Ministerium warnte im Sommer 2021 vor Gas als Druckmittel des Kreml

Ein bislang unbekannter Vermerk aus dem Bundeswirtschaftsministerium warnte schon im Sommer 2021, dass Russland die nur spärlich gefüllten Gasspeicher in Deutschland einsetzen könnte, um die vorzeitige Inbetriebnahme der geplanten Ostseepipeline Nord Stream 2 zu erzwingen. Das Papier wurde am Samstag als Anlage vom Wirtschaftsministerium an den Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie übersandt, wie die "Welt" berichtet.

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Nord-Stream-Anbindungsleitung EUGAL (Archiv)
Nord-Stream-Anbindungsleitung EUGAL (Archiv) | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Berlin. Ein bislang unbekannter Vermerk aus dem Bundeswirtschaftsministerium warnte schon im Sommer 2021, dass Russland die nur spärlich gefüllten Gasspeicher in Deutschland einsetzen könnte, um die vorzeitige Inbetriebnahme der geplanten Ostseepipeline Nord Stream 2 zu erzwingen.


Das Papier wurde am Samstag als Anlage vom Wirtschaftsministerium an den Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie übersandt, wie die "Welt" berichtet. Es war als "Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch" eingestuft und wurde erst am 30. Mai 2024 "entstuft". Die Staatssekretäre des damaligen Wirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU) hatten den Empfang des Vermerks vom 6. August 2021 quittiert.

"Hinzu kommt, dass RUS mit Blick auf Nord Stream 2 zurückhaltend nach Nordwesteuropa exportiert und Druck zur (vorzeitigen) Inbetriebnahme der Pipeline aufbauen könnte", heißt es in dem Vermerk. Allerdings werden auch andere denkbare Ursachen für die geringen Füllstände der Gasspeicher genannt, zum Beispiel die damals hohen Gaspreise. Die Ministeriumsmitarbeiter beschäftigen sich aber intensiv mit einem Szenario, in dem Russland die geringen Füllstände gezielt einsetzen könnte: Dass die Gasspeicher vom russischen Staatskonzern Gazprom im Sommer 2021 nicht befüllt wurden "könnte darauf hindeuten, dass RUS geneigt sein könnte, Druck aufzubauen", heißt es. Denn es werde auch nach der geplanten Fertigstellung der Pipeline im November 2021 noch mindestens ein halbes Jahr dauern, bis die nötigen Genehmigungen für den Betrieb vorliegen. "Durch eine Verknappung des Gases könnte RUS versuchen, eine vorherige faktische Inbetriebnahme zu erzwingen", heißt es.

"Das Risiko, dass Russland Energie als Mittel der Erpressung anwendet, wurde also ausdrücklich erkannt", schreibt der heutige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Stefan Wenzel, in einem Brief an den Obmann der Union im Klimaschutz- und Energieausschuss, Thomas Gebhardt, dem der Vermerk beiliegt. "Dennoch wurde die Versorgungssicherheitsprüfung, entscheidende Voraussetzung für die noch ausstehende Zertifizierung der Nord-Stream-2-Pipeline durch die Bundesnetzagentur, noch im Herbst 2021 energisch vorangetrieben." Noch kurz vor dem Regierungswechsel attestierte der Versorgungssicherheitsbericht der Bundesnetzagentur, die dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist, dass Nord Stream 2 die Versorgungssicherheit Deutschlands und Europas "nicht gefährdet".

Der heutige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) arbeitete den Bericht nach der Regierungsübernahme über Weihnachten 2021 durch - noch vor dem erneuten Einmarsch Russlands im Februar 2022. Am 26. Dezember 2021 schrieb er in einer E-Mail an seine Mitarbeiter, über die die "Welt" ebenfalls schreibt, der Bericht enthalte "fast schon unfreiwillig komische Formulierungen" und lese sich wie eine "selbsterfüllende Prophezeiung". "Ich glaube nicht, dass er die Versorgungssicherheit belegt", schreibt Habeck. "Aber sie infrage zu stellen, ist natürlich eine politische Bombe." Kabinett und Koalitionsausschuss müssten sich wohl mit der Frage befassen.

Habeck hatte der Union am Samstag beim kleinen Parteitag der Grünen vorgeworfen, durch ihre Energiepolitik in der großen Koalition die Wirtschaftskrise in Deutschland verursacht zu haben. Das Schreiben von Staatssekretär Wenzel an Gebhardt wurde als Antwort auf die Forderung der Union im Ausschuss nach zusätzlichen Unterlagen zur Debatte über die Entscheidungen zum Atomausstieg verfasst. Man erlaube sich, "die Entscheidung der Bundesregierung, die Laufzeiten der letzten drei Kernkraftwerke über den 31. Dezember 2022 hinaus zu verlängern, in den Gesamtkontext der Energiekrise einzuordnen", heißt es in dem Brief. Offenbar wollen Habeck und Wenzel so politischen Gegendruck aufbauen, um einen von der Union angedrohten Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg zu verhindern.


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