zulieferern mit Blick auf Spionage- und Sabotagehandlungen. Das Bundesministerium des Innern und seine nachgeordneten Behörden stehen hierzu in engem Kontakt mit den Betreibern und den örtlich zuständigen Behörden", so ein Sprecher des Ministeriums.
Sehr ausführlich äußert sich das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung. Man weist zunächst darauf hin, dass sich Art und Umfang von Maßnahmen niedersächsischer Behörden an einer differenzierten Einzelfallbetrachtung orientieren und sich nach geltendem Recht richten. Neben einer konsequenten Strafverfolgung und Präventionsarbeit würden, in enger Zusammenarbeit der zuständigen Behörden, alle im Kontext einer effektiven Gefahrenabwehr als notwendig erachteten und rechtlich zulässigen Maßnahmen getroffen.
"Stärker denn je im Fokus"
Grundsätzlich stünden durch den fortwährenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine kritische Infrastrukturen und damit auch Standorte der Rüstungsindustrie stärker denn je im Fokus der Sicherheitsbehörden. Der polizeiliche Staatsschutz führe deshalb im Austausch mit den niedersächsischen Polizeibehörden und dem Verfassungsschutz Niedersachsen fortlaufend Bedrohungsanalysen und Gefährdungsbewertungen durch, damit im Einzelfall lageangepasst Schutzmaßnahmen für entsprechende Objekte, wie Unternehmen der Rüstungsindustrie, umgesetzt werden können. "Aus Gründen der Geheimhaltung können zu konkreten Schutzmaßnahmen öffentlich keine Informationen erteilt werden", so ein Sprecher des Ministeriums.
Darüber hinaus seien die Meldewege optimiert worden, um potenziell relevante Sachverhalte schnell an entsprechende Fachstellen weiterleiten zu können. Auch die Präventionsarbeit bei potenziell gefährdeten Einrichtungen und Unternehmen sei intensiviert worden, um das dortige Gefahrenbewusstsein zu steigern und so einen unmittelbaren Informationsfluss im Falle eines Verdachtsfalls sicherzustellen. Zudem beinhalteten polizeiinterne Fortbildungen spezifische Module zur Erkennung von Sachverhalten im Kontext hybrider Bedrohungen.
Schäden durch Cyberattacken
Der niedersächsische Verfassungsschutzbericht von 2024 betone, dass hybride Bedrohungen, die unter anderem Spionage, Sabotage und Cyberattacken umfassen, zugenommen hätten. Rüstungskonzerne seien für Cyberangreifer besonders attraktiv. Angreifer versuchten, geheime Forschungs- und Entwicklungsdaten, technische Zeichnungen und strategische Informationen zu stehlen. Solche Angriffe könnten von staatlich unterstützten Hackergruppen oder Wirtschaftsspionen durchgeführt werden. Cyberangriffe zielten zudem oft darauf ab, die Produktion und Lieferketten zu unterbrechen, um die militärische Kapazität eines Landes zu schwächen. Nicht zuletzt seien die durch Cyberangriffe verursachten Schäden in der deutschen Wirtschaft erheblich.
Ein Beispiel für diese Bedrohung sei der Rüstungskonzern Rheinmetall, der wiederholt Ziel von Cyberangriffen gewesen sei. Obwohl die Angriffe teilweise das zivile Geschäft betrafen, würden sie die anhaltende Bedrohungslage für die gesamte Branche unterstreichen.
Lieferketten als Einfallstor
Neben Cyberattacken bestehe auch ein erhöhtes Risiko für physische Sabotage. Solche Angriffe könnten die Produktionsanlagen, die Logistik und die Infrastrukturen der Unternehmen direkt betreffen. Ein bedeutendes Risiko liege dabei auch in den Lieferketten. Wenn Zulieferer nicht die gleichen Sicherheitsstandards einhalten, wie das eigentliche Rüstungsunternehmen, könnten sie zu einem Einfallstor für Angriffe und Sabotage werden.
Die Bundesregierung und die niedersächsische Landesregierung seien sich der erhöhten Risiken bewusst. Die Sicherheitsmaßnahmen würden nachhaltig verstärkt. Rüstungsunternehmen gelten als Teil der kritischen Infrastruktur. Sie würden daher besonderen Sicherheitsanforderungen und Meldepflichten nach dem IT-Sicherheitsgesetz unterliegen. Zudem seien Polizei und Verfassungsschutz aktiv in die Sicherheitsüberprüfung von Personen eingebunden, die in sensiblen Bereichen arbeiten. So soll das Risiko von Sabotage von innen reduziert werden.
Die neue Sicherheitsstrategie der Bundesregierung ziele darauf ab, die Rüstungsindustrie zu stärken und in die Cybersicherheit sowie in sicherheitsrelevante Technologien zu investieren. Niedersachsen, als Standort wichtiger Unternehmen und logistischer Drehscheibe, spiele dabei eine zentrale Rolle.
Bedrohung durch Linksextremismus
Doch von wem geht eine Bedrohung aus? Das niedersächsische Innenministerium hat dabei nicht nur ausländische Mächte ausgemacht. Das Themenfeld „Antimilitarismus“ habe in der linksextremistischen Szene aufgrund der aktuell weltweiten Krisen- und Konfliktsituation wieder an Bedeutung gewonnen, heißt es aus dem Ministerium. Durch diese Entwicklung gerieten auch Rüstungsunternehmen verstärkt in den Fokus von Linksextremisten.
Die daraus resultierenden Aktionsformen umfassten Demonstrationen vor den Liegenschaften der Rüstungsunternehmen, sowie Sachbeschädigungen und auch Sabotageversuche. Die Aktionen zielten dabei nicht nur auf die Liegenschaften ab, wie der linksextremistische Brandanschlag auf das Gartenhaus des Vorstandsvorsitzenden der „Rheinmetall Waffe Munition GmbH“ am 29. April 2024 in Hermannsburg (Landkreis Celle) zeigte. Daher bleibe festzuhalten, dass auch in der Zukunft für die Standorte der Rüstungsindustrie in Niedersachsen eine abstrakte Gefährdung durch Linksextremisten bestehe.
Palästinenser und Türken
„Antimilitarismus“ habe auch für pro-palästinensische Gruppierungen einen hohen Stellenwert, da diese den deutschen Rüstungsfirmen eine aktive Beteiligung am Krieg in Gaza vorwerfen würden. In der Vergangenheit hätten sich auch Gruppierungen aus dem türkischen Linksextremismus an Protesten gegen „Rheinmetall Waffe Munition GmbH“ (zum Beispiel bei Versammlungen unter dem Motto „Rheinmetall entwaffnen“) beteiligt. In diesem Zusammenhang werfen die Gruppierungen den Unternehmen eine Unterstützung der türkischen Regierung vor.